Veröffentlicht am 05.11.2013

Heimbetreiber PeWoBe verbietet Deutschkurs in Notunterkunft für Asylsuchende

Presseinformation vom 5. November 2013


TAZ 21.11.13: Duschen nur vormittags
Abendschau 15.11.13: Das unkontrollierte Geschäft mit den Flüchtlingen
Berliner Zeitung 12.11.13: Helfer in Flüchtlingsheimen ausgebremst

Die private Heimbetreiber-Firma PeWoBe Berlin GmBH hat der ehrenamtlichen Initiative Multitude e.V. untersagt, ihr Deutschkursangebot für in der Notunterkunft in Berlin-Grünau lebende Asylsuchende fortzuführen.

• 22.10.2013: Gemeinsame Pressemitteilung von InteraXion, Multitude e.V. und Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Notunterkunft in Berlin-Grünau wirft Deutschkurs für Geflüchtete raus (pdf)

• 5.11.2013: Offener Brief Netzwerk Refugees Welcome Treptow-Köpenick an Sozialsenator Czaja, LAGeSo Präsident Allert, PeWoBe Chef Penz, Bezirksbürgermeister Igel und die Fraktionen in Abgeordnetenhaus und BVV:
Für eine menschenwürdige Unterbringung! Missstände in der Notunterkunft Grünau beseitigen! (pdf)

Die Deutschkurse wurden seit Januar 2013 ehrenamtlich 14tägig abends in der Notunterkunft angeboten, ab Oktober sollten die Kurse wöchentlich stattfinden. Anlass der Kündigung war offenbar eine seitens Multitude bei einem Runden Tisch mit Betreiber, Bezirksamt und weiteren lokalen Akteuren vorgelegte Kritik an einigen baulichen und organisatorischen Mängeln in der Notunterkunft.

Die PeWoBe-Heimleitung erklärte darauf, dass sie die mit dem Land Berlin vertraglich vereinbarten Mindeststandards für die Unterkunft nur insoweit umsetzen wolle, wie man diese Standards für notwendig halte, nach dem Motto: „Was in der Unterkunft Standard ist, bestimme ich.“

Die Asylsuchenden haben während des oft jahrelangen Asylanerkennungsverfahrens keinerlei Zugang zu staatlich finanzierten Deutsch- und Integrationskursen bei der VHS und anderen Bildungsträgern. Wegen des Arbeitsverbots und den geringen Regelsätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes können sie auch selbst keine Kurse bezahlen. Das kostenlose Angebot von Multitude ist daher für die Flüchtlinge in Grünau und anderswo existenziell wichtig.

Die PeWoBe Berlin GmBH betreibt derzeit in Grünau, Hellersdorf, Tiergarten-Süd und Charlottenburg Not- bzw. Sammelunterkünfte für Asylsuchende. Geplant ist der Neubau einer Notunterkunft in Neukölln. Ehrenamtliche Angebote von Multitude für Asylsuchende wurden durch die PeWoBe auch in Hellersdorf und in Tiergarten-Süd – angeblich „mangels Bedarfs“ – von vorneherein unterbunden.

Zur PeWoBe-Familie gehört auch der BOSS-Wachschutz, der u.a. den Sozialdienst in der Asylaufnahmestelle Eisenhüttenstadt und im Flughafen-Asylknast in Berlin-Schönefeld stellt. In den 90er Jahren stand die Firmengruppe, die damals unter dem Namen Sorat auch Hotels betrieb, u.a. wegen ihrer Sachleistungsversorgung für Asylsuchende in Berlin in der Kritik. Vgl. dazu z.B. DIE ZEIT v. 15.01.1993, „Konjunkturprogramm Asyl“ sowie den Aufruf zur Kundgebung gegen das AsylbLG 1997: „Sorat – ein Beispiel“.

PeWoBe Chef Helmuth Penz wurde durch Bauskandale und durch Partnerschaften mit dem einschlägig vorbestraften Baulöwen Dietrich Garski bekannt, über dessen Bankrott 1981 der Westberliner Senat stürzte. Vgl. zum Garski-Skandal Der Spiegel 51/1984, zur Garski-Penz-Connection Der Spiegel 26/1997 und zum Penz-Skandal Der Spiegel 40/1998.

Das LAGeSo Berlin schließt für das Land Berlin Verträge mit gemeinnützigen und mit privaten Heimbetreibern zur Unterbringung Asylsuchender ab. Dieser erhalten laut Senatsverwaltung für Soziales vom LAGeSo für die Unterkunft (ohne Verpflegung) Tagessätze zwischen 8 und 35 Euro pro Person und Nacht. Man habe im LAGeSo jedoch keine Mitarbeiter, die die Einhaltung der vertraglich zugesicherten baulichen Standards und das Vorhandensein des vereinbarten Betreuungspersonals systematisch kontrollieren. Vgl. dazu Drs. 17/12406 vom 08.07.2013 Sammelunterkünfte für Flüchtlinge: Personalausstattung, Tagessatz und Mängel. Auch zum Vorgehen gegen den Rauswurf von Multitude sah das LAGeSo sich außerstande, da man auf Betreiber wie die PeWoBe „angewiesen“ sei.

Die Initiative Multitude e.V. hat ihre Ursprünge in der „Initiative Deutschunterricht“, die seit 2001 Deutschkurse in der Asylaufnahmestelle Spandau anbietet. Den Unterricht hat die Initiative seitdem auf weitere Sammelunterkünfte für Flüchtlinge ausgeweitet. Der Unterricht findet meist abends in Kleingruppen statt, ist freiwillig, kostenlos und offen für alle. Parallel wird eine Kinderbetreuung angeboten. Ergänzend dazu schaffen Freizeitaktivitäten mit den Flüchtlingen Raum für Austausch und Verständigung, z.B. Kochen, Picknicks, Kinoabende, Sport…
 Die Initiative unterstützt Geflüchtete auch in Fragen des Asylverfahrens und der Wohnungssuche, durch Behördenbegleitung, Vermittlung in Sportvereine, Fahrradbeschaffung etc…

Der Flüchtlingsrat Berlin e.V. kooperiert eng mit Multitude e.V. bei der Vermittlung, Qualifizierung und fachlichen Beratung der Ehrenamtlichen. Multitude e.V. ist offen für alle Interessierten, die sich dort engagieren möchten.





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