06.10.2011: Anhörung Sierra Leone im LABO Berlin

Bakschisch-Zahlungen auf Kosten von Ausländern?

Kundgebung Mo 17.10. um 10 Uhr – Anhörung 17. bis 19.10.2011 in der Ausländerbehörde Berlin


Update 17.10.: Bei der Anhörung heute wurde einem Vorgeführten und seinem Anwalt gesagt, sie befänden sich auf exterritorialem Gebiet, also auf sierra leonischem Gebiet (Gebiet der Einwanderungsbehörde Sierra Leones ??) und da gelten andere Gesetze als in Deutschland. Der Vorgeführte müsse also selbst sprechen und könne nicht durch seinen Anwalt sprechen… !??

Das VG Magdeburg hat am 14.10.11 – 5 B 301/11 MD die Expertenvorführung beim LABO Berlin für den Kläger ausgesetzt, ebenso VG Braunschweig am 17.10.11 – 4 B 152/11.

Süddeutsche Zeitung 5.11.2011 – Bericht zur Anhörung in Berlin: Deutschland bezahlt ausländische Beamte für Hilfe bei Abschiebungen 

Vom 17.10. – 19.10.2011 ist eine bundesweite Sammelanhörung einer „Delegation“ aus Sierra Leone in der Ausländerbehörde Berlin (LABO), Friedrich Krause Ufer 24, Berlin-Wedding (U-Bahn Amrumer Str) geplant, um Reisedokumente für abgelehnte Flüchtlinge zu beschaffen.

Für Mo 17.10.2011, 10 h rufen wir zu einer Kundgebung gegen die Sammelanhörung auf.
Pressemitteilung zur Sammelanhörung und Kundgebung

Siehe auch PRO ASYL-News 14.10.2011:
Delegation aus Sierra Leone: Fragwürdige Beschaffung von Abschiebe-Dokumenten

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17.10.11 Sammelanhörung Sierra Leone im LABO Berlin – Bakschisch-Zahlungen auf Kosten von Flüchtlingen?

Wenn anstelle der Botschaft eine zweifelhafte „Delegation“ aus Sierra Leone die angebliche Staatsangehörigkeit Sierra Leones bestätigt und Rückkehrdokumente ausstellt, und sich hierzu erstmal von einem Hamburger Schlüsseldienst Dienstsiegel der Republik Sierra Leone anfertigen lässt, und die Bundespolizei ihr dies, aber auch ein umfangreiches Vergnügungsprogramm finanziert, dann stellt dazu die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift Anwaltsnachrichten Ausländer- und Asylrecht die Frage: Bakschisch-Zahlungen auf Kosten der EU und von Ausländern?

Bakschisch-Zahlungen auf Kosten der EU und von Ausländern?
Anwaltsnachrichten Ausländer- und Asylrecht ANA ZAR 4/2011, 31

Wir überlassen dem Leser zu entscheiden, ob es sich bei dem berichteten Vorgang nur um behördlichen Einfallsreichtum oder um Bestechung handelt. 

Beteiligt an der Geschichte sind jedenfalls diese Personen: Von niedersächsischen Landesbehörden, Herr Stückrath und Frau Rust. Als Mitarbeiter der Bundespolizeidirektion Koblenz u. a. Polizeirat Michael Dewenter und Frau Letsch. Von Seiten der EU-Kommission aus der früheren »Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit« Herr Jean Louis de Brouwer und Herr Johan Bern. Ferner fünf angeblich hochrangige Bedienstete des Staates Sierra Leone, nämlich Herr Bassi, Herr James Goodwyll, Frau Kadie Sesay, Herr Alhaji Banie Sesay und Herr Koroma. Und zu schlechter Letzt Richter am Verwaltungsgericht Braunschweig, Dr. Allner.

Dies geschah:
Um Ausreisepflichtige, die mutmaßlich aus Sierra Leone stammen, jedoch nicht über Reisepapiere verfügten, abschieben zu können, luden Behörden der Bundesrepublik Deutschland die oben genannten Personen aus Sierra Leone 2008 nach Deutschland ein. Sie sollten Heimreisepapiere ausstellen. Den angeblichen Offiziellen wurden in Hamburg und Karlsruhe insgesamt 161 Personen »vorgestellt«. Es ist nicht bekannt, ob und wieviele Rückreisepapiere ausgestellt worden sind. Bekannt geworden sind bei der Aktion aber folgende Merkwürdigkeiten: Der wenige Tage dauernde Besuch der »Offiziellen« verursachte insgesamt Kosten von 49.264,48 EUR. Hiervon hat die EU aufgrund eines Vertrages mit der Bundespolizeidirektion Koblenz 69,56 %, also 33.840,41 EUR, Fördermittel im Rahmen einer Maßnahme »Auswertung der bewährten Praktiken für die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Rahmen der Identifizierung von ausreisepflichtigen Drittstaaten …« gezahlt. Den fünf Besuchern aus Afrika wurden »Tagegelder« in Höhe von insgesamt 7.200 EUR ausgezahlt. Da die »Offiziellen« augenscheinlich unvorbereitet eintrafen, mussten in Deutschland für sie u. a. beschafft werden: 10 Datumsstempel sowie Büromaterial wie Klebestift und Büroklammern. Auch spezielles Papier für die Ausstellung von Heimreisedokumenten. Und – besonders pikant ein »Dienstsiegel« der Republik Sierra Leone, das durch einen Hamburger Schlüsseldienst zum Preis von 63,50 EUR angefertigt wurde. Weiter entstanden Dolmetscherkosten in Höhe von rund 5.000 EUR, Flugkosten für die »Delegation« und den Dolmetscher von rund 16.000 EUR und Hotelkosten für die »Delegation« und für Begleiter der Bundespolizei in Höhe von ca. 10.000 EUR. Ferner wurden hohe Aufwendungen getätigt für Essen mit z. T. beträchtlichen Trinkgeldern und für die Aufladung von Prepaid-Handys. Auch für Rahmenprogramme wurde einiges berappt. Diese sollen nach Mitteilung des Landes Niedersachsen für eine »vertrauensbildende Atmosphäre« notwendig gewesen sein. Dazu gehörten ein Besuch mit reichlich Genuss von Holsten Bier im Fußballstadion des HSV zu einem UEFA-Cup-Spiel sowie eine Bootsfahrt im 85 km von Karlsruhe entfernten Strasbourg. Die von der EU-Kommission nicht gezahlte Restsumme wurde unter den 161 Afrikanern aufgeteilt und von diesen durch Leistungsbescheid als »Anhörungsgebühr« für eine angebliche »Vorführung bei der Botschaft von Sierra Leone« geltend gemacht.

Wir kennen den Fall eines einzelnen Afrikaners: Von diesem wurden zunächst anteilige »Anhörungsgebühren« von 178,34 EUR gefordert. Später wurde das vermindert auf 171,90 EUR. Nachdem der Rechtsanwalt Nachfragen stellte, wurden die Tagegelder der »Delegation«, die Kosten des Rahmenprogramms, die Kosten für Dienstsiegel und Büromaterial sowie für Gastgeschenke und eine Arztrechnung aus der Gesamtrechnung herausgenommen und die anteilige Gesamtforderung auf 154,00 EUR abgesenkt.

Dass der gesamte Vorgang zum Himmel stinkt, focht den mit der Klage befassten Richter Dr. Allner in keiner Weise an. Die nach sukzessiver Ermäßigung der anteiligen Kosten noch anhängige Klage wies er durch Urteil vom 8.4.2011, 4 A 185/10, ab, wobei er die Unbedenklichkeit hatte, zur Begründung vollinhaltlich auf den Ausgangsbescheid, der allerdings im Laufe des Verfahrens mehrfach geändert worden war, Bezug zu nehmen. Lediglich folgender Satz der Begründung stammt von ihm: »Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der Kläger jahrelang schuldhaft seiner Pflicht, einen Pass vorzulegen, nicht nachgekommen ist und deshalb auch die in der Höhe berechtigten Aufwendungen der beteiligten Behörden für die Beschaffung eines Passes zu erstatten hat.«

Klar, dass dann der Ausländer für die Sause zu zahlen hat, die Behörde wird‘s schon richtig gemacht haben. Die EU hat ja schließlich auch gezahlt!

Dass dieser Richter auch noch einen Beweisantrag des Anwalts ohne Begründung (weder in der mündlichen Verhandlung noch im Urteil) ablehnte, verwundert dann überhaupt nicht mehr. Wenn alle Richter so wären, könnte man die Verwaltungsgerichtsbarkeit gleich abschaffen!

Die Redaktion fragt: Wieso handelt es sich um eine »Botschaftsvorführung«, wenn von deutschen öffentlichen Stellen eingeladene und bezahlte, nicht näher bezeichnete Personen aus Afrika, hier für einen Kostenpunkt von rund 50.000 EUR durch Deutschland reisen? Ist es eigentlich üblich, dass Dienstsiegel eines Landes von einem Schlüsseldienst in einem anderen Land angefertigt werden?

Sind die näheren Umstände der »Delegationsreise« nicht ein Indiz dafür, dass hier gar nichts mit rechten Dingen zugegangen ist? Und wenn das so sein sollte, warum zahlt dann die EU so viel Geld dafür? Und warum sollten Ausländer dafür zahlen müssen? Vielleicht sollten sich einmal diverse Korruptionsbeauftragte um die Sache kümmern.

Zu vergleichbaren Unregelmäßigkeiten, das Land Sierra Leone betreffend, wird hingewiesen auf Entscheidungen des VG Magdeburg und des VG Bremen.


VG Bremen Beschluss vom 08.01.2010 4 V 1306/09
Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Anordnung zur Vorsprache bei Vertretern Sierra Leones, da grundsätzliche Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Ausstellung von Passersatzpapieren für Sierra Leone bestehen.

VG Magdeburg Beschluss vom 12.11.2010 5 B 206/10 MD
Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Vorführung bei einer Delegation aus Sierra Leone. Es ist bereits unklar, ob es sich bei den Vertretern des „Sierra Leone Immigration Office“ um „ermächtigte Bedienstete“ im Sinne des § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG handelt. Der im Verfahren erfolgte ergänzende pauschale Hinweis der Bundespolizei, die Einladung sei auf diplomatischem Wege im Rahmen des sog. „Return-Projekts“ überregional organisiert worden, ist nicht ausreichend.

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Ankündigung der Gruppe „Corasol“

Kundgebung gegen Sammelanhörung von Flüchtlingen aus Sierra Leone

Montag, den 17.10.2011, 10 h
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Ausländerbehörde Berlin
Friedrich-Krause-Ufer 24, Berlin (zwischen S-Bahn Wedding und Westhafen, U-Bahn Amrumer Str)

Treffpunkt zum gemeinsamen Hinlaufen: Ringbahnstation Westhafen, Nordseite, 9:45h

Was passiert hier?!

In einer höchst zweifelhaften Anhörung sollen nicht näher definierte Personen aus Sierra Leone die Identität von „Ausreisepflichtigen“, vermuteten Staatsangehörigen Sierra Leones, feststellen. Sie sollen Papiere ausstellen, die der zuständigen Ausländerbehörde erlauben, die Betroffenen abzuschieben.

Wer keine Papiere hat, die die Herkunft eines Menschen für die deutschen Behörden belegen, kann aus Deutschland nicht abgeschoben werden und erhält, sofern er oder sie einen Asylantrag gestellt hat und dieser abgelehnt wurde, den Status der „Duldung“. Wer nun „geduldet“ ist, hat aus Sicht der Bundesrepublik die Pflicht, an der Beschaffung gültiger Papiere mitzuwirken, um in das Heimatland zurück zu reisen. Die „Geduldeten“ sind „ausreisepflichtig“.

Im Falle der Menschen, von denen die Ausländerbehörde vermutet, dass sie aus Sierra Leone kommen, hat die Botschaft keine Papiere ausgestellt. Sie erkennt sie also nicht als Bürger des Staates Sierra Leone an. Dies verschafft den Betroffenen einen Schutz vor Abschiebung auf ungewisse Dauer.

Die Bundespolizei hat einen Weg gefunden, temporäre Papiere an der Botschaft vorbei ausstellen zu lassen um so noch mehr Menschen abzuschieben. Mehrmals ist es in den letzten Jahren und Monaten vorgekommen, dass sogenannten „Delegationen Sierra Leones“ Deutschland geholt wurden, um die Identität ihrer angeblichen Mitbürger_Innen im Exil festzustellen. Ob die eingeflogenen Personen aus Sierra Leone autorisiert sind, Passersatzpapiere auszustellen, ist unklar.  Aus der Vergangenheit sind vergleichbare Fälle bekannt, in denen so genannte „Delegationen“ tageweise mit hohen Summen bezahlt wurden, mit anderen Worten: bestochen. Was davon nicht die Europäische Union bezahlte, wurde unter den vorgeführten Flüchtlingen aufgeteilt. Sie durften also für ihre unrechtmäßig in die Wege geleitete Abschiebung noch zusätzlich zahlen!

Diese rassistische und korrupte Praxis der Ausländerbehörden und der Bundespolizei wollen wir nicht kommentarlos stehen lassen.

Kommt zahlreich und laut zur Kundgebung! Bringt Plakate und Transparente mit gegen Abschiebungen, Behördenrassismus und für globale Bewegungsfreiheit.

NO Borders NO Nations Stop Deportation.





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