Veröffentlicht am 26.08.2014

Kalte Abschiebung — Senat bricht sein Wort und schickt Oranienplatzflüchtlinge in die Obdachlosigkeit

Presseinformation vom 26. August 2014

Der Wortbruch des Senats beim Umgang mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz und der Gerhart-Hauptmann-Schule erreicht einen neuen Höhepunkt.


Laut Schreiben des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) vom Freitag vergangener Woche an alle BezirksbürgermeisterInnen sollen alle TeilnehmerInnen des „Oranienplatz-Agreements“, deren aufenthaltsrechtliche Prüfung abgeschlossen sei, ihre vom Senat anlässlich der Räumung des Oranienplatzes und der Schule zugewiesenen Unterkünfte bis heute verlassen.

Zugleich sollen die Sozialleistungen des Landes an die Flüchtlinge ganz eingestellt werden. Noch ist unklar, wie viele Menschen betroffen sind, von mindestens 100 ist die Rede. Angeordnet wurde dieses Vorgehen von Sozial- und Gesundheitssenator Mario Czaja.

Die Flüchtlinge selbst wurden zum Großteil erst gestern lediglich mündlich informiert. Ab heute sollen sie mittellos obdachlos ausgesetzt werden. Dieses für alle Beteiligten unerwartete Vorgehen seitens des Senats ist willkürlich, intransparent, menschenverachtend und auch rechtswidrig.

Georg Classen, Sprecher des Flüchtlingsrates  Berlin betont: „Nach dem Polizeirecht (ASOG) darf niemand in die Obdachlosigkeit ausgesetzt werden. Dies gebietet das für Deutsche und Ausländer gleichermaßen zu beachtende, in der Verfassung verankerte Menschenwürdeprinzip nach Art. 1 und Art. 20 des Grundgesetzes.“

Dem Flüchtlingsrat sind keine rechtlich bestandskräftig entschiedenen Ablehnungen in den aufenthaltsrechtlichen Verfahren der betroffenen Flüchtlinge bekannt. Dies steht im eklatanten Gegensatz zu den im „Oranienplatz-Agreement“ zugesagten „umfassenden Einzelfallprüfungen im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten“.

Sämtliche Anträge auf Umverteilung der laufenden Asylverfahren aus anderen Bundesländern nach Berlin wurden ebenso ausnahmslos abgelehnt wie die Anträge der „Lampedusa-Flüchtlinge“ auf humanitäre Aufenthaltstitel.

Nora Brezger betont: „Die zu verzeichnende Ablehnungsquote von 100% verstößt gegen den Geist der mit Senatorin Kolat ausgehandelten Oranienplatz-Vereinbarung, die eine wohlwollende Prüfung von Umverteilung und humanitärer Aufenthaltserteilung beinhaltete. Die Vereinbarung mit dem Senat erweist sich nur wie vom Flüchtlingsrat von Anfang an befürchtet als Muster ohne Wert. Der Senat hat die Flüchtlinge mit einer offenbar gänzlich nutzlosen Vereinbarung betrogen.“

„Das Vorgehen des Senats ruft bei den Flüchtlingen Wut und Verzweiflung hervor“ sagt Nora Brezger vom Flüchtlingsrat, „nachdem sie ihren Teil der Vereinbarung erfüllt haben, nämlich den Abbau der Zelte auf dem Oranienplatz und den Auszug aus der besetzten Schule, bleibt der Senat die gegebenen Zusagen schuldig.“

Gestern protestierten viele betroffene Flüchtlinge erneut auf dem Oranienplatz.

Der Flüchtlingsrat Berlin fordert den Senat auf, die Zusagen gegenüber den Flüchtlingen endlich in die Tat umzusetzen, die Anträge auf Umverteilung nach Berlin und auf humanitäre Aufenthaltserlaubnisse umfassend und wohlwollend zu prüfen, und umgehend auch die grund- und menschenrechtlich zwingend gebotene soziale Versorgung einschließlich Unterbringung und der schon bisher rechtswidrig komplett verweigerten Krankenversorgung sicherzustellen.

Pressekontakt:  Büro Flüchtlingsrat Berlin  030-243445762





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