Veröffentlicht am 21.09.2007

Landgericht bestätigt, dass Abschiebehaft eines älteren Ehepaares in den Kosovo rechtswidrig war

Flüchtlingsrat fordert humanitäre Lösung zur Wiedereinreise – Presseerklärung vom 21.09.07


Das Landgericht Berlin hat am 30.08.07 einen Beschluss zur Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft eines älteren Ehepaares in den Kosovo angenommen. Es stellte fest, dass die Beschlüsse des Amtsgerichtes Schönebergs (auf der Grundlage der Haftanträge der Ausländerbehörde) zu ihrer Inhaftierung rechtswidrig waren. Somit saßen zwei ältere und kranke Menschen zwei Wochen zu Unrecht in Haft.

Das Ehepaar R., Angehörige der Minderheit der Ashkali, wurde am 25.04.06 unter skandalösen Umständen in den Kosovo abgeschoben.
Der Flüchtlingsrat hatte aus diesem Anlass in einer Presseerklärung vom 13.04.06 das Vorgehen der Berliner Ausländerbehörde als besonders menschenverachtend bezeichnet.
Diese mussten nach einem ersten Abschiebungsversuch durch die Intervention des Amtsarztes wegen der vorliegenden gesundheitlichen Probleme am 12.04.06 aus dem Polizeigewahrsam entlassen werden. Zuvor war durch ein privatärztliches Attest Haft- und Reiseunfähigkeit festgestellt worden, deren polizeiärztliche Überprüfung kurzfristig nicht möglich war. Frau Emine R. (65) und Herr Salih R. (59) sprachen am nächsten Tag bei der Ausländerbehörde freiwillig vor und wurden erneut inhaftiert. Mit ihrer Vorsprache hatten sie deutlich gemacht, dass sie sich nicht weiteren ausländerrechtlichen Maßnahmen entziehen wollten. Es lag also kein Haftgrund vor, eine Haftunfähigkeit war nicht auszuschließen.

Die Ausländerbehörde tat dann alles, um einen weiteren Abschiebungsversuch erfolgreich zu beenden. Nachdem die Betroffenen über ihren Anwalt am 23.04.06 beim Verwaltungsgericht Eilanträge mit dem Ziel, der Behörde die Abschiebung zu untersagen, eingereicht hatten, sicherte die Behörde dem Gericht zu, dass keine Abschiebung, vor Entscheidung des Gerichts erfolgen werde. Dennoch legten zwei Mitarbeiter der Behörde den in Haft befindlichen Betroffenen unter Umgehung des Anwalts und unter Missachtung der dem Verwaltungsgericht gegebenen Zusicherung am 24.04.06 Bescheinigungen zur Unterschrift vor, in denen sie auf alle anhängigen Rechtsmittel verzichteten. In ihrer durch die zweiwöchige – rechtswidrige – Abschiebehaft äußerst belasteten psychischen Situation unterschrieben die beiden die Erklärungen, ohne dass ihnen erklärt worden wäre oder sie Kenntnis davon hatten, was sie unterschreiben sollten. Damit war der Weg zu ihrer Abschiebung frei, die von der Ausländerbehörde mit der Buchung eines Fluges von Karlsruhe nach Pristina zusätzlich forciert wurde. Aus Sicht des Flüchtlingsrates ist das Vorgehen der Mitarbeiter der Ausländerbehörde als Nötigung zu bezeichnen. Die Behörde nahm dann mit der langen Fahrt zum Abflugort eine zusätzliche gesundheitliche Belastung des Ehepaares R. in Kauf. Der Flüchtlingsrat hatte sich gegenüber der Senatsverwaltung in einem entsprechenden Schreiben vergeblich um die Entlassung des Ehepaares aus der Abschiebehaft bemüht.

Deren gesundheitliche Situation und ihre fortbestehende Behandlungsbedürftigkeit wurde von der Ausländerbehörde und der Senatsverwaltung für Inneres, die die politische Verantwortung trug, vollkommen ignoriert. Es kam für die Behörde nur darauf an, dass Frau und Herr R. die Abschiebung gesundheitlich überstehen. Dabei wurde die schwierige medizinische Versorgungslage im Kosovo vollständig ausgeblendet.

Außerdem stellen sich die sozialen Lebensbedingungen für Angehörige ethnischer Minderheiten im Kosovo als besonders schwierig dar. Nicht umsonst hatte die UNMIK (UN-Verwaltung) ein besonderes Prüfverfahren für die Rückkehr oder Abschiebung von Minderheiten in den Kosovo vorgesehen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Kosovo haben PRO ASYL und amnesty international eine Unterschriften-Kampagne gestartet „Abflug in die Unsicherheit: Ethnischen Minderheiten aus dem Kosovo droht die Abschiebung“. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz Innensenator Dr. Ehrhart Körting wird aufgefordert, keine Abschiebungen von Angehörigen von Minderheiten und von traumatisierten Flüchtlingen vorzunehmen. Das Beispielt der bereits abgeschobenen Familie R. zeigt, wie dringend die Umsetzung dieser Forderung ist, um weiteren Flüchtlingen ein ähnliches Schicksal zu ersparen.

Aktuell lebt das Ehepaar allein in einer angemieteten Unterkunft im Kosovo, und völlig isoliert von allen sechs Kindern und 20 Enkeln, von denen niemand mehr im Kosovo lebt. Nur dank der Hilfe der in Deutschland lebenden Kinder können sie die notwendigsten Medikamente erwerben, ohne jedoch ihre Krankheiten im Kosovo angemessen behandeln lassen zu können.

Mit dem Beschluss des Landgerichts zur Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung durch die Ausländerbehörde ist Ihnen ein Stück Gerechtigkeit wiederfahren.
Es wäre jetzt nur angemessen und konsequent, wenn ihnen auch die Wiedereinreise zu ihren Kindern ermöglicht würde. Dafür hat die Senatsverwaltung, hat der Innensenator durchaus eine Handlungsgrundlage. Der Flüchtlingsrat Berlin erwartet, dass die politisch Verantwortlichen nun erstmals zugunsten der Betroffenen entscheiden und eine humanitäre Lösung treffen. Dabei haben sie die Unterstützung des Flüchtlingsrates und der Familienangehörigen, die durchaus bereit sind, einen Beitrag zur Absicherung des Aufenthalts ihrer Eltern oder Verwandten zu leisten.

Mit der Rückkehr des Ehepaares nach Berlin würde deutlich werden, das die Flüchtlingspolitik des Rot-Roten Senates durchaus von humanitären Grundsätzen geprägt sein kann.

Flüchtlingsrat Berlin Berlin, 21.09.2007





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