Veröffentlicht am 17.11.2006

Fauler Kompromiss der Innenministerkonferenz

Perspektive für betroffene Flüchtlinge in Berlin weiter unsicher


Mit dem auf der Innenministerkonferenz in Nürnberg gefassten Beschluss (download hier) zur Frage des Bleiberechts sollte offenbar allen beteiligten Seiten die Möglichkeit gegeben werden, ihr Gesicht zu wahren. Dieser Kompromiss geht zu Lasten der betroffenen Flüchtlinge.

Mit dem vorgesehenen Zwei-Stufen-Modell zu einem Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge wird ihr unsicherer Status weiter aufrechterhalten. In einer ersten Stufe, sollen die Flüchtlinge, die bereits einen „dauerhaften“ Arbeitsplatz haben, sofort ein Bleiberecht erhalten. In Berlin kann kaum ein Flüchtling diese Anforderung erfüllen, weil die Arbeitsmarktlage bisher zu einem faktischen Arbeitsverbot für so gut wie alle geduldeten und asylsuchenden Flüchtlinge geführt hat.

Mit der Beibehaltung der Duldung wird es den in Berlin lebenden Flüchtlingen trotz langjährigen Aufenthalts und erfolgter sozialer Integration unnötig erschwert, ein Bleiberecht zu erlangen. Mit einer bis zum 30.09.07 befristeten Duldung – wie es die zweite Stufe des Kompromisses der Innenminister vorsieht – wird es wegen des unsicheren Aufenthaltsstatus und der fehlenden Arbeitserlaubnis den Betroffenen unnötig erschwert, eine Arbeit zu finden. Hinzu kommt das Problem der Residenzpflicht. Geduldete Ausländer dürfen nicht an Orten außerhalb Berlins nach Arbeit suchen, ohne dafür in jedem Einzelfall zunächst eine besondere Reiseerlaubnis zu beantragen. Erst wenn ein geduldeter Ausländer ein für den Lebensunterhalt ausreichendes Arbeitsangebot vorlegt, soll ihm die Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitserlaubnis erteilt werden.

Reale Chancen auf einen Arbeitsplatz haben die Geduldeten nur dann, wenn die „Beschäftigungsverfahrensverordnung“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geändert wird. Künftig muss auf jede Form der Einzelfallprüfung bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis verzichtet werden. Neben der Vorrangprüfung, die für die vom IMK-Beschluss Betroffenen entfallen sollte, muss auch auf das Wochen dauernde, eine Arbeitsaufnahme verhindernde Prüfverfahren zur Entlohnung und zu den Arbeitsbedingungen verzichtet werden. Im Wege des „One-Stop-Governements“ muss die Ausländerbehörde auch ohne konkretes Arbeitsangebot und ohne Beteiligung der Arbeitsagentur den Geduldeten bereits für die Arbeitssuche eine Arbeitserlaubnis für Tätigkeiten jeder Art erteilen.

Wir fordern Herrn Müntefering auf, die erforderliche Änderung der Beschäftigungsverfahrensverordnung kurzfristig vorzunehmen. Rechtlich ist ihm dies auch ohne Beteiligung des Bundestages oder Bundesrates möglich.

Sozialstaatlich mehr als bedenklich ist die Regelung der IMK für kranke, behinderte und alte Menschen. Diese sollen Krankenversicherung, Pflege und Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe sicherstellen. Diese Bedingung ist schon deshalb unerfüllbar, weil keine Krankenversicherung die Betroffenen aufzunehmen bereit ist.

Ausgeschlossen werden zudem junge Erwachsene in einer schulischen oder Hochschulausbildung, da das Bleiberecht nur für „anerkannte Lehrberufe“ gelten soll. Die Geduldete müssen für das Bleiberecht zwar deutsch lernen, zuviel Begabung ist bei den Innenministern offenbar unerwünscht? Bleiberecht nur bei Ausbildungsabbruch?

Der Flüchtlingsrat Berlin hält es wegen der genannten Mängel für dringend erforderlich, die im Kompromiss der Innenminister erwähnte gesetzliche Regelung für ein Bleiberecht voranzubringen.

Im Gesetzgebungsverfahren darf es allerdings nicht im Gegenzug zu weiteren Verschärfungen des Aufenthaltsrechts kommen. Die in diesem Zusammenhang geplante Einschränkung des Ehegattennachzugs sowie die zahlreichen weiteren vom Bundesinnenministerium geplanten Verschärfungen des Ausländerrechts lehnen wir ab. Stattdessen müssen die bisherigen gesetzlichen Vorgaben für Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gelockert werden, um auch auf diesem Weg eine aufenthaltsrechtliche Perspektive für die betroffenen Flüchtlinge zu eröffnen.

Der Flüchtlingsrat fordert den Berliner Senat auf, bei der Umsetzung des Bleiberechtsbeschlusses der IMK alle rechtlichen Spielräume zugunsten der betroffenen Flüchtlinge zu nutzen, die Arbeitsuche und Arbeitsaufnahme geduldeter und asylsuchender Flüchtlinge nach Kräften zu unterstützen, und sich weiter für eine großzügige Bleiberechtsregelung auf gesetzlicher Grundlage einzusetzen.

Flüchtlingsrat Berlin
17. November 2006

Der IMK-Beschluss mit Erläuterungen
aktuelle Infos zum Bleiberecht





Nach oben scrollen