Veröffentlicht am 07.12.2017

Bilanz ein Jahr r2g Senat – die flüchtlingspolitische Wende lässt auf sich warten

Bilanz ein Jahr rot-rot-grüner Senat: Die flüchtlingspolitische Wende lässt auf sich warten


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Im September 2016 hat der Flüchtlingsrat einen umfassenden Forderungskatalog zur Wahl des Abgeordnetenhauses vorgelegt[1]. Vieles davon fand Eingang in den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien und ließ auf eine flüchtlingspolitische Wende unter Rot-Rot-Grün hoffen. Doch diese blieb bisher aus. Ein Jahr nach Amtsantritt des Senats hat der Flüchtlingsrat dessen Politik in den Bereichen Soziales, Inneres und Jugend analysiert (siehe Anhang) und zieht eine ernüchternde Bilanz. Weder lässt sich der angekündigte Paradigmenwechsel in der Anwendung des Ausländerrechts erkennen, noch gab es Fortschritte bei der Unterbringung von Geflüchteten in privaten Wohnungen. Die Rechte von geflüchteten Kindern und Jugendlichen werden in vielen Bereichen verletzt.

Aus der Sicht des Flüchtlingsrats wird das Versprechen der Koalition, Integration zu erleichtern und Bleibeperspektiven auch in bislang ungelösten Fällen zu ermöglichen (Koa-Vertrag S. 113)[2], bislang nicht eingelöst. Die Quote der positiven Entscheidungen des Innensenators Andreas Geisel in der Härtefallkommission ist vergleichbar gering wie unter seinem CDU-Vorgänger Frank Henkel. In viel zu wenigen Fällen hat die Berliner Ausländerbehörde ein humanitäres Bleiberecht nach §§ 25a und b oder § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz erteilt.

Wir fordern den Senat auf, die Ausländerbehörde anzuhalten, die gesetzlichen Möglichkeiten für die Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel besser zu nutzen. Die vereinbarte Expert*innen-Kommission zur Überarbeitung der Ausführungsvorschriften der Ausländerbehörde Berlin (VAB) muss endlich ihre Arbeit aufnehmen (vgl. Koa-Vertrag S. 113).

Beim Umgang mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen stellt der Flüchtlingsrat nach wie vor gravierende Kindeswohl- und Kinderrechtsverletzungen fest: mangelhafte Unterbringung, unzureichende psychosoziale, psychologische und medizinische Versorgung, willkürliche Altersfeststellungsverfahren, verwehrte Zugänge zu den Hilfen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz usw.[3] Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Auch seinem Anspruch, geflüchteten Kindern und Jugendlichen möglichst schnell den Besuch einer Regelklasse zu ermöglichen (Koa-Vertrag S. 18), wird der Senat nicht gerecht. Im Oktober hat der Senat an der Teske-Schule in Schöneberg einen segregierten Schulstandort nur für geflüchtete Jugendliche geschaffen. Die Einschulung von Flüchtlingskindern und –jugendlichen bleibt wie unter der Vorgänger-Regierung chaotisch.

Wenn es nach Noten ginge, würde ich dem Senat hier eine glatte 4 geben“, so Walid Chahrour, Vorstandssprecher des Flüchtlingsrats. „Der Senat muss endlich sicherstellen, dass alle Kinder und Jugendliche in Berlin gleichberechtigten, nicht segregierten und nicht verzögerten Zugang zu Kita, Schule und Ausbildung haben.“

Die Koalition hat vereinbart, geflüchtete Menschen zügig in Wohnungen unterzubringen, und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Geflüchteten den individuellen Zugang zum Wohnungsmarkt zu ermöglichen (Koa-Vertrag S. 118). Diese Ankündigung wurde bisher nicht umgesetzt. Statt Geflüchtete auf dem Wohnungsmarkt zu stärken, ihnen den Zugang zu Sozialwohnungen zu ermöglichen und eine proaktive Akquise für Wohnungen für Geflüchtete zu betreiben, setzen die verantwortlichen Senatsverwaltungen für Soziales (SenIAS) und für Stadtentwicklung (SenSW) weiterhin auf Sammellager.

Natürlich kann der Senat nicht alles in einem Jahr umsetzen, was er sich für die gesamte Legislatur vorgenommen hat. Doch vieles wie der Wohnungsberechtigungsschein für Asylsuchende ist keine Frage der Zeit, sondern des politischen Willens. Im Bereich Wohnungen für Geflüchtete, bei der Umsetzung sozialer Rechte und bei der Anerkennung humanitärer Härten erwarten wir deutlich mehr Initiativen des Senats als bisher.

Ein begrüßenswerter Ansatz ist das Vorhaben der Senatsverwaltung für Soziales, zusätzliche Mittel für eine unabhängige Asylverfahrensberatung zur Verfügung zu stellen.

Pressekontakt:
Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030-22476 311, mobil: 0152-02944736 (Georg Classen)

Anlagen:

Fußnoten:
[1] „Berlin braucht eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik. Forderungskatalog des Flüchtlingsrates Berlin an die neue Landesregierung “, Sept. 2016, forderungskatalog_2016.pdf
[2] Koalitionsvertrag r2g Berlin, Nov. 2016 www.berlin.de/rbmskzl/_assets/rbm/161116-koalitionsvertrag-final.pdf
[3] Vgl. Positionspapier des Arbeitskreis Junge Flüchtlinge des Flüchtlingsrates zur Situation von geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Familien in Berlin, Okt. 2017, AK_Junge_Fluechtlinge_Okt2017.pdf





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