Veröffentlicht am 25.01.2008

Presseerklärung zur Bilanz der Härtefallkommission 2007

Jesuiten-Flüchtlingsdienst und Flüchtlingsrat Berlin: Humanitäre Maßstäbe konsequenter anwenden


Dem Flüchtlingsrat Berlin und dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst liegt die aktuelle Umsetzungsstatistik 2007 der Härtefallkommission der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vor.
Demnach wurden im letzten Jahr in der Härtefallkommission 418 Anträge beraten (Personen). Für 291 Antragssteller/innen wurde ein Ersuchen von der Härtefallkommission gestellt. Dem folgte der Innensenator Dr. Ehrhart Körting in 193 Fällen (60%) und lehnte 98 Ersuchen ab.
Im Vergleich zu den Vorjahren wurden auffällig weniger Anträge beraten bzw. Ersuchen gestellt (2005: 1.009 Ersuchen gestellt, 2006: 820). Die Umsetzungsquote des Innensenators ist in etwa gleich geblieben.

Die niedrigeren Fallzahlen lassen sich mit einer Entlastung der Härtefallkommission durch die Bleiberechts- bzw. Altfallregelung für geduldete und asylsuchende Flüchtlinge erklären, was grundsätzlich zu begrüßen ist.
Andererseits haben viele geduldete Flüchtlinge in Berlin (7.762 zum 30.09.2007) schon allein deswegen keine Chance auf ein Bleiberecht nach der aktuell gültigen gesetzlichen Altfallregelung, weil sie nicht den geforderten Einreisestichtag erfüllen. Im Rahmen der bereits ausgelaufenen Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz vom November wurden auch nur 3.083 Anträge gestellt. Daher bleibt die Härtefallkommission für viele Flüchtlinge, die letzte Chance, ein Aufenthaltsrecht zu erhalten.

Bei der Entscheidung über Ersuchen der Härtefallkommission sollten die bestehenden Spielräume großzügiger im Interesse einer humanitären Lösung ausgenutzt werden.
Dazu gehört, der Wahrung der Familieneinheit unbedingten Vorrang einzuräumen. Leider wurden durch Entscheidungen des Innensenators Trennungen von Familienangehörigen sanktioniert, wenn einem Familienmitglied ausländerrechtliche Verstöße zu Last gelegt wurden.
Bei der Bewertung dieser Verstöße und bei ggf. vorhandenen strafrechtlichen Verurteilungen sollte die Verhältnismäßigkeit der Entscheidungen gewahrt bleiben. Das heißt z.B., dass hier geborene oder aufgewachsene Kinder – ungeachtet vorhandener möglicher strafrechtlicher Sanktionen (die auch bei ausländerrechtlichen Verfehlungen ausgesprochen werden können) – nicht in ein ihnen unbekanntes Land abgeschoben werden sollten.

Alte, Kranke oder Behinderte, die nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst oder durch Dritte zu finanzieren und auf eine humanitäre Entscheidung angewiesen sind, haben nach wie vor leider oftmals keine Chance. Dennoch bietet die Härtefallregelung die Möglichkeit, abweichend von den gesetzlichen Voraussetzungen ein Bleiberecht zu gewähren. Diese Möglichkeiten müssten besser ausgeschöpft werden könnten.
Auch die mögliche Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis darf durch weitere Auflagen nicht wesentlich erschwert werden. So wurde in mehreren Fällen beim geforderten Nachweis des Lebensunterhaltes nicht nur der übliche „Hartz IV-Regelsatz“ zugrunde gelegt, sondern zusätzlich ein Freibetrag aufgeschlagen, der normalerweise den möglichen zusätzlichen Verdienst zum ALG II regelt (§ 11 und § 30 SGB II). Im Fall der betroffenen Flüchtlingen erschwert dieses Vorgehen die Verlängerung der aus humanitären Gründen erteilte Aufenthaltserlaubnis. Konkret kann das bedeuten, das die Betroffenen ca. 200,00 EURO mehr an Einkommen nachweisen müssen. Bisher sah eine entsprechende Anfang letzten Jahres geänderte Weisung der Ausländerbehörde dies nur im Fall des Familiennachzuges oder bei der Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis vor. Mit dieser Auflagenpraxis wird die im Bundesvergleich bisher noch besonders wirksame Arbeit der Berliner Härtefallkommission konterkariert.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst und der Flüchtlingsrat Berlin setzen sich mit Nachdruck dafür ein, dass die zum 31.12.2009 auslaufende Härtefallregelung verlängert wird und fordern den Innensenator dazu auf, entsprechend initiativ zu werden. Allerdings müssen die Zugangsmöglichkeiten der Betroffenen zur Kommission verbessert werden. Beide Organisationen unterstützen die (ehrenamtliche) Härtefallberatung der Mitglieder, die einen großen Teil der Antragssteller/innen im Vorjahr beraten hat. Sinnvoll wäre die Einrichtung einer unabhängigen Beratungsstelle, die als Clearingstelle fungieren und die möglichen Ersuchen der Mitglieder der Härtefallkommission vorbereiten könnte. Dadurch würde deren Arbeit entlastet und gleichzeitig die Beratung effektiver gewährleistet. Diese kann nicht nur auf ehrenamtlicher Basis geführt werden, eine finanzielle Unterstützung durch den Senat ist unverzichtbar.

Umsetzungsstatistik der Härtefallkommission 2007 (pro Kopf-Zahlen)
Umsetzungsstatistik der Härtefallkommission 2007 (Fallzahlen)

Für Auskünfte stehen zur Verfügung:

Flüchtlingsrat Berlin
Georgenkirchstrasse 69/70, 10249 Berlin
Jens-Uwe Thomas; Tel.: 030/ 24344-5762

Jesuiten-Flüchtlingsdienst
Witzlebenstrasse 30a, 14507 Berlin
Martin Stark; Tel.: 030/ 3260-2590





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