Veröffentlicht am 31.05.2018

31.05.2018: Geplante AnKER-Zentren verletzen elementare Rechte von Minderjährigen

Pressemitteilung der Landesflüchtlingsräte, des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Jugendliche ohne Grenzen und PRO ASYL
zum Internationalen Kindertag am 1. Juni 2018


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Anlässlich des Internationalen Kindertages wenden sich Landesflüchtlingsräte, Jugendliche ohne Grenzen, der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und PRO ASYL gegen die Errichtung sogenannter AnKER-Einrichtungen. Studien von Verbänden und Organisationen und die Erfahrungen aus der Arbeits- und Beratungspraxis der Flüchtlingsräte zeichnen bundesweit ein klares Bild: Die Unterbringung von Kindern in großen Sammelunterkünften gefährdet das Wohl der dort lebenden Kinder und verletzt elementare Rechte von Minderjährigen.

Die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz, wie es CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, ist zu begrüßen. Überzeugen kann der Ansatz allerdings nur, wenn dieser auch diskriminierungsfrei für alle Kinder gilt – unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus.

Bereits jetzt ist der Alltag der Kinder und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Transitzentren, die als Vorbild der AnKER-Zentren dienen sollen, jedoch oft geprägt von beengten Wohnverhältnissen, fehlender Privatsphäre, dem Ausschluss von der Regelschule, unzureichender gesundheitlicher Versorgung sowie vom Nichtstun, vom Warten und dem Miterleben von Gewalt. Abschiebungen, die zum Teil mitten in der Nacht durchgeführt werden, sorgen für eine Situation der Schutzlosigkeit und Angst. Sachleistungsversorgung, fehlende Therapieangebote und mangelnde Hygiene in überlasteten Sanitärbereichen verschärfen vielerorts die Situation.

Innen- und Heimatminister Horst Seehofer plant, die Isolation und Diskriminierung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen durch das Sondersystem der AnKER-Zentren weiter voran zu treiben.

In den AnKER-Einrichtungen sollen die Aufnahme, die Alterseinschätzung von unbegleiteten Minderjährigen, Asylverfahren und die Abschiebung nach Ablehnung eines Asylantrages gebündelt werden. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge droht damit eine Unterbringung in Einrichtungen für und mit (fremden) Erwachsenen bis zu ihrer Inobhutnahme durch die Jugendämter. Dies widerspricht dem Minderjährigenschutz sowie dem Primat der Kinder- und Jugendhilfe und ist mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus  sollen unbegleitete Minderjährige, deren Minderjährigkeit nicht anerkannt wird, und begleitete Kinder und Jugendliche bis zu 18 Monaten oder länger in den AnKER-Einrichtungen verbleiben müssen. (Schutz)Standards, die in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gelten, werden nicht berücksichtigt.

„Der Aufenthalt in der Erstaufnahme macht Kinder krank. Viele von ihnen haben ihre Kindheit in Lagern verbracht – in der Türkei, im Sudan, in Libyen, in Griechenland, im Libanon. Sie hoffen auf Schule, ein Zuhause und Sicherheit. Was sie dann aber in Deutschland erwartet, sind neue Lager mit Stacheldraht“, berichtet Jibran Khalil, Mitglied der Initiative Jugendliche ohne Grenzen, der eigene Erfahrungen im Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt (Brandenburg) gemacht hat.

„Die geplanten AnKER-Zentren, die die Kasernierung von Kindern und ihre Diskriminierung durch Sondergesetzgebung auf die Spitze treiben, sind das Zeichen einer absoluten Verrohung der Politik“, so Khalil weiter.

Die Landesflüchtlingsräte, der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Jugendliche ohne Grenzen und PRO ASYL fordern die Rechte von Kindern und Jugendlichen sowie ihr Wohl in allen flüchtlingspolitischen Erwägungen diskriminierungsfrei zu gewährleisten und die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen zu forcieren.
Die Organisationen fordern daher alle Bundesländer auf, sich nicht am Pilot-Projekt der AnKER-Zentren zu beteiligen.

Der Flüchtlingsrat Berlin zur Situation in Berlin:
Der Flüchtlingsrat Berlin begrüßt die klare Absage des Berliner Senats, sich an der Pilotphase der AnKER-Lager zu beteiligen. Wir fordern jedoch genau deshalb, dass der Senat konsequenterweise die menschenunwürdige Unterkunft im Hangar 2 des ehemaligen Flughafen Tempelhof schließt. In dieser riesigen Flugzeuggarage müssen Geflüchtete ihre ersten Tage in Berlin verbringen, um Zugang zum Asylverfahren zu erhalten. Der Ankunftshangar wirkt auf die neu ankommenden Asylsuchenden abschreckend und schockierend und hat negativen Einfluss auf ihr Asylverfahren. Denn im Hangar fehlt in den nach oben offenen, türlosen Schlafkabinen jegliche Privatsphäre und Ruhe (auch nachts), um sich auf das Asylverfahren und das alles entscheidende Asylinterview vorzubereiten. Das  hat gravierende Folgen für die Chancen der Betroffenen im weiteren Asylverfahren. Zudem fehlt eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung. Auch begleitete Minderjährige und unerkannte Minderjährige verbringen ihre ersten Tage/Wochen in diesem nicht kindgerechten Umfeld.

Deshalb fordert der Flüchtlingsrat Berlin die sofortige Schließung des Ankunftshangars und die Unterbringung neu ankommender Asylsuchender in einem menschenwürdigen und kindgerechten Umfeld.

Vgl. dazu Pressemitteilung des Flüchtlingsrats Berlin vom 14. Mai 2018.

Pressekontakt:
Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel.: 030 224 763 11, E-Mail: buero@fluechtlingsrat-berlin.de





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