Kinderabschiebungen in Hamburg

Hamburg nimmt 14 Jährige der Mutter weg und schickt sie „ins Heim“ nach Ghana – OVG findet das ganz in Ordnung


Die Deutsche Botschaft und das Sozialamt in Ghana werden ein 14jaehriges Kind sicherlich mit allem Nötigen versorgen, ein Kinder das in Deutschland leben will muss aber erstmal in Ghana versuchen ein Visum zu erhalten, auch wenn es schon lange in Hamburg bei seiner Mutter lebt, Gesetz ist Gesetz, und im Zweifel darf man da keine Ausnahme machen, Artikel 6 Grundgesetz ist uns dann egal, und die UN-Kinderrechtskonvention interessiert uns sowieso nicht, so jedenfall urteilen Ausländerbehörde und das OVG Hamburg im vorliegenden Fall.
anbei:
1. PE Terres des Hommes
2. Rechtsstaat durchgeknallt: ein äußerst merkwürdiges Urteil des OVG Hamburg
mfg
Georg Classen Internet: http://www.fluechtlingsrat-berlin.de

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terre des hommes Deutschland e.V. Hilfe für Kinder in Not Bundesgeschäftsstelle Ruppenkampstraße 11 a, 49 084 Osnabrück Postfach 41 26, 49 031 Osnabrück Telefon 05 41/71 01 -0, Telefax 05 41/70 72 33 eMail info@tdh.de Internet http://www.tdh.de
Rückfragen bitte an: Dr.Jochen Menzel Distelweg 30, 22339 Hamburg Telefon:040-5384316 / 040-42841-2558 EMail.: fam.menzel@t-online.de Arbeitsgruppe Hamburg Hamburg, 23. Juli 2003

PRESSEMITTEILUNG

ABSCHIEBUNG AUS DER FAMILIE INS KINDERHEIM IN GHANA? Terre des hommes sieht Grundrechte und UN-Kinderrechtskonvention in Gefahr.
Der Vater seit Jahren verschwunden, die Tante nicht länger bereit, sich um sie zu kümmern: Deswegen brachten Bekannte die damals 11-jährige Barbara O. aus Ghana zu ihrer Mutter nach Hamburg – ohne deren Wissen und ohne Visum.
Heute ist Barbara O. 14 Jahre, geht in die 6. Klasse und ist in Hamburg zuhause. Seit dem 11.3.2002 hat sie eine Duldung. Die Mutter ist mit einem Deutschen verheiratet und hat seit über 3 Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und das alleinige Sorgerecht für Barbara. Die Geschwister von Barbara sind 3 und 7 Jahre alt und haben einen deutschen Pass.
Im Mai diesen Jahres kündigt die Ausländerbehörde Barbara die Abschiebung an. Am 11.Juli schreibt ihr die Ausländerbehörde: „Sie werden hiermit aufgefordert, sich am 28.07.03 um 9.00 Uhr am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel beim BGS Terminal 1 einzufin-den. Sollten Sie nicht am Flughafen erscheinen, weise ich Sie hiermit darauf hin, dass Sie nach § 57 (2) AuslG bis zu Ihrer Rückführung in Haft genommen werden können.“ Auf Nachfrage teilt die Behörde am 21.7. mit, dass Barbara O. im „Osu Children’s Home“ oder bei der Organsiation „Children Helpwork für Ghana“ in Akkra untergebracht werden wird.
Das deutsche Ausländerrecht ist beim Kindernachzug restriktiv, bei illegaler Einreise kon-sequent: Abschiebung. Und dennoch: Es bleibt ein kleiner Rest von Ermessensspielraum für Menschlichkeit. Eine Aufenthaltsbefugnis oder zumindest eine weitere Duldung aus humanitären Gründen ist im Fall Barbara O. keineswegs ausgeschlossen.
Nach Auffassung von terre des hommes ist sie vielmehr zwingend: Eine Abschiebung von Barbara verstieße gegen Art.6 Abs.2 des Grundgesetzes: „Gegen den Willen der Erzie-hungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen“. Dieses Menschenrecht steht auch Ausländern zu und wird in der UN-Kinderrechtskonvention (Art.9), die Deutschland ratifiziert hat, noch ein-mal bekräftigt.
„Was wäre das für ein sozialer Rechtsstaat, der das Kindeswohl und die Familie der gna-denlosen Durchsetzung eines rigiden Ausländerabwehrrechts opfert,“ fasst Jochen Menzel, Mitarbeiter der Hamburger Arbeitsgruppen und ehemaliger Bundesvorsitzender von terre des hommes, zusammen. Mit Empörung und Sorge sieht terre des hommes die in letzter Zeit bekannt gewordenen Fälle der Trennung minderjähriger Kinder von ihren sorgebe-rechtigten Eltern und ihre Abschiebung in ein afrikanisches Heim, von dem die Ausländerbehörde nicht mehr als die Adresse kennt. Auch die Haftandrohung für Kinder ist nicht akzeptabel.
„Das Bestreben der Hamburger Ausländerbehörde, möglichst hohe Abschiebungszahlen vorzuweisen, darf nicht dazu führen, dass Menschlichkeit und Kinderrechte unter die Räder der Flugzeuge nach Afrika kommen“, meint Menzel. Er fordert von der Ausländerbehörde die Rücknahme der Abschiebungsvorbereitungen und die Erteilung einer Aufent-haltsbefugnis aus humanitären Gründen für das Kind Barbara O. und für alle Minderjähri-gen in derselben Situation.

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Oberverwaltungsgericht Hamburg 1 Bs 356/03 22 VG 3045/2003
Beschluss In der Verwaltungsrechtssache
xxxxxxxxxxxx Antragstellerinnen,
xxxxxxxxxxx Prozessbevollmächtigter:
gegen
Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, -Einwohner-Zentralamt-, Rechtsabteilung, Amsinckstraße 34, 20097 Hamburg, Gz.: E 230, Antragsgegnerin,
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, am 29. Juli 2003 beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 25. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000.– Euro festgesetzt.
G r ü n d e : Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verbieten, die Antragstellerinnen nach Ghana abzuschieben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellerinnen eine Duldung zu erteilen, im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe, die das Beschwerdegericht gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen nicht zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Voraussetzungen einer Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG liegen nicht vor. Die Abschiebung der Antragstellerinnen ist rechtlich nicht unmöglich. Die Antragstellerinnen berufen sich ohne Erfolg auf eine aus dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG folgende rechtliche Unmöglichkeit einer Abschiebung. Bei der Gewichtung der nach Art. 6 Abs. 1 GG geschätzten Belange der Ausländerinnen im Hinblick auf die zwangsweise Beendigung einer im Bundesgebiet geführten familiären Lebensgemeinschaft ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob nach den einschlägigen Regelungen des Ausländergesetzes über den Familiennachzug eine Zuwanderung ermöglicht werden soll. Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe der §§ 17 ff. AuslG nicht vor, kann nicht ohne weiteres durch Annahme einer aus Art. 6 Abs. 1 GG hergeleiteten rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung der weitere Aufenthalt oder seine Legalisierung erreicht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl.v.29.3.2001 -13 S 2643/00-, InfAuslR 2001 S.283,285 und v.19.4.2001 -13 S 555/01-, InfAuslR 2001 S.381).
Es ist nach dem derzeitigen Sachstand zumindest zweifelhaft, ob den Antragstellerinnen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 AuslG – was als Anspruchsgrundlage hier allein in Betracht kommt -, zusteht. Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Urteil vom 8. März 2002 (VG 10 A 452.01) in dem von den Antragstellerinnen betriebenen Visumsverfahren entschieden, dass diese keinen Anspruch darauf haben, Aufenthaltserlaubnisse zum Zwecke des Familiennachzuges zu ihrer in Hamburg lebenden Mutter zu erhalten. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden, nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin den Antrag auf Zulassung der Berufung durch Beschluss vom 23. August 2002 (OVG 8 N 81.02) abgelehnt hat. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird sich daher – bei der gebotenen Beachtung dieser rechtskräftigen Entscheidung – nur aus einer inzwischen eingetretenen wesentlichen Veränderung der Verhältnisse herleiten lassen, wobei als maßgeblicher Zeitpunkt der der ablehnenden behördlichen Ermessensentscheidung (24. September 2001) anzusehen sein dürfte (so OVG Berlin a.a.O. S.3).
Selbst wenn insofern ein Anspruch nicht schon an der Rechtskraft der genannten Entscheidung scheitern sollte, würde dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehen zum jetzigen Zeitpunkt die besonderen Versagungsgründe des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entgegen. Die Antragstellerinnen haben vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 3 Abs. 3 AuslG ein Visumsverfahren durchzuführen. Der Ausnahmefall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, in dem die Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erteilt werden kann, liegt bei den Antragstellerinnen nicht vor. Bei ihnen sind weder die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis offensichtlich erfüllt (§ 20 Abs. 3 AuslG beinhaltet eine Ermessensentscheidung) noch sind sie nur wegen des Zwecks oder der Dauer des beabsichtigten Aufenthalts visumspflichtig.
Auch Art. 6 Abs. 1 GG gebietet nicht die Freistellung von der Visumspflicht (BVerwG, Urt.v. 9.12.1997 -1 C 20/97-, InfAuslR 1998 S.276,277; Beschl.v.15.9.1994 -1 B 214/93-, InfAuslR 1995 S.6; VGH Baden-Württemberg, Beschl.v.29.3.2001 -13 S 2643/00- a.a.O. S.283,286). Wollte man nach Einreise ohne das erforderliche Visum auf die zwischenzeitlich in der Bundesrepublik entstandenen familiären Bande zurückgreifen, so würde dies für den Ausländer einen zusätzlichen Anreiz bilden, sich über das Sichtvermerksverfahren hinwegzusetzen und sich hier illegal aufzuhalten (vgl. OVG Hamburg, Beschl.v.11.8.1997 -Bs VI 21/97-). Dies gilt insbesondere für die Antragstellerinnen, die sich mit ihrer illegalen Einreise im November 2002 über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10.März 2002 hinweggesetzt haben.
Allerdings kommt es im Einzelfall in Betracht, dass die dem Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG zugrundeliegenden öffentlichen Belange gegenüber dem verfassungsrechtlich gebotenen Familienschutz zurückzutreten haben mit der Folge, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung besteht. Ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG liegt im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG aber nur dann vor, wenn es dem Ausländer aus besonderen Gründen nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch Ausreise für die Dauer eines Visumsverfahrens zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urt.v.4.6.1997 -1 C 9/95-, InfAuslR 1997 S.355,357; Urt.v.9.12.1997 -1 C 19/96-, InfAuslR 1998 S.213,214; OVG Hamburg, Beschl.v.21.11.2002 -3 Bs 242/02-). Voraussetzung hierfür ist, dass selbst eine vorübergehende Trennung der Familienangehörigen unzumutbar erscheint. Fehlen dahingehende besondere Umstände, ist eine vorübergehende Trennung mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar. Hierbei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles. Die Unzumutbarkeit einer Trennung kann im Verhältnis von Eltern und kleinen Kindern (BVerfG, Kammerbeschluss v.31.8.1999 -2 BvR 1523/99-, NVwZ 2000 S. 59) sowie dann gegeben sein, wenn ein besonderes Angewiesensein aufeinander vorliegt, wie bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder psychischer Not. Hier liegen keine besonderen Umstände des Einzelfalles vor, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Durchsetzung der Ausreisepflicht mit dem Schutz der Familie unvereinbar erscheinen lassen. Die Antragstellerinnen haben seit ihrer Geburt bis zu ihrer Ausreise im November 2002 in Ghana bei der Tante, einer Schwester der Mutter, gelebt und damit den größten Teil ihrer Kindheit bisher dort verbracht. Inwieweit dies nun nicht mehr möglich sein soll, haben sie nicht substantiiert dargelegt. Zwar haben sie ab dem Jahr 2002 ein Internat in Ghana besucht, sich aber auch in diesem Jahr zumindest während der Ferienzeiten nach wie vor bei der Tante aufgehalten. Somit dürften sie dort auch wieder Aufnahme zur Durchführung des Visumsverfahrens finden können. Sollte dies nicht möglich sein, werden Angehörige der deutschen Botschaft sie bei ihrer Ankunft im Heimatland in Empfang nehmen und sich um eine gesicherte Unterkunft entweder bei Verwandten oder über das ghanaische Department of Social Welfare kümmern. Die Dauer des Visumsverfahrens ist auf wenige Monate zu begrenzen. Die Antragsgegnerin trifft die Verfahrenspflicht aus Art. 6 GG, die Entscheidung über die Zustimmung zur Visumserteilung beschleunigt zu treffen. Sollte den Antragstellerinnen danach ein Visum für die Bundesrepublik Deutschland erteilt werden, dürfte ihnen nach einer dann nur vorübergehenden Rückkehr in ihr Heimatland die weitere Integration in die Bundesrepublik ebenso wieder gelingen können, wie sie sie schon einmal nach dem Bericht der Klassenlehrer an die Antragsgegnerin vom 12. Juni 2003 vollzogen haben. Darin wird insbesondere auch das intellektuelle Potential der Antragstellerinnen hervorgehoben, das ihnen ein Eingewöhnen in neue Situationen erleichtert.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
xxxxxxxxx Richter am OVG xxxxxxxxxx Richter am OVG xxxxxxxxxxx Richter am OVG





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