Veröffentlicht am 19.02.2016

Versorgung Geflüchteter am LAGeSo weiter katastrophal

Presseinformation des Flüchtlingsrats Berlin vom 19. Februar 2016
Unzumutbare Wartesituation – Schutzsuchende übernachten in Wartezelten


RBB 18.02.2016: Trotz neuer Leitung – Lage am Lageso kaum verbessert
Antwort Abgeordnetenhausanfrage 17/18275 vom 12.02.2015: Senat bestätigt gravierende Rechtsverstöße am LAGeSo

Noch immer warten Asylsuchende in Berlin wochenlang auf Vorsprachetermine in der Leistungsstelle für Asylsuchende am LAGeSo. Am Mittwoch dieser Woche gegen 16 Uhr warteten beispielsweise bereits etwa 80 Geflüchtete auf ihren vereinbarten LAGeSo-Termin am Donnerstag, um Krankenscheine, eine neue Kostenübernahme für die Unterkunft und Geldleistungen für Essen, Kleidung, Hygiene und persönlichen Bedarf (Fahrkosten, Telefon usw.) zu erhalten. Sie standen im Schneeregen ohne Wetterschutz vor leeren Wartezelten, denn die Zelte werden erst um 18 Uhr geöffnet. Geflüchtete berichteten uns, wer erst am Tag der Vorsprache zum Termin komme, werde erfahrungsgemäß von der Security abgewiesen.

„Es ist beschämend, dass Asylsuchende noch immer gezwungen sind, die Nacht vor ihrem LAGeSo-Termin auf dem Fußboden der Wartezelte des LAGeSo zu verbringen, um eine reale Chance auf Vorsprache am vereinbarten Termin am nächsten Tag zu haben“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin.

Flüchtlinge leiden Hunger & werden kriminalisiert – rechtswidrig gekürzte Abschlagszahlungen

Viele Geflüchtete berichten dem Flüchtlingsrat, dass sie bei ihrer Vorsprache in den letzten Tagen nur eine rechtswidrig auf 100 Euro pro Person gekürzte „Abschlagszahlung“ als Existenzsicherung zur Selbstversorgung für einen Zeitraum von 4 – 6 Wochen erhalten hätten. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssten dies 300 bis 450 Euro/Person sein. Andere berichten, dass sie für einen ebenso langen Zeitraum gar nichts erhalten haben. Krankenscheine werden ebenfalls noch immer in vielen Fällen willkürlich verweigert. Mangels Bargeld und BVG-Tickets werden die Geflüchteten beim Wahrnehmen von Terminen usw. kriminalisiert, da sie die BVG ohne Fahrschein nutzen müssen.

Georg Classen, Sprecher des Flüchtlingsrates: „Das Grundrecht auf menschenwürdige Existenzsicherung ist ein Menschenrecht. Die Existenzsicherung muss bei Bedürftigkeit zu jeder Zeit und in jedem Fall sichergestellt werden. Das LAGeSo irrt, wenn es meint, das tägliche Überleben durch weit unter dem Existenzminimum liegende Abschläge sicherstellen zu können. Es geht um die Gewährleistung staatlicher Sozialhilfe als Grund- und Menschenrecht, nicht um privatrechtliche Zahlungsverpflichtungen der freien Wirtschaft.“

Betreutes Einkaufen statt Selbstversorgung

Asylsuchende, die keine oder nur zu geringe Leistungen erhalten, in Unterkünften mit Selbstversorgung leben, würden laut LAGeSo durch die Betreiber der Unterkünfte versorgt, wenn sie am LAGeSo keine Regelsatzleistungen für Essen usw. erhalten hätten, könnten sie sich an Lebensmittelausgaben in den Unterkünften wenden. Sowohl die Geflüchteten als auch viele Unterkünfte wurden vom LAGeSo über diese neue Regelung jedoch gar nicht informiert.

In einigen Unterkünften mit Selbstversorgung bindet neuerdings „betreutes Einkaufen“ die Kapazitäten der SozialarbeiterInnen. Statt Kinder in Kitas und Schulen anzumelden, Arzttermine zu organisieren und Deutschkurse zu vermitteln, werden SozialarbeiterInnen aufgrund des Versagens des LAGeSo mit der Besorgung von Lebensmitteln beschäftigt. Die Abrechnung des „betreuten Einkaufen“ bindet Kapazitäten in Unterkünften und LAGeSo und entmündigt die Geflüchteten. Viele Geflüchtete kennen die Regelung nicht und müssen hungern.

Flüchtlingsratssprecher Classen: „Seit Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes wird kritisiert, dass Sachleistungen die für alle Beteiligten kosten- und verwaltungsaufwändigste Versorgung sind. Den geringsten Verwaltungsaufwand bereitet die Auszahlung der Regelbedarfssätze zur Selbstversorgung in bar. Die Verwaltungskrise des LAGeSo lässt sich durch die Umstellung auf Sachleistungen ganz sicher nicht lösen.“

Fehlende Sozialbetreuung und Mängel in den Unterkünften

Immer öfter wenden sich Geflüchtete, Ehrenamtliche aus Willkommensinitiativen und Mitarbeiter der Unterkünfte an den Flüchtlingsrat, um gravierende Mängel in den Unterkünften zu melden. Menschen müssen über Monate auf Feldbetten ohne Matratze in Turnhallen schlafen. Oft sind die vom Land finanzierten SozialarbeiterInnen und ErzieherInnen nicht anzutreffen und nur Sicherheitspersonal vor Ort.

Situation hat sich nur scheinbar verbessert

Rein optisch stehen in den letzten Wochen weniger Menschen in den Warteschlangen vor dem LAGeSo. Das liegt jedoch allein daran, dass die vom LAGeSo festgesetzten Zeiträume der Leistungsverweigerung immer länger werden. Wer heute rechtswidrig keine Leistungen und keinen Krankenschein erhalten hat, wird nicht mehr am nächsten Tag, sondern frühestens in 4 bis 6 Wochen erneut vorgelassen. Immer mehr Wartezelte bieten für die Menschen einen Wetterschutz, verbergen aber auch die LAGeSo-Katastrophe vor den Augen der Öffentlichkeit.

Forderungen des Flüchtlingsrates

  • Rechtskonforme Sicherung des Existenzminimums beim LAGeSo statt immer neuer Warteschleifen und Scheinlösungen, Auszahlung der Barbeträge zum persönlichen Bedarf und zur Selbstversorgung und Ausgabe der Krankenscheine am Tag der Vorsprache
  • Geldleistungen zu Selbstversorgung statt kosten- und verwaltungsaufwändiger und die Geflüchteten entmündigender Fremdverpflegung
  • Umfassende Information für Geflüchtete über das Recht auf soziale Versorgung und das Abfertigungsprozedere am LAGeSo
  • Regelmäßige unangekündigte Kontrollen der Unterkünfte, Sanktionen und Kündigung der Betreiber, die gegen Vertragspflichten verstoßen
  • Rechtskonforme Annahme der Asylanträge statt aktuell 9 bis 10 monatigem Warten auf Registrierung des Asylantrags beim Asylbundesamt BAMF, sofortige Einleitung der Asylverfahren

Pressekontakt:
Flüchtlingsrat Berlin: Tel. 030-24344 57 62, E-Mail buero@fluechtlingsrat-berlin.de





Nach oben scrollen