14.08.2017: Flüchtlingsrat Berlin informiert – aktuelle Arbeitsschwerpunkte

Aktuelle Arbeitsschwerpunkte


Asylsuchende, die vom BAMF als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt werden, erhalten von der Ausländerbehörde Berlin über viele Monate hinweg nicht den ihnen zustehenden elektronischen Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehene Zettel-Bescheinigung. Dies erschwert Geflüchteten den gleichberechtigten Zugang in alle gesellschaftlichen Bereiche wie Arbeit, Bildung und Wohnen. Der Flüchtlingsrat hat gegenüber der Innenverwaltung mehrfach gegen diese diskriminierende Praxis protestiert. Wir haben uns Ende Juli an Innensenator Geisel gewendet, mit der Bitte nach dem Vorbild des rot – grün regierten Niedersachsens die Ausländerbehörde Berlin anzuweisen, die geltenden Gesetze umzusetzen und nach der Vorlage des Anerkennungsbescheides umgehend die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Im September 2016 wurde Hussam Fadl Hussein, Flüchtling aus dem Irak, bei einem Polizeieinsatz auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft von hinten erschossen. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen die verantwortlichen Polizisten wurde Ende Mai mit dem Verweis auf Notwehr eingestellt. Dagegen hat Familie Fadl Hussein auf einer Pressekonferenz und einer anschließenden Kundgebung gemeinsam mit der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), ReachOut und dem Flüchtlingsrat Berlin protestiert. Das Solidaritätsbündnis fordert mit Familie Fadl Hussein lückenlose und öffentliche Aufklärung der tödlichen Polizeigewalt.

Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung plant ab September 2017 am Tempelhofer Weg 62 in Schöneberg eine Segregationsschule mit pädagogischen Substandard ausschließlich für MigrantInnen. In der ehemaligen Teske-Schule im Gewerbegebiet am Bahnhof Südkreuz waren zuletzt Geflüchtete untergebracht. SchülerInnen mit geringen schulischen Vorkenntnissen bzw. fehlender Alphabetisierung sollen in „Willkommensklassen“ am neuen Standort mit einer Klassenfrequenz von 20 Personen (bisher: 12) unterrichtet werden. Ein breites Bündnis u.a. aus GEW, Flüchtlingsrat Berlin, Landeselternausschuss, Migrationsrat, Türkischer Bund, Netzwerk gegen Diskriminierung in Schule und Kita und Schöneberg Hilft lehnt das Vorhaben ab. Ein gemeinsamer Offener Brief gegen das temporäre Bildungszentrum kann auf change.org von weiteren Initiativen und Einzelpersonen als Petition unterzeichnet werden.

Weiterhin beschäftigt uns die katastrophale Unterbringungssituation von Geflüchteten in Berlin. Immer noch müssen mehrere Tausend in völlig ungeeigneten Notunterkünften leben, einige von ihnen schon seit fast zwei Jahren. Durch die fehlende Privatsphäre, die unzureichenden hygienischen Bedingungen und vor allem die monatelange Verpflegung mit Essen aus der Großküche, sind viele zermürbt. Uns erreichen wöchentlich Beschwerden aus den Unterkünften. Wir leiten die Beschwerden an die verantwortlichen Stellen weiter, vermitteln Opfer von Gewalt an Beratungsstellen und AnwältInnen und sind regelmäßig mit der für die Unterbringung zuständige Sozialsenatorin Elke Breitenbach im Gespräch.

Nach Auskunft des Bezirksamts Berlin-Mitte wurden Geflüchtete beim Leerzug aus der Notunterkunft in der Levetzowstraße nach Herkunftsländern separiert. Der Flüchtlingsrat Berlin fordert den Senat auf, diese diskriminierende Unterbringungspolitik sofort zu beenden.
Presseinformation des Flüchtlingsrats vom 11. August zu: „Keine Sonderlager für Menschen aus dem Westbalkan

Unsere Kollegin Katharina Mühlbeyer erklärt in einem kurzen Interview, wie leicht minderjährige Flüchtlinge bei der Alterseinschätzung als Erwachsene eingeschätzt werden und in der Folge alle Hilfen verlieren.

Mit dem Ende Juli 2017 in Kraft getretenen „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ dreht die Bundesregierung der Willkommenspolitik unmissverständlich den Rücken zu. Das von PRO ASYL, den Wohlfahrtsverbänden und den Flüchtlingsräten als „Hau ab Gesetz“ kritisierte Gesetz sieht massive Verschärfungen für Geflüchtete vor: Auslesen von Handys und ggf. Übermittlung an Drittstaaten, grundsätzliche Möglichkeit der Unterbringung aller Asylsuchenden für bis zu 24 Monate in Aufnahmeeinrichtungen, standardmäßige Aussetzung der Beurkundung von Vater- schaftsanerkennung bei Flüchtlingen mit prekärem Aufenthalt und aus „sicheren Herkunftsländern“, Verlängerung des Ausreisegewahrsams auf bis zu zehn Tage, unangekündigte Überraschungsabschiebungen nach mehr als einjährig geduldetem Aufenthalt usw. Die Regierungskoalition in Berlin ist aufgefordert, die bundesrechtlichen Vorschriften so auszulegen und anzuwenden, dass willkürliche Verwaltungspraktiken nicht möglich sind und Ermessensspielräume zu Gunsten der Geflüchteten ausgeschöpft werden.





Nach oben scrollen