06.06.2019: Neues aus dem Bundestag: Hau ab, Hau Ruck – „Migrationspaket“, ruck zuck!

Newsletter von Thomas Hohlfeld, Linksfraktion im Bundestag, vom 6.6.2019


Liebe Interessierte.

Jetzt drehen sie völlig durch!

„Migrationspaket“. Das klingt natürlich toll, nach Tatkraft. Jetzt wird geliefert usw.

Aber dass dieses Paket sieben Gesetze enthält, die alle noch im Bundestag debattiert und verabschiedet werden müssen, und dass nicht einmal die „Große Koalition“ über so viele Aufsetzungsplätze für die Tagesordnung des Bundestages verfügt, ist den koalitionären Paketboten wohl erst spät aufgefallen.

Die Lösung?

Nun, zuerst wollten CDU/CSU und SPD zwei der sieben Gesetze einfach „ohne Debatte“ verabschieden. Ja, ohne Debatte, es ist doch schließlich schon genug geredet worden… Das ging nun leider nicht, weil die Opposition widersprach.

Und deshalb will man jetzt die beiden Gesetze – das 2. Datenaustauschverbesserungsgesetz und das Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes – einfach zum 2. Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht („Hau ab II“) mit dazu packen und alle drei Gesetze auf einmal debattieren und beschließen!

In nur einer Stunde Debattenzeit.

Schon der Anhörungsmarathon vom Montag sollte dafür sorgen, dass über die einzelnen Aspekte, Probleme und Grundrechtseinschränkungen der zahlreichen Gesetzesänderungen nicht mehr sinnvoll gesprochen werden kann. Und denselben Zweck erfüllt nun auch die gedrängte Debatte zu drei unterschiedlichen Gesetzen.
Die eine Stunde Debattenzeit war schon für das „Hau ab“-Gesetz alleine zu knapp bemessen – so viele Schweinereien und ganz unterschiedliche Regelungen enthält es. Was lässt sich in nur 6 Minuten Redezeit für eine Oppositionsfraktion sagen!?

Es geht bei den beiden neu hinzugelegten Gesetzen auch nicht etwa um „Lappalien“!

Mit dem 2. Datenaustauschverbesserungsgesetz erhalten zahlreiche Behörden einen automatisierten und nahezu unbeschränkten Zugang zum Ausländerzentralregister, und damit auf höchst sensible Informationen, ohne wirksame Kontroll- oder Schutzmechanismen – es droht somit nicht weniger als der „gläserne Ausländer“. In der Sachverständigen-Anhörung zu diesem Gesetz am 13. Mai gab es geballte Kritik unter anderem des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber (SPD: „schwerste Bedenken“), das Gesetz sei nicht einmal ansatzweise mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofs und der EU-Datenschutzgrundverordnung vereinbar, erklärte der Datenschützer Thilo Weichert. Und nicht einmal der geladene Vertreter einer Ausländerbehörde konnte den Neuerungen etwas grundlegend Positives abgewinnen…

Beim Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes verhält es sich ähnlich: Wer die Sachverständigen-Anhörung vom Montag verfolgt hat (aber da waren die Koalitionsparteien gerade mit was anderem beschäftigt) weiß: Die Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge, die nun ohne vorherige Evaluation unbefristet verlängert werden sollen, sind integrationshemmend und damit offenkundig rechtswidrig, denn die Einschränkung der Freizügigkeit anerkannter Flüchtlingen ist nach internationalem und EU-Recht nur ganz ausnahmsweise zulässig, nämlich wenn sie der Integration der Betroffenen dienen. Dies wird von der Bundesregierung zwar behauptet, aber internationale Studien und die von Herrn Prof. Dr. Brücker am Montag vorgetragenen ersten empirischen Daten hierzu und die von den Verbänden geschilderten integrationshindernden Auswirkungen der Auflagen in der Praxis (etwa hinsichtlich der Arbeits- und Wohnungssuche) belegen das Gegenteil.

Sagte ich sieben Gesetze, nicht acht? Ja, die Koalition hatte „übersehen“, dass es zu den geplanten Änderungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz noch keine Sachverständigen-Anhörung gegeben hat – die die Oppositionsfraktionen auf Antrag der LINKEN aber gestern im Innenausschuss beschlossen haben. Nun, Sachverständigen-Anhörungen sind für die Koalition ohnehin nur eine lästige Pflicht, derer sie sich am Montag, den 25. Juni in der bekannten Weise entledigen wird…

Zur Pflichtübung gehörte auch die gestrige Beratung der Gesetze im Innenausschuss:

3 Minuten Redebeitrag für jede Fraktion zu jedem Gesetz war die Vorgabe – ansonsten hätte es eine Sondersitzung des Innenausschusses am gestrigen Tag gegeben, um alle Gesetze für die Abstimmung am Freitag zeitgerecht einpacken zu können…

Zur Beratung im Innenausschuss nur so viel: Der zuständige Staatssekretär des Innen behauptete allen Ernstes, das Hau ab-Gesetz sehe nur Kürzungen und keine Leistungseinstellungen vor. Er verwahrte sich mit Nachdruck gegen die Wortwahl, „wir würden Personen aushungern“, damit würden „Grenzen überschritten“.
Merke: Nicht die Aushungerung von Menschen ist demnach der Skandal, sondern dass dies so klar benannt wird!

Befragt danach, warum der Gesetzentwurf zur geplanten Leistungseinstellung keinerlei Auseinandersetzung mit der dem entgegen stehenden klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthalte, antworte der Staatssekretär, das Urteil sei ja schon im Jahr 2012 ergangen und damit noch vor der „Asylkrise“ 2015… Sprich: die Haltbarkeit des Grundsatzurteils des BVerfG ist in den Augen der Bundesregierung schon abgelaufen, jedenfalls nicht mehr der Beachtung wert, und in dieser Art hatte das auch schon Ex-Bundesinnenminister de Maizère im Bundestag vor Jahren unverhohlen erklärt!
Außerdem gehe es, so der Staatssekretär, jetzt um eine ganz andere Personengruppe als damals – dass das Bundesverfassungsgericht ein Menschen(!)recht auf Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums statuierte, das die Menschwürdegarantie nicht auf bestimmte „Personengruppen“ reduziert, war ihm nicht präsent.

Menschenwürde? Pah, das ist was für hochtrabende Feiertagsreden zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes, aber nichts für den Umgang mit Flüchtlingen!

Zur Kritik an der mit dem Änderungsantrag der Koalition geplanten, nur vermeintlich unabhängigen Asylverfahrensberatung durch das BAMF (oder die Wohlfahrtsverbände – aber auf deren Kosten…), hieß es, das BAMF sei doch eine „vollkommen unabhängige Institution“!

Und die Neuregelung zur Nicht-Berücksichtigung von Stellungnahmen psychologischer PsychotherapeutInnen bei der Feststellung von Abschiebungshindernissen sei ja gar nichts Neues, das gelte ja schon seit längerem (was allenfalls halbwahr ist, aber nichts besser macht).

Nun denn, morgen folgt also der vorerst letzte Akt des Dramas im Bundestag (jetzige, vorläufige Planung):

Zum unverschämten unparlamentarischen Verfahren wird es ab 9 Uhr zunächst eine Geschäftsordnungsdebatte geben.

Ab 9:30 Uhr dann die Debatte zum Hau ab II-Gesetz, zum Datenaustauschverbesserungsgesetz und zum GE zur Entfristung des IntG. Das „Hau ab“-Gesetz wird namentlich abgestimmt werden – Wetten auf das Abstimmungsverhalten der SPD-Abgeordneten werden noch angenommen.

Ab ca. 12 Uhr folgt die Debatte zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz (namentliche Abstimmung), zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung und zu zahlreichen Alternativvorschlägen und Initiativen der Oppositionsfraktionen.

Ab ca. 14:40 Uhr folgt die Debatte zum AsylbLG (namentliche Abstimmung) und zum AusländerbeschäftigungsförderungsG.

Der Zeitplan könnte sich allerdings noch deutlich verschieben.

Beste Grüße
Thomas Hohlfeld

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Dr. Thomas Hohlfeld
Referent für Migration und Integration

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