Veröffentlicht am 11.11.2011

Rücksichtslose Bildungspolitik gegenüber Flüchtlingsjugendlichen

Pressemitteilung vom 11. November 2011
Charlottenburg-Wilmersdorf: „bezirks-fremde“ SchülerInnen müssen Schule verlassen


Neu eingereiste Jugendliche ohne oder mit nur geringen Deutschkenntnissen lernen an der Sekundarschule Wilmersdorf Standort Prinzregentenstraße in fünf sogenannten Willkommensklassen. Je nach Sprachstand können die SchülerInnen in die jeweils höhere Stufe oder in eine Regelklasse wechseln. Die Schule nimmt mit diesem Feinstufenmodell eine Vorreiterrolle ein. Nur wenige Schulen haben ein vergleichbares Angebot, in manchen Bezirken gibt es überhaupt keine besonderen Lernklassen. Doch jetzt haben die Senatsverwaltung und das Schulamt Charlottenburg-Wilmersdorf beschlossen, dass alle Flüchtlingsjugendliche, die in anderen Bezirken gemeldet sind, die Sekundarschule Wilmersdorf verlassen müssen. Noch ist ungeklärt, ob sie in ihrem Wohnbezirk überhaupt einen Schulplatz bekommen.

Der Flüchtlingsrat Berlin protestiert aufs Schärfste gegen diese rücksichtslose Behandlung der SchülerInnen und fordert die Schulbehörden auf, von ihrem Vorhaben Abstand zu nehmen.

„Die Jugendlichen lernen sehr gerne, die Schule ist für sie ein wichtiger Ort um ihre traumatischen Fluchterfahrungen aufzuarbeiten. Aus pädagogischer Sicht ist es untragbar, sie mitten im Schuljahr aus ihrem gewohnten Umfeld herauszureißen. Zudem ist völlig unverständlich, warum die Jugendlichen nur in ihrem Bezirk zur Schule gehen dürfen, eine nachvollziehbare Begründung dafür gibt es nicht. Neu eingereiste Schülerinnen und Schüler der Oberschulen besuchen seit Jahren auch Schulen außerhalb des Wohnbezirks“, sagt Uta Keßler, Mitglied des Flüchtlingsrats Berlin und Leiterin der Arbeitsgruppe „Bildung“ im Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und MigrantInnen.

Bisher fehlt in Berlin ein einheitliches Konzept zur Beschulung von Kindern ohne Deutschkenntnisse, eine hohe pädagogische Qualität des Unterrichts für Neuzugänge ist nicht überall gewährleistet. Einige Bezirke bieten gar keine besonderen Lernklassen, in anderen Bezirken gibt es lange Wartelisten für einen Platz in einer „Willkommensklasse“. Darüber hinaus sind viele der betroffenen SchülerInnen 16 Jahre und älter. Für sie wird es schwer, überhaupt einen neuen Schulplatz zu finden: Viele Schulen verweigern Jugendlichen über 16 die Aufnahme, auch wenn diese die im Schulgesetz vorgesehene 10-jährige Schulpflicht noch nicht erfüllt haben (vgl. § 42 SchulG Berlin).

„Es ist immer die Rede von Integration. Doch in diesem Fall zeigen sich die Schulbehörden als größte Integrationsverweigerer. Bezirke und Senat müssen die besonderen Belange der Flüchtlingskinder endlich ernst nehmen! Wir fordern den neuen Bildungssenator bzw. die neue Bildungssenatorin auf, hier einen Schwerpunkt in der kommenden Legislatur zu legen“, ergänzt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats.

Weitere Informationen zur fehlenden Beschulung von Flüchtlingskindern siehe auch Pressemitteilung des Flüchtlingsrats Berlin vom 4. März 2011





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