Veröffentlicht am 11.09.2014

Brutale Abschiebung im Morgengrauen

Gemeinsame Pressemitteilung von KommMit für Migranten und Flüchtlinge, Xenion -Psychosoziale Hilfe für politisch Verfolgte und Flüchtlingsrat Berlin am 11. September 2014

Abschiebung im Morgengrauen: Innensenator Henkel lässt zwei Jugendliche gewaltsam nach Armenien abschieben


Am Montag den 01.09.2014 gegen 6.00 Uhr stürmte die Polizei in die Wohnung einer dreiköpfigen armenischen Familie in Lichtenberg,  um die 19- und 21-jährigen Söhne zur Abschiebung nach Armenien abzuholen. Dabei ging die Polizei mit äußerster Brutalität vor, die Mutter der Brüder erlitt einen Zusammenbruch. Erst sechs Tage zuvor hatten sich die Mitglieder der Härtefallkommission einstimmig für den Verbleib der Familie in Berlin ausgesprochen.
Beratungsstellen und Flüchtlingsrat fordern sofortige Wiedereinreise der jungen Männer und Aufklärung des Falls im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses.

Frau H. war 2005 nach Berlin eingereist, die beiden Söhne folgten ihr 2007 bzw. 2008 nach. Aufgrund traumatisierender Erlebnisse im Herkunftsland befand sich Frau H. in Behandlung bei der psychosozialen Beratungsstelle XENION. Sie zählt zur Gruppe der Flüchtlinge, die nach der EU- Aufnahmerichtli-nie als besonders vulnerabel eingestuft werden. Doch die Asylgründe der Familie wurden nicht anerkannt. Mit Erreichen der Volljährigkeit der beiden Söhne betrieb die Ausländerbehörde ihre Abschiebung.

Am Dienstag, den 26.08.2014, hatten sich die Mitglieder der Härtefallkommission einstimmig für die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis für die Mutter und die beiden Söhne ausgesprochen. Jedoch ignorierte Innensenator Henkel die Empfehlung der Härtefallkommission und gab bereits am darauffolgenden Freitag Nachmittag grünes Licht für die Abschiebung. Die Abschiebung wurde im Schnellverfahren eingeleitet, ohne die Härtefalkommission, den Anwalt der Familie, geschweige denn die Familie selbst zu informieren.

Frau H. erlitt durch den  Schock der Abschiebung ihrer beiden Söhne sowie das äußerst brutale Vorgehen der Polizei einen Zusammenbruch und wurde von der Abschiebepolizei in die geschlossene Abteilung einer Berliner Psychiatrie eingewiesen. Sie berichtet, wie mehrere Polizisten am frühen Morgen in ihre Wohnung stürmten. Sie sei zu Boden gedrückt und ihre Arme und der Kopf gewalt-sam zur Seite gedreht worden. Sie bekam daraufhin Atemnot und Panikattacken. Die Polizei hatte sie dermassen brutal behandelt,  dass am darauffolgenden Sonntag noch die Hämatome am Arm, den Händen und an der linken Schulter zu sehen waren. Noch immer befindet sich Frau H. in der geschossenen Abteilung der Psychiatrie. Ohne ihre Söhne glaubt die alleinstehende Frau jeden Halt zu verlieren.

Den beiden jungen Männern droht in Armenien nun der Einzug zum Militärdienst. Bei Verweigerung des Militärdienstes sind sie zudem der Gefahr einer Haftstrafe ausgesetzt. Der Rechtswalt der Fami-lie hatte bereits einen Asylfolgeantrag aufgrund der Gefahr der Einziehung in der Armee vorbereitet.
In Berlin waren die beiden Geschwister gut integriert und hatten hier eine schulische und berufliche Perspektive. Beide Bruder bereiteten sich auf ihre Schulabschlüsse vor, das „Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge“ (Komm Mit e.V.) unterstütze den jüngeren Bruder in seinem beruflichen Werdegang.

Die Beratungsstellen Komm Mit e.V. und Xenion sowie der Flüchtlingsrat sind entsetzt über das Vorgehen von Innensenator, Polizei und Ausländerbehörde. Nicht nur hat der Innensenator das einstimmige Votum der Härtefallkommission ignoriert, durch die Abschiebung die Brüder völlig abrupt aus ihrem langjährigen Lebensumfeld gerissen und von ihrer Mutter getrennt. Die Abschiebung erfolgte unangekündigt und mit ausgesprochener Brutalität. Dieses Vorgehen ist menschenverachtend. Wir fordern den Innensenator auf, die sofortige Rückkehr der abgeschobenen Brüder zu ermöglichen. Darüber hinaus muss sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Vorfall befassen: Solch ein rücksichtsloses Vorgehen der Behörden darf sich nicht wiederholen.

Kontakt:

Xenion, politische Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
Dorothee Bruch
Paulsenstr. 55-56, 12163 Berlin
Tel: 030 31012564

KommMit e.V.
Kerstin Schukalla und Walid Chahrour
c/o BBZ- Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrant_innen,
Turmstr. 72, 10551 Berlin
Tel:  030 66640720

Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Martina Mauer
Georgenkirchstraße 70, 10249 Berlin
Tel:  030 24344 57 62





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