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Kirchenasyl in Brandenburg

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Das erste Mal wird in Brandenburg versucht, einem Kirchenasyl gewaltsam ein Ende zu setzen.
Presseerklärung vom 9. Januar 2003


Die Flüchtlingsräte der Länder Brandenburg und Berlin verurteilen den Polizeieinsatz im Pfarrhaus und in den Privaträumen des Pfarrers in Schwante auf das Schärfste! Wir erklären unsere Solidarität mit der Kirchengemeinde Schwante und drücken unsere Achtung aus, dass die Gemeinde an ihrem Beschluss festhält, weiterhin Kirchenasyl für Herrn Ha und seinen Sohn zu gewähren!

In Brandenburg geschah es zum ersten Mal, dass ein Kirchenasyl gewaltsam beendet werden sollte; bislang waren kirchliche Räume für die Polizei tabu, aber der Oranienburger Landrat Karl-Heinz Schröter will offensichtlich besondere Härte zeigen. Das ganze ist skandalös, auch weil das Land gerade wieder durch fremdenfeindliche Übergriffe von sich reden macht.

Die Brechung des Kirchenasyls in Schwante ist auch Ausdruck fortgesetzter Versuche der Behörden, das Engagement der im Bündnis „Asyl in der Kirche“ zusammengeschlossenen Pfarrerinnen und Pfarrer zu kriminalisieren. Hierbei sei an das Vorgehen der Berliner Innenverwaltung Mitte der 90er Jahre erinnert (damals noch unter Innensenator Schönbohm!),“strafrechtliche Ermittlungen“ gegen die Pfarrer und Gemeindemitglieder einzuleiten, die Kirchenasyl in einer Gemeinde in Treptow gewährten.

Nach langen Jahren der Eingewöhnung und Integration sollen der Vietnamese Xuan Khan Ha und sein fünfjähriger Sohn endgültig in ihre Heimat abgeschoben werden. Aufgrund seines anhaltenden exilpolitischen Engagements – Herr Ha ist Mitglied in zwei oppositionellen Gruppen – ist es aber nach wie vor nicht ausgeschlossen, dass ihm in Vietnam Gefahren für Leib und Leben drohen. Es ist davon auszugehen, dass regimekritische Aktivitäten im Ausland von Mitarbeitern der vietnamesischen Botschaften überwacht werden.

Die seit mehreren Monaten andauernden Versuche der Abschiebung von Herrn Ha – skandalöserweise auch ohne seinen Sohn – sind daher unzumutbar und unseres Erachtens menschenrechtlich nicht vertretbar. Das Kirchenasyl war hier demnach die letzte Chance, für einen Appell an die Verantwortlichen, diesen formalrechtlichen Akt ohne Rücksicht auf die ihm innewohnende humanitäre Härte noch einmal zu überdenken.

Wir fordern das Landratsamt auf, zivilgesellschaftliches Engagement für die Rechte und zum Schutz der Flüchtlinge zu fördern und zu unterstützen anstatt es zu unterdrücken, denn hier entsteht der Eindruck, dass es offensichtlich unerwünscht ist.

An diesem Fall wird wieder einmal deutlich, dass Bleiberechts- und Härtefallregelungen insbesondere für langjährig hier lebende Flüchtlinge ohne gesichertes Aufenthaltsrecht dringend erforderlich sind!

gez. Vera Everhartz für den FR Brandenburg
gez. Jens-Uwe Thomas für den FR Berlin





Die Roma-Protestkarawane für ein Bleiberecht in Düsseldorf

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Der Kampf für Bleiberecht geht weiter


Diese Infoseiten wurden vom Flüchtlingsrat Berlin erstellt.
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zuletzt aktualisiert: 20.12.2002

Aktuelles vom Roma-Protestcamp Düsseldorf

Das Protestcamp

Am 20.06.02 ist die Protestkarawane der jugoslawischen Roma-Flüchtlinge in Düsseldorf angekommen. Die Roma sind bereits seit Ende April 2002 unterwegs und hatten zuvor in Essen, Gelsenkirchen, Hamburg, Bremerhaven, Berlin, Hannover, Münster und Köln demonstriert. Genau sechs Monate lang haben sie in einem Protestcamp an verschiedenen Orten in Düsseldorf – u.a. auf den Rheinwiesen – gelebt und zahlreiche Protestaktionen und Demontrationen durchgeführt.

Bilder und Berichte vom Protestcamp, aktuelle Infos zu Aktionen gegen Abschiebungen von Roma

Beendigung des Düsseldorfer Roma-Camps – Kampf für Bleiberecht geht weiter

20.12.2002

Zur Beendigung des Düsseldorfer Roma-Camps und zu weiteren Aktionen erklärt Erika Bosch für den Kreis der Unterstützerinnen und Unterstützer:

Mit dem Ende des Camps ist keinesfalls ein Ende unserer Unterstützung der Roma verbunden. Wir werden weiterhin für ein Bleiberecht kämpfen und mit den Roma gemeinsam neue Aktionsformen entwickeln.

Aktuell erinnern wir daran, dass PolitikerInnen der GRÜNEN versprochen hatten, NOCH IM DEZEMBER nach Jugoslawien zu reisen, die dortige Situation mit dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes abzugleichen und sich für eine entsprechende Anpassung des Berichts – auf dessen Grundlage Abschiebungen durchaus ausgesetzt werden könnten – einzusetzen. Wir werden genauestens beobachten, ob diese Versprechungen eingehalten werden.

Für das Frühjahr war zudem seitens der GRÜNEN verbindlich und seitens der SPD vage die Unterstützung einer Konferenz zur Lage der Roma ausgesprochen worden. Diese Konferenz soll in Düsseldorf stattfinden, und wir werden mit unserem Teil der Vorbereitungen beginnen.

Wir sind froh darüber, dass durch die Initiativen von politischen und humanitären UnterstützerInnen des Kampfs um das Bleiberecht eine Lösung gefunden wurde, die es den seit über acht Monaten demonstrierenden Roma ermöglicht, neue Kraft zu schöpfen, sich zu erholen und weitere Aktionen zu planen.

Mit freundlichen Grüßen
Erika Bosch für: „Menschen für den Frieden“
Tel.: 0211-234908, Fax: 0211-2304661
www.antikriegsbuendnis-duesseldorf.de

Presseberichterstattung

Das Presseecho in Düsseldorf war zunächst eher dürftig. Vor allem über die politischen Forderungen der Roma (s.u.) wurde kaum berichtet. Problematisch ist zudem die Rolle der evangelischen Landeskirche, deren – auch in der Härtefallkomission NRW sitzender – Ausländerbeauftragter Gutheil den Roma erklärt haben soll, ihre Proteste seien sinnlos und eine Rückkehr nach Jugoslawien einschließlich Kosovo problemlos möglich und zumutbar.

Seit Anfang Juli machten Stadt und zunächts auch die örtliche Presse massiv Druck, dass die Roma verschwinden sollten. Die Rheinische Post heizte in unverantwortlicher Weise die Stimmung weiter an und fordert, dass die Roma verschwinden sollen. Sie berichtet weder über die Probleme und Forderungen der Roma, noch dass sie unstrittig den Standort Staufenplatz räumen wollten, da auf diesem Platz ein Zirkus seine Zelte aufbaut, und fordert am 11.07.: „Roma müssen bis Montag weg„, und zwar weg nicht nur vom Staufenplatz, weg auch aus Düsseldorf, und weg aus Deutschland… Vgl dazu die Stellungnahme des AK Asyl NRW vom 11.07.02 (pdf) und einen nicht abgedruckten Leserbrief dazu. Nachdem alle Informationen darauf hindeuteten, dass die Stadtverwaltung (OB Joachim Erwin gegenüber der Pesse: „Wir haben die nicht gerufen!“) am 12.07. den Platz geräumt hätte, meldeten die Roma das Protestcamp als „Dauerdemonstration“ bei der Polizei an.

Die Roma haben dann am 15.07. einen Platz in Düsseldorf-Flingern bezogen, vgl. dazu die Presseerklärung der Roma vom 13.07.02. Für die Rheinische Post schien die Zeit gekommen, nach dem rechten Pöbel zu rufen: „Der Rhein kann diesmal nicht helfen…“. Der meldete sich prompt mit anonymen Flugblättern zu Wort. Vgl. dazu einen weiteren nicht abgedruckten Leserbrief an die Rheinische Post. Wenn Düsseldorfs Lokalchef der Rheinischen Post am 26.7. erklärte „zu verstehen sind die Leute…“ dann meinte er nicht die Roma. Er redete vom rechten Mob, denn er sich angesichts von „Hilflosigkeit bei den Behörden“ herbeiwünscht: „Da braut sich was zusammen…“. Am 12.08. sollte das Camp wieder zum Staufenplatz umziehen, den die Stadt jedoch kurzerhand in eine Baustelle verwandeln ließ. Darauf verlegten die Roma ihr Camp am 12.08. (vgl. Bericht in der Rheinischen Post) auf die Oberkasseler Rheinwiesen, gegenüber der Düsseldorfer Altstadt. Die Demonstration befand sich damit an gut sichtbarer Stelle in der Stadt ….“Wie ist es am Rhein so schön“ kommentiert die Rheinische Post am 13.08.

CDU-Oberbürgermeister Joachim Erwin geriet wegen seines Umgangs mit den Roma-Flüchtlingen immer stärker in die öffentliche Kritik. Die Frankfurter Rundschau und die taz berichteten. Und auch die Rheinische Post vom 12.08. begann, das Verhalten der Stadt zu kritisieren. Bei einer Roma-Kundgebung vor dem Rathaus am 12.08. ging Erwin voll auf Abwehr. Spöttisch kommentiert die Rheinische Post vom 13.08. seine Maßnahmen: „Erwin zeigte sich nicht. Stattdessen waren – zufällig – zwei Hebebühnen des Grünflächenamtes aufgefahren, um die Blumenkästen am Gebäude zu pflegen. Vor dem Eingang des Rathauses waren demonstrativ zwei Wagen des Ordnungsamtes aufgefahren, Mitarbeiter samt zwei Schäferhunden sicherten den Haupteingang.“

Nachem auch die Rheinwiesen für einen Zirkus benötigt wurden, mussten die Roma erneut umziehen und befinden sich inzwischen auf dem Parkplatz des Freibades in Düsseldorf-Lörick. Angesichts der zunehmenden Kälte scheint fraglich, wie lange sich die Protestaktion noch durchhalten lässt.

Unterstützer melden sich zu Wort

Der Flüchtlingsrat NRW, der AK Asyl NRW und PRO ASYL unterstützen die Protestaktion an durch Öffentlichkeitsarbeit und praktische Solidarität vor Ort, vgl. gemeinsame Presseerklärung vom 10.07.02. Unterstützer können sich jederzeit am Camp informieren, oder beim Flüchtlingsrat NRW bzw. beim AK Asyl NRW fragen was konkret getan werden kann. Sie können Protestmails senden, Spenden überweisen (s.u.) oder vor Ort vorbeibringen, und den Aufruf: Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht für Roma unterzeichnen.

Solidaritätsaktionen

Das Obdachlosenmagazin fifty-fifty organisierte gemeinsam mit dem Roma und weiteren Unterstützergruppen einen Solidaritätsabend. Kirchenleute, Politiker, Friedensbewegte und Prominente zeigten im Roma-Camp ihre Solidarität. Siehe dazu auch Bericht zum Solidaritätsabend am 25.07.07 „Wir können das Europa der Zukunft hier beginnen“.

Wir die Frankfurter Rundschau am 05.08.02 berichtet, wurde am 03.08.02 bei einer 24-stündigen Performance anlässlich der Documenta in Kassel das Recht auf freie Wahl von Wohnsitz und Bewegung sowie die Abschaffung der Residenzpflicht gefordert. Vor allem sollte auf das Schicksal von derzeit in Deutschland lebenden, von Abschiebung bedrohten Roma-Familien aus Ex-Jugoslawien aufmerksam gemacht werden.

Abschiebungen

Trotz der seit April andauernden Proteste werden seit Ende Juli laufend weitere Roma-Familien aus NRW nach Serbien abgeschoben. Einige der Roma besaßen noch gültige Duldungen. Nicht einmal die geltenden rechtlichen Bestimmungen wurden respektiert, so die Junge Welt vom 05.08.02. Mitte September 2002 unterzeichneten die Innenminister der BRD und Jugoslawien ein neues Rückübernahmeabkommen zur beschleunigten Abschiebung von Flüchtlingen. Mindestens 4 Chartermaschinen im Monat starten als reine Abschiebefluege vom Flughafen Düsseldorf nach Belgrad und nach Pristina.

Aufruf: „Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht für Roma“

Düsseldorf/Essen, 19. Juli 2002

Der Arbeitskreis Asyl NRW und der Flüchtlingsrat NRW haben den Aufruf „Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht für Roma“ verfasst. Wir möchten ein breites Bündnis von Einzelpersönlichkeiten und Organisationen als Unterzeichner/innen gewinnen. Wir wären Ihnen deshalb sehr dankbar, wenn Sie möglichst bis 31.07.02 die Unterzeichnung des Aufrufs durch Ihre Organisation oder Einzelperson per E-Mail: geschaeftsstelle@fluechtlingsrat-nrw.de oder Fax: 0201/8990815 mitteilen könnten.

Der Aufruf soll – auch wegen der „Stimmungsmache“ einiger lokaler Medien und Politiker gegen die Roma – auch als Anzeige in der lokalen Presse geschaltet werden. Wenn Sie uns für diese Anzeige(n) als Organisation mindestens 100 Euro und als Einzelperson mindestens 20 Euro überweisen, wären die Voraussetzungen auch für eine Veröffentlichung geschaffen. Überweisungen bitte an Flüchtlingsrat NRW, Bank für Sozialwirtschaft Köln, Konto-Nr. 8054100, BLZ 37020500, Stichwort „ROMA“.

Irene Dulz, Flüchtlingsrat NRW
Heiko Kauffmann, Vorstandsmitglied PRO ASYL
Isabel Basterra, AK Asyl NRW

__________________________________________________________

Arbeitskreis Asyl Nordrhein-Westfalen e.V.
Ernst-Abbe-Weg 50 – 40589 Düsseldorf
Telefon: (0211) 77 93 607,Fax: (0211) 77 93 608
E-Mail: vorstand@ak-asyl-nrw.de

Flüchtlingsrat NRW
Bullmannaue 11, 45327 Essen
Tel.: 0201/89908-0, Fax: 0201/89908-15
E-Mail: geschaeftsstelle@fluechtlingsrat-nrw.de
Homepage: www.fluechtlingsrat-nrw.de
Aufruf
(download als pdf)

Das Herumschubsen und Herausdrängen von Minderheiten muss ein Ende haben!

Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht für Roma
Ja zur Integration = Nein zu Abschiebungen

Seit dem 27.4.2002 protestieren etwa 500 Roma, um die Öffentlichkeit und die Politik auf ihre bedrängte Lage aufmerksam zu machen. Inzwischen ist der Demonstrationszug nach Bremerhaven, Berlin, Hannover, Bielefeld, Münster, Dortmund, Wuppertal, Köln in Düsseldorf angelangt.

Sie wehren sich gegen die drohende Abschiebung in das ehemalige Jugoslawien, welche die Innenministerkonferenz am 6. Juni 2002 in Bremerhaven für dieses Jahr angekündigt hat. Dieser Beschluss wird der tatsächlichen Lage der Roma insbesondere in Serbien, Montenegro und dem Kosovo in keiner Weise gerecht: Denn ein Großteil von ihnen lebt dort unverschuldet unter erbärmlichen Umständen unterhalb eines menschenwürdigen Niveaus. Die Berichte internationaler Organisationen wie UNHCR, UNMIK und von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen stimmen darin überein, dass Angehörige von Minderheiten dort keinen adäquaten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit und Eigentum haben, zum Teil in militärisch geschützten Enklaven leben müssen und immer noch Opfer von Gewalttaten und Diskriminierungen werden.

Trotz langjährigen, teils über zehnjährigen Aufenthalts mit ihren Familien in Deutschland haben die Roma nur Bescheinigungen über ihre Duldung, womit ihnen faktisch eine geregelte Arbeitsaufnahme und die Erfüllung der Bedingungen bisheriger Altfallregelungen verwehrt wurde.

Die Roma-Familien haben hier dennoch ihre Heimat gefunden. Kinder und Jugendliche, viele von ihnen in Deutschland geboren, fühlen sich hier zu Hause und haben eine schulische und berufliche Ausbildung begonnen oder abgeschlossen. Eine Abschiebung dieser Menschen würde bedeuten, sie in eine Situation absoluter Perspektivlosigkeit zurückzustoßen.

Wir fordern deshalb von der Bundesregierung, den Innenministern von Bund und Ländern und allen verantwortlichen Politikern dieses Landes

  • sich für einen sofortigen Abschiebestopp für Roma und andere Minderheitenangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien einzusetzen,
  • die berechtigten Anliegen und Sorgen der Roma ernst zu nehmen und nicht zuzulassen, dass durch Abschiebungen vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes mögliche positive Lösungen versperrt werden,
  • für eine wirksame Altfallregelung einzutreten, die den Betroffenen eine sinnvolle Lebensperspektive gibt.
  • sich entschieden gegen rassistische Einstellungen und Vorurteile einzusetzen, wie sie im Zusammenhang mit dem Roma-Protest in Düsseldorf von einem Teil der Medien und aus der Politik mobilisiert werden,
  • angesichts der Vernichtung von mehr als 500.000 Roma in der Zeit des deutschen Faschismus die besondere historische Verantwortung Deutschlands gegenüber diesem Volk und ihren Nachkommen wahrzunehmen.

Die Politik und alle Parteien sprechen von „Integration“ und einem „weltoffenen Deutschland“!

Die Politik muss jetzt Farbe bekennen:
Im Umgang mit den hier lebenden Minderheiten wie den Roma zeigt sich, wer es wie ernst mit Menschenrechten und Integration meint.

Liste der Unterzeichner

Kontakt für weitere Unterzeichner
PRO ASYL und NRW-Flüchtlingsorganisationen fordern Abschiebestopp

– gemeinsame Presseerklärung vom 10.07.2002 zur Roma-Karawane für ein Bleiberecht –

 

PRO ASYL und NRW-Flüchtlingsorganisationen fordern Signal für Zivilcourage und Solidarität

– Menschenrechtler üben scharfe Kritik an Stadt und Oberbürgermeister –

In einem „Offenen Brief“ vom 09.08.2002 an die Unternehmen und Institutionen „der weltoffenen und toleranten Landeshauptstadt Düsseldorf“ haben Flüchtlingsinitiativen, Menschenrechtsorganisationen und die ROMA-Union e. V. Essen/NRW um Unterstützung und humanitäre Hilfe für die in dem Zeltlager auf dem Düsseldorfer Schützenplatz für ihr Bleiberecht demonstrierende ROMA gebeten.

aktuelle Infoseite „aktion roma“

Protestmailing und Faxaktion „Roma bleiben hier“

  • Aufruf vom Dezember 2002 (Antirassistische Initiative e.V. Berlin; Internationale Liga für Menschenrechte, Berlin; Kein Mensch ist illegal, Berlin; Komitee für Grundrechte und Demokratie, Köln)

Unterschriftenlisten

Die Forderungen der Roma

C.I.A.E.Roma-Union e.V. Essen / NRW
Centre of Integration, Affirmation and Emanzipation of the Roma in Germany
Sprecher: Dzoni Sichelschmidt
Wissenschaftliche Beratung: Angela Sichelschmidt
Uhlstr.64, 50321 Brühl
Tel. 02232-411606, mobil: 0178-2836880
e-Mail: Dsichelschmidt@t-online.de

Sehr verehrte Damen und Herren, die Roma in Deutschland fordern:

  1. Sofortiger Abschiebestopp!
    2. Alle Roma, die fünf Jahre in Deutschland sind, sollten ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Die anderen eine dreijährige Chance, um sich produktiv für die deutsche Gesellschaft einzusetzen (unsere Organisation würde für die Realisierung zur Verfügung stehen).
    3. Die Roma sollen an allen Entscheidungen, die in ihr Leben eingreifen, beteiligt werden.
    4. Die Rechte der Roma sollen auch dahingehend gelten, dass ihre Kinder eine Schulausbildung erhalten können.
    5. Hilfe beim Aufbau von Einrichtungen im Bereich der Kultur, der Sprache, Folklore sowie Sitten und Bräuchen der Roma.
    Wir bitten um Ihr Verständnis und um Ihre Hilfe!

Mit Dank für Ihre Kenntnisnahme

C.I.A.E.Roma-Union e.V. Essen / NRW
Centre of Integration, Affirmation and Emanzipation of the Roma in Germany
Erster Vorsitzender: Berati Metus, Döppelhahn 3, D-45276 Essen
Tel. 0201 5922113 , mobil: 160-3031226 e-Mail: Romanochavo@gmx.de

Zu den Gründen der Protestaktion

C.I.A.E.Roma-Union e.V.: Brief an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Duesseldorf
Brief an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Duesseldorf (pdf)

Die alten Vorurteile – Interview mit Dzoni Sichelschmidt

FLÜCHTLINGSRAT BERLIN
Menschenrechte kennen keine Grenzen
Georgenkirchstr 69-70, D 10249 Berlin
Telefon: ++49-30-24344-5762, Fax: ++49-30-24344-5763
buero@fluechtlingsrat-berlin.de
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de

Presseerklärung vom 09.06.2002

ROMA DEMONSTRIEREN GEGEN DROHENDE ABSCHIEBUNG NACH JUGOSLAWIEN

Nach 42 Tagen des Protest in Essen, Gelsenkirchen, Hamburg und zuletzt bei der Innenministerkonferenz in Bremerhaven sind am Donnerstag 06.06.02 abends etwa 650 gegen ihre drohende Abschiebung nach Jugoslawien protestierende Roma in Berlin eingetroffen. Die Roma stammen aus verschiedenen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens, vor allem aus Serbien, und protestieren gegen die aktuell laufenden Verhandlungen zwischen der deutschen Bundesregierung und der BR Jugoslawien über ihre „Rückübernahme“ (sprich Abschiebung). Sie fordern ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Deutschland.

Die Roma sind überwiegend in verschiedenen Städten in NRW behördlich registriert und besitzen trotz teils über 10 jährigem Aufenthalt mit ihren Familien in Deutschland nur Bescheinigungen über ihre „Duldung“. Ein Bleiberecht erhielten sie trotz des langjährigen Aufenthalts nicht, weil sie mit einer „Duldung“ kein Arbeitgeber einstellen wollte, oder weil für sie – ebenso wie die jugoslawischen Flüchtlinge in Berlin – mit Hilfe der „Arbeitsmarktprüfung“ ein behördliches Arbeitsverbot verfügt wurde. Die Anforderungen der „Altfallregelung“ können sie deshalb nicht erfüllen.

Die Innenministerkonferenz am 06.06.2002 in Bremerhaven hatte Abschiebungen von Roma auch in den Kosovo „noch in diesem Jahr“ angekündigt und ein dauerhaftes Bleiberecht – egal wie lange die betroffenen Roma in Deutschland leben – ausgeschlossen.

Der Flüchtlingsrat fordert aus Anlass der aktuellen Roma-Proteste Senat und Bundesregierung erneut auf, endlich eine wirksame Altfallregelung zu treffen, die geeignet ist, den Betroffenen eine Lebensperspektive zu geben:

Seit mehr als fünf Jahren in Deutschland geduldete Flüchtlinge müssen regelmäßig ein Bleiberecht aus humanitären Gründen erhalten. Für besonderes bedürftige Gruppen wie Familien mit Kindern, alleinstehende Jugendliche, alte Menschen, Kranke und Behinderte, Angehörige von Minderheiten etc. müssen drei Jahre Aufenthalt reichen. Den Betroffenen muss ein großzügiger Zeitraum zur Arbeitssuche und eine Arbeitsgenehmigung für Tätigkeiten jeder Art gewährt werden, auch selbständige Erwerbstätigkeit ist zuzulassen. Soweit die Finanzierung des Lebensunterhaltes aus Erwerbstätigkeit Bedingung ist, sind faire Ausnahmen für Familien mit Kindern, Alleinerziehende, Alte und Erwerbsunfähige sowie Auszubildende vorzusehen. Der Flüchtlingsrat unterstützt die Forderung der Bundeskonferenz der Ausländerbeauftragten vom 29. Mai 2002 für eine klare und bundeseinheitliche Altfallregelung mit Inkraftreten des Zuwanderungsgesetzes.

Die Roma bemühen sich am Montag 10.06. um Gespräche mit Bundespolitikern in Berlin. Voraussichtlich am Dienstag abend wollen die Roma weiterfahren und ihren Protest in Hannover, Münster, im Ruhrgebiet und im Rheinland, in Frankfurt, in Süddeutschland und schließlich in Straßburg an die Öffentlichkeit tragen.

 

Spendenaufruf für die von Abschiebung bedrohten Roma in Düsseldorf

Düsseldorfer Appell
c/o Jugendring Düsseldorf
Lacombletstrasse 10, 40239 Düsseldorf
Fon 0211/99 20 000, Fax 0211/99 20 008
volker.neupert@jugendring-duesseldorf.de

Düsseldorf, den 26.06.2002

Liebe Freundinnen und Freunde,

seit Freitag letzter Woche haben 700 Roma, darunter 170 Kinder, in Düsseldorf ihre Zelte aufgeschlagen. Nach Essen, Hamburg und Berlin ist Düsseldorf eine der Stationen eines Protestzuges, auf dem die Roma gegen ihre Abschiebung ins ehemalige Jugoslawien demonstrieren wollen. Obwohl teilweise schon seit über 10 Jahren in Deutschland lebend, konnten sie bisher kein Bleiberecht erreichen, sondern erhielten nur eine ‚Duldung‘. Da die Roma aufgrund der Arbeitsmarktlage keine Arbeitserlaubnis als Voraussetzung für ein Bleiberecht erhalten konnten, fordern sie eine wirksame Altfallregelung, um ihnen eine Lebensperspektive zu eröffnen.

Die Roma sind am Ende ihrer Kräfte. Sie brauchen dringend Lebensmittel, Hygieneartikel und andere Dinge des täglichen Lebens, um einigermaßen über die Runden zu kommen.

Unsere Bitte ist nun an euch, die Roma in ihrem berechtigten Anliegen materiell zu unterstützen:

    • Die Romafamilien freuen sich, wenn der hilfsbereite Bürger direkt vor Ort Lebensmittel oder anderes vorbeibringt.
    • Ist dies aus zeitlichen Gründen nicht möglich, sind auch Geldspenden sehr willkommen und bitter nötig.

Der Sprecher der Roma Dzoni Sichelschmidt hat daher unter seinem Namen ein Konto für die Romafamilien eingerichtet:
Stadtsparkasse Düsseldorf, Kto. 14289490, BLZ 30050110, Verwendungszweck: C.I.A.E. Roma Union.

Wir bedanken uns schon jetzt sehr im voraus!

 

BRD und BR Jugoslawien vereinbaren beschleunigte Abschiebung

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 16.09.2002

– Innenminister der BRD und der BR Jugoslawien vereinbaren beschleunigte Abschiebung jugoslawischer Flüchtlinge – Protestdemonstration von Roma-Flüchtlingen vor dem Bundesinnenministerium – Flüchtlingsrat fordert großzügige Bleiberechtsregelung –
Ein gegenüber dem 1996 mit Milosevic vereinbartem deutsch-jugoslawischen Rückübernahmeabkommen offenbar erheblich verschärftes neues Abschiebeabkommen (download Wortlaut des Abkommens vom 16.09.02) mit „modernen Rückübernahmestandards“, die „die Rückführung erheblich beschleunigen“ und „die Arbeit der Ausländerbehörden deutlich erleichtern“ sollen, haben heute Innenminister Schily und der jugoslawische Innenminister Zivkovic in Berlin unterzeichnet (vgl. Presseerklärung Schilys vom 16.09.02).

Der Konvoi des jugoslawischen Innenministers Zivkovic traf um 10 Uhr am Bundesinnenministerium ein, wo er von 200 gegen ihre drohende Abschiebung protestierenden Roma bereits erwartet wurde. Die Roma waren mit Bussen aus Düsseldorf angereist, wo sie bereits seit Monaten gegen ihre drohende Abschiebung protestieren (siehe dazu auch die Infos unter http://www.krit.de/roma und Roma Protestkarawane für Bleiberecht in Düsseldorf ).

PRO ASYL, die Flüchtlingsräte Berlin und NRW und zahlreiche Prominente unterstützen die Protestaktion – vgl. auch Presseerklärung PRO ASYL v. 16.08.02 . Die Roma, die teilweise schon seit über 10 Jahren in Deutschland leben, waren wie andere Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien von allen bisherigen Bleiberechtsregelungen ausgeschlossen worden. Ein Bleiberecht erhielt nur, wer ein mehrjähriges Arbeitsverhältnis nachweisen konnte, was in vielen Regionen angesichts von den Behörden pauschal verweigerter Arbeitserlaubnisse nicht möglich war.

Von den 233.000 in Deutschland mit einer „Duldung“ lebenden Ausländern kommen allein 103.000 aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo, etwa 70 – 80.000 davon dürften Roma sein. Die Mehrzahl dieser Flüchtlinge lebt seit mehr als 8 Jahren in Deutschland, viele schon über 10 Jahre (genaue Zahlen siehe Antwort der Bundesregierung zur Umsetzung der so genannten Altfallregelungen für Flüchtlinge 1999 und 2001 in den Bundesländern, Bundestagsdrucksache 14/9916 – dabei ist zu beachten, dass zu den noch nicht so lange hier lebenden auch hier geborene Kinder entsprechenden Alters zählen).

Angesichts dessen, dass das Abkommen vor allem die Abschiebung von Roma zum Inhalt hat, die bereits langjährig als Kriegsflüchtlinge in Deutschland leben, und dass in Jugoslawien die rassistische Unterdrückung und Ausgrenzung der Roma anhält, es für Roma nach wie vor faktisch keine soziale Existenzmöglichkeit gibt, Zugang zu Wohnung, Arbeit, Bildung und Rechtsschutz fehlt bzw. verweigert wird, grenzt es an Volksverhetzung, wenn Bundesinnenminister Schily die von dem Abkommen Betroffenen lediglich als „illegale Migranten aus der Balkanregion“ definiert.

Nicht zuletzt die angesichts von mehr als 500.000 von den Nazis in Deutschland und Osteuropa ermordeter Roma und Sinti besondere historische Verantwortung Deutschlands gegenüber den Roma gebietet es, nicht die Abschiebung zu bescheunigen, sondern stattdessen endlich eine großzügige und wirksame Bleiberechtsregelung zu schaffen, die anstelle von nur für wenige Wochen geltenden Duldungsbescheinigungen einen dauerhaft sicheren Aufenthaltstitel und auch das Recht beinhaltet, eine Wohnung zu beziehen, eine Arbeit oder Ausbildung aufzunehmen sowie Integrationsleistungen wie Ausbildungs-, Sprach- und Arbeitsförderung, Kinder- und Erziehungsgeld zu erhalten.

Zur Notwendigkeit einer großzügigen Bleiberechtsregelung und zu den Hintergründen der seit Monaten andauernden Proteste der aus Jugoslawien stammenden Roma-Flüchtlinge siehe auch die Presseerklärungen und die weiteren links und Infos des Flüchtlingsrats Berlin unter Roma protestieren gegen drohende Abschiebung nach Jugoslawien.

Flüchtlingsrat Berlin
www.fluechtlingsrat-berlin.de
Berlin, 16.09.2002

Abschiebefluege BR Jugoslawien

Am 19./20.06.2001 wurde zwischen der BRD und der BRJ vereinbart, ab sofort das 1996 vereinbarte und seit 1998 ausgesetzte Rückübernahmeabkommen wieder anzuwenden. Am 16.09.02 wurde ein neues Rückübernahmeabkommen unterzeichnet, wonach ab 01.11.2002 Abschiebungen nach einem vereinfachten Verfahren möglich sind.
Vgl. dazu (und zur Lage der Roma) auch den Lagebericht Auswärtiges Amt vom 06.02.2002, Seite 18 ff., der einigen Flüchtlingsräten vorliegen dürfte, sowie das Protokoll vom 21.06.01 zur Aktualisierung der Rückübernahmevereinbarung BRD-BRJ (pdf).

  • Derzeit geht ca. alle 14 Tage mittwochs gegen 15 Uhr ab Düsseldorf ein JAT-Abschiebecharter nach Belgrad (ca. 100 Abzuschiebende, jugoslawisches Sicherheitspersonal an Bord), zuletzt am 20.11.02.
  • Ebenfalls – schon seit 2000 – alle 14 Tage donnerstags geht ein Abschiebecharter von Düsseldorf nach Pristina, zuletzt am 21.11.02. Weitere Abschiebecharter nach Pristina gehen unregelmäßig ab Düsseldorf (u.a. am 28.10.02 ein vom BGS organisierter Charter), Berlin-Schönefeld, München, Hahn (Hunsrück) sowie ab Söllingen bei Baden-Baden, darunter auch vom BGS bundesweit kordiniderte Charter

An den Abschiebeflügen aus Düsseldorf und von den anderen Orten sind jeweils auch andere Bundesländer beteiligt, insbesondere bei den vom BGS kordinierten Chartern.

 

Kontakt zur Roma-Protestkarawane:

Dzoni Sichelschmidt, Handy: 0178-2836880
DSichelschmidt@t-online.de

Kontakt zu den Aktionen in Düsseldorf auch über:

Andrea Schmitz-Faas, AStA FH Sozialwesen D’dorf, 0172-2952281

Frank Laubenburg 0173-9823854 (ruft ggf. über Festnetz zurück)

Isabel Basterra, Arbeitskreis Asyl NRW, Ernst Abbe Weg 50
40589 Düsseldorf, Tel. 0211-7793607, mobil 0171-4570109, Fax 0211-7793608
info@ak-asyl-nrw.de

Flüchtlingsrat NRW, Bullmannaue 11, 45327 Essen
Tel.: 0201/89908-0, Fax: 0201/89908-15, geschaeftsstelle@fluechtlingsrat-nrw.de

Infos und Links zu den Roma-Protesten

zu den aktuellen Protesten in Düsseldorf
zu den vorangegangenen Protesten der Romakarawane für ein Bleiberecht in Essen, Bremerhaven, Berlin, Hannover, Köln u.a.
zur Lage der Roma in Serbien, Montenegro und Kosovo
zum Rückübernahmeabkommen BRD-BRJ, aktuelle Abschiebepläne, Abschiebeflüge
zur Notwendigkeit einer erneuten, wirksamen Altfallregelung für Flüchtlinge aus Jugoslawien

Diese Infoseiten wurden vom Flüchtlingsrat Berlin erstellt.
e-mail: buero@fluechtlingsrat-berlin.de
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Presse Romaaktion für Bleiberecht 19./20.11.2002

Presse Romaaktion für Bleiberecht 19./20.11.2002 weiterlesen »

Überblick und gesammelte Pressemeldungen und Reaktionen


Presse Romaaktion für Bleiberecht 19./20.11.2002 – Überblick


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Pressemitteilung PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin

Nr.: 115/19.11.02
Thema: Roma / Flüchtlinge
BLEIBERECHT FÜR ROMA OHNE WENN UND ABER

Die flüchtlingspolitische Sprecherin Karin Hopfmann erklärt:

Berliner Roma haben die Zentrale der PDS in Berlin, das Karl-Liebknecht-Haus, besetzt und somit zur Selbsthilfe gegriffen, so wie das die Roma in Nordrhein-Westfalen schon seit Monaten tun. Das ist ihr gutes Recht. Was bleibt ihnen angesichts drohender und bereits vollzogener Abschiebungen nach Jugoslawien? Wie sollen sie sich wehren gegen die Ignoranz von Politik gegenüber ihrem Schicksal als Kriegsflüchtlinge? Wie sollen sie aufmerksam machen auf die prekäre Situation der Roma in Jugoslawien, aber auch in ganz Osteuropa?

Die Berliner Koalitionsparteien haben eine Initiative für ein Bleiberecht für Roma vereinbart. Aber sie haben nicht vereinbart, bis zu einer Entscheidung auf Bundesebene einen Abschiebestop zu verfügen. Die Ausländerbehörde handelt ohne Rücksicht auf existentielle Bedrohungen durch Abschiebung, ohne Rücksicht auf bereits vollzogene Integrationsprozesse durch langjährige Aufenthalte. Die politische Verantwortung liegt bei Innensenator Erhart Körting und den Koalitionspartnern.

Es wird von historischer Schuld gegenüber den Roma gesprochen. Ihre 1300 Jahre währende Geschichte von Verfolgung und Versklavung gipfelte im Holocaust, dem 500.000 Roma europaweit zum Opfer fielen. Sie waren ebenso den Nürnberger Rassegesetzen ausgeliefert wie jüdische Menschen. Allein 90.000 jugoslawische Roma wurden in Lagern ermordet. Wäre das nicht Anlass genug zu sagen: Es gibt ohne Wenn und Aber ein Bleiberecht für Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien, die im Vorfeld und während der Kriege in die Bundesrepublik flohen?

Ich fordere die Bundesregierung auf zu handeln. Ich gehe aber auch davon aus, dass der Berliner Senat das rechtlich Mögliche und politisch Notwendige tun wird, um dem proklamierten Paradigmenwechsel für eine Flüchtlingspolitik auf der Grundlage von Humanität und Menschenrechten gerecht zu werden.

Ich unterstütze die bundesweite Kampagne von pro asyl, Flüchtlingsräten und Wohlfahrtsverbänden „Hier geblieben! Recht auf Bleiberecht! – Ohne Wenn und Aber!“

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PRESSEERKLÄRUNG Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Berliner Abgeordnetenhaus
Telefon: 030-2325 2450/51
www.gruene-fraktion-berlin.de
pressestelle@gruene-fraktion-berlin.de

Datum: 18.11.2002
Volker Ratzmann, rechtspolitischer Sprecher, erklärt:

BLEIBERECHTSBESCHLUSS UMSETZEN ? SONST BLEIBT NUR BESETZUNG

Die Protestaktion der rund 30 Roma, die heute die PDS-Zentrale in Berlin besetzt haben, ist vor dem Hintergrund ihrer verzweifelten Lage nur allzu verständlich. Seit Anfang des Monats häufen sich die Meldungen, dass langjährig hier lebende Familien mit Abschiebung bedroht werden. Nach jahrelangem Aufenthalt und Integration in der Bundesrepublik erwartet sie in Jugoslawien ? noch dazu im Winter ? die völlige Perspektivlosigkeit.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt zwar, dass Rot-Rot dem von uns eingebrachten Antrag für ein Bleiberecht langjährig hier lebender Roma zugestimmt hat und sich bei der Innenminister-Konferenz für eine entsprechende Lösung einsetzen will. Nach wie vor tut der rot-rote Senat aber nichts, den Beschluss umzusetzen! Statt Abschiebungen von Roma unverzüglich auszusetzen, haben sie seit dem Beschluss sogar zugenommen. Selbst Minderjährige und in Ausbildung Befindliche sind von Abschiebung bedroht. Völlig unverständlich ist, warum der SPD/PDS-Senat nicht schon jetzt handelt. Selbst ein Gesprächsangebot der mit der Beratung von Roma befassten Wohlfahrtsverbände hat der Innensenator bisher abgelehnt.

Der Verweis der PDS auf die Bundesebene lenkt von der eigenen Verantwortung ab: Rechtlich gibt es für Rot-Rot keine Hindernisse, Abschiebungen von Roma aus Berlin zu stoppen. Wir werden uns weiterhin für einen Abschiebestopp einsetzen ? besonders für diejenigen, die kurz vor Abschluss einer Ausbildung stehen. Ein entsprechender Antrag von Bündis90/Die Grünen wird am Montag im Innenausschuss verhandelt.

Es ist an dem rot-roten Senat, den Beschluss des Abgeordnetenhauses über ein Bleiberecht für langjährig hier lebende Roma umzusetzen. Das hilft gegen Besetzungen von Parteizentralen.

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Frankfurter Rundschau 19.11.2002

BERLIN BEFÜRWORTET BLEIBERECHT FÜR ROMA

 Rot-roter Senat stößt Debatte über Flüchtlinge an, die bereits seit längerem im Land leben

Von Pitt von Bebenburg

Das Land Berlin will bundesweit eine Debatte über ein Bleiberecht für lange hier lebende Roma anstoßen. Die im Senat mitregierende PDS möchte diese Initiative auf andere Flüchtlingsgruppen ausweiten.

BERLIN, 18. November. Am Montag haben 30 Roma die Parteizentrale der PDS in Berlin besetzt, um ihrer Forderung nach einem Bleiberecht Nachdruck zu verleihen. „Uns droht die Abschiebung nach Jugoslawien“, fürchtet die Gruppe. Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte zwar beschlossen, dass sich das Land auf Bundesebene für ein Bleiberecht für Roma einsetzt, die schon lange in Deutschland leben. Dennoch sind in den vergangenen Wochen zwei Roma aus Berlin nach Jugoslawien abgeschoben worden. Die Roma sprechen von einer „wild gewordenen Ausländerbehörde“. Nach Angaben des PDS-Innenpolitikers Udo Wolf traf es „mehrfach straffällig gewordene“ Menschen. Er zeigte sich jedoch selbst irritiert über die Abschiebungen. „Wir sind davon ausgegangen, dass es zumindest bis zur nächsten Innenministerkonferenz keine Abschiebungen gibt“, sagte er. Bei dieser Konferenz am 6. Dezember will Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) für ein Bleiberecht für lange in Deutschland lebende Familien der Volksgruppen Roma, Sinti und Ashkali werben. Bereits am morgigen Mittwoch will Körting mit einer Delegation der Demonstranten vom Montag sprechen.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl betreibt derzeit eine Kampagne mit dem Ziel, ein Bleiberecht für alle seit mindestens fünf Jahren in der Bundesrepublik geduldeten Flüchtlinge zu erwirken. Familien sollen hier bleiben dürfen, wenn sie mindestens seit drei Jahren in der Bundesrepublik leben. Eine „Duldung“ besitzen Flüchtlinge, deren Asylbegehren zwar gescheitert ist, bei denen aber Hindernisse für eine Abschiebung bestehen – etwa weil keine Flugverbindungen ins Heimatland bestehen. Insgesamt leben etwa 230 000 Flüchtlinge mit diesem Status in Deutschland. Nach Angaben der Bundesausländerbeauftragten Marieluise Beck (Grüne) sind etwa 146 000 von ihnen bereits seit fast fünf Jahren im Land und immerhin 100 000 seit fast acht Jahren in der Bundesrepublik. Ein großer Teil von ihnen sind Roma, vor allem in Berlin. Dort werden etwa 23 000 Flüchtlinge geduldet.

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Berliner Zeitung 19.11.2002

 DIE PDS GEWÄHRT ROMA-FAMILIEN ASYL

Flüchtlinge aus Serbien besetzen Parteizentrale und protestieren gegen drohende Abschiebung

Leonie Schneider und Andreas Kopietz

Etwa 40 Roma aus Serbien haben am Montag die Bundeszentrale der PDS an der Kleinen Alexanderstraße besetzt. Sie sollen demnächst abgeschoben werden und fordern ein Bleiberecht in Deutschland. Die PDS, so Landesvize Udo Wolf, habe die Roma „willkommen geheißen“ und für die zeitlich unbefristete Aktion einen großen Raum zur Verfügung gestellt. Eine Räumung durch die Polizei beantragt die PDS nicht.

Hintergrund der Proteste ist das „Rückführungsabkommen“ zwischen Bundesinnenminister Otto Schily und dem jugoslawischen Innenminister, das am 1. November in Kraft getreten ist. Danach droht tausenden „ausreisepflichtigen“ Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien die Abschiebung. Ein Drittel davon sind Roma. Schätzungen zufolge sind in Berlin mehr als 1 000 Roma aus Serbien betroffen.

Für andere langjährige Flüchtlingsgruppen gelten bereits seit 1999 so genannte Altfallregelungen. Weil Roma staatenlos sind, wurden sie bisher nur „geduldet“, obwohl viele von ihnen bereits seit mehr als zehn Jahren in Deutschland sind.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sicherte den Besetzern zu, am Mittwochvormittag eine Roma-Delegation zu empfangen. Auf der Innenministerkonferenz am 6. Dezember will er eine neue bundesweite Altfallregelung für Roma-Familien vorschlagen. Danach sollen langjährig in Deutschland lebende Familien mit mindestens einem Kind bleiben dürfen – vorausgesetzt, dass mindestens ein Kind seit zwei Jahren in eine Kita oder Schule geht. Ausgenommen sind nach Körtings Vorstellungen Alleinstehende und Vorbestrafte.

Nach den Worten von Renate Gemkow, der Flüchtlingsbetreuerin beim Landesvorstand der PDS, hätten danach mehr als 250 Berliner Roma Anrecht auf eine Aufenthaltsbefugnis.

Körting sagte am Montag: „Schon jetzt gibt es in Berlin keine Abschiebungen, die der beabsichtigten Altfallregelung widersprechen.“ Das sieht Eva Weber von der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration anders: „Der Senat hat zahlreiche Roma zur Rückkehr nach Serbien gezwungen – trotz anders lautender Ankündigungen.“ So soll auch der Sprecher der Berliner Besetzergruppe, Petar Tudorovic, am Mittwoch abgeschoben werden. Der Vater von fünf Kindern lebt in einem Wohnheim in Wedding. Anfang 1992 flüchtete der Techniker vor dem Bürgerkrieg aus der Kleinstadt Mis. Zwei seiner Kinder wurden in Deutschland geboren. Seine 19-jährige Tochter macht jetzt ihren Abschluss am Gymnasium. „Für meine Kinder ist die Muttersprache deutsch“, sagt er. „In Serbien würden sie sich nie zurechtfinden.“ Tudorovic spricht sogar von „inoffiziellem Mord“.

Auch Renate Gemkow sorgt sich um die Existenzgrundlage der Roma in Serbien: „Sie haben keinen Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten und Sozialleistungen, die Gesundheitsversorgung ist nicht gewährleistet.“

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TAZ 19.11.2002

ROMA ZIEHEN INS PDS-ASYL

30 jugoslawische Flüchtlinge besetzen die Parteizentrale der Sozialisten und fordern Abschiebestopp und Bleiberecht. Innensenator Körting (SPD) winkt ab, hat aber Mittwoch einen Termin für sie frei

von STEFAN ALBERTI  und JÜRGEN SCHULZ

„Abschiebungen von Roma müssen sofort aufhören.“ Über die ganze Breite der Fassade hängt das bemalte Stoffbanner an der PDS-Bundeszentrale am Rosa-Luxemburg-Platz. Im Raum gleich neben dem Eingang sitzen und stehen rund dreißig Roma, die akut von Abschiebung bedroht sind. Gehen wollen sie erst, wenn ihre Forderung erfüllt ist. Auf dem Tisch liegt noch das Fax, das sie gerade verschickt haben: „Wir, Roma aus Berlin, haben heute das Karl-Liebknecht-Haus besetzt.“ Die PDS, seit langem auf ihrer Linie, soll sich auch als Regierungspartei für sie stark machen. Verhandeln aber wollen sie mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der Bleiberecht und Abschiebestopp zusichern soll.

Das Büro des gewünschten Gesprächspartners liegt nur zwei U-Bahn-Stationen entfernt in der Klosterstraße. Ein sofortiges Gespräch aber lehnt Körting ab: „In zwei Tagen ja, aber nicht in einer Drucksituation, wie es jetzt gewesen wäre.“ Mittwochmittag will Körting drei Roma bei sich in der Innverwaltung empfangen, ein generelles Bleiberecht schließt er schon jetzt aus.

Seine Antwort liegt noch nicht vor, als die Besetzer in den PDS-Räumen Banner von einer Demonstration am vergangenen Freitag aufspannen. Schon da haben sie Bleiberecht verlangt. Hintergrund ist ein neues Rückführungsabkommen zwischen Deutschland und Jugoslawien, das nach Angaben der Grünen in Berlin rund 5.600 Roma betrifft.

„Alle, die hier sind, könnten sofort abgeschoben werden“, sagte Flüchtlingsbetreuerin Renate Gemkow. Für die Roma ein Horror: „Wir haben in Jugoslawien keine Wohnmöglichkeit mehr. Es gibt für uns keinen sicheren Ort – und es ist Winter.“ Lügen nennen sie Darstellungen, nach denen die Lage dort sicher ist.

Das Abgeordnetenhaus hat Körting schon im September aufgefordert, bei seinen Innenministerkollegen eine Sonderregelung zu erwirken: Langjährig in Deutschland lebende Roma sollten dauerhaft bleiben dürfen. Dafür wollen sich SPD und PDS auch laut Koalitionsvertrag einsetzen. Dem will Körting bei der Ministerkonferenz am 6. Dezember nachkommen. „Langjährig“ konkretisiert die Innenverwaltung mit „mehr als sechs Jahre“.

Nicht nur die Roma, auch die Besetzter dieses Tages sehen dieses Verfahren durch die jüngste Praxis unterlaufen. „Wir haben erwartet, dass zumindest bis zur Innenministerkonferenz von allen Abschiebungen Abstand genommen wird“, sagte PDS-Landesvize Udo Wolf. So argumentieren auch die Grünen, die wie Wolf der Inneministerkonferenz wenig optimistisch entgegensehen. Ihr Innenpolitikexperte Volker Ratzmann erinnert daran, dass Berlin laut Ausländergesetz selbst einen sechsmonatigen Abschiebestopp verhängen könnte.

Körting hingegen sieht zwar eine „besondere historische Verpflichtung“ gegenüber den einst von den Nazis verfolgten Roma. Vor mehr als zehn Tagen schon will er mit der Ausländerbehörde vereinbart haben, dass jene, die unter künftige Regeln fallen könnten, nicht abgeschoben werden. Einen generellen Abschiebestopp aber lehnt er wie ein allgemeines Bleibrecht ab.

Um in diesen Tagen immerhin bei der PDS bleiben zu können, müssen sich die Roma nicht gerade anketten wie Greenpeace-Aktivisten auf einer Ölplattform. Nicht nur, weil Parteiobere wie PDS-Chefin Gabi Zimmer Verständnis zeigen, Polizeiaktionen ablehnen und die Roma „Gäste“ nennen. Denn organsiert hat die Besetzung Gemkow, die Flüchtlingsberaterin – und die ist in dieser Funktion beim PDS-Landesvorstand angestellt.

Sie zeigt eine dicke Mappe mit Unterlagen der Ausländerbehörde. Es ist ihr unbegreiflich, wie ein Rom abgeschoben werden kann, obwohl vom Arzt eine schwere Krankheit mit „häufig tödlichem Ausgang“ bescheinigt wird. Nicht allein die fehlende Infrastruktur im Nachkriegsjugoslawien lässt die Roma gegen eine Rückkehr kämpfen. Einer hält in der PDS-Zentrale eine Zeitung aus Serbien vom gleichen Tag hoch. Ein Foto ist darin zu sehen, von einer Parole auf einer Häuserwand. „Zigeuner, verschwindet aus Leskovica“, übersetzt er. Zwei andere unterhalten sich über ihre schwierige Lage, klagen über Staatenlosigkeit und fehlendes Wahlrecht in Deutschland wie in Jugoslawien.

Mittwoch soll das der Senator hören. „Das ist schon was. Aber wir planen weitere Aktionen“, sagt Roma-Beraterin Gemkow. PDS-Chefin Zimmer ist da konkreter und geht von einer weiteren Parteibesetzung aus: „Es soll wohl nicht die einzige bleiben.“

taz Berlin lokal Nr. 6908 vom 19.11.2002, Seite 21, 148 Zeilen (TAZ-Bericht), STEFAN ALBERTI / JÜRGEN SCHULZ

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TAZ 19.11.2002

FAMILIENTRENNUNG

Abschiebepraxis

Das Gutachten der Charité ist eindeutig. Der sechsjährige Rajko (Name geändert), in Berlin geboren, sei „zu achtzig Prozent behindert“ und durch eine angeborene Seh- und Gehbehinderung sowie eine verzögerte geistige Entwicklung „hilflos“. Weiter diagnostizieren die Ärzte: „Eine nicht aus dem normalen Tagesablauf bekannte längere Abwesenheit der Mutter verstört ihn sehr“, Rajko benötige Sicherheit. Die gibt es für den serbischen Roma-Jungen seit vergangenen Mittwoch nicht mehr. Da ließ die Ausländerbehörde seine allein erziehende Mutter nach Belgrad abschieben. Rajko blieb bei entfernten Verwandten in Berlin zurück. Auch den Verwaltungsrichtern, die gegen einen Abschiebstopp für die Mutter entschieden, war Rajkos Schicksal egal. Das Kind könne auch in einer öffentlichen Einrichtung betreut werden, befanden sie. Die ärztliche Diagnose, der Junge benötige viel Zuwendung, ignorierten Richter und Ausländerbehörde. Deren Logik: Rajkos Mutter sei vorbestraft und schon seit längerem zur Ausreise verpflichtet. Rechtsanwalt Martin Rubbert hält das Vorgehen der Ausländerbehörde trotzdem für skandalös. Just als Polizisten Rajkos Mutter abholten, verhandelte der Anwalt über das weitere Schicksal seiner Mandantin mit der Behörde. Dass die 35-Jährige schon auf dem Weg zum Abschiebeflugzeug war, erfuhr er erst nach seiner Rückkehr ins Büro.

Rajko ist nicht das einzige Roma-Kind, das durch die Ausländerbehörde zwangsweise von seinen Eltern getrennt wurde. Anfang November blieb ein Achtjähriger bei der Abschiebung seiner Eltern allein in Berlin zurück. Am gleichen Tag wurden die 13- bis 17-jährigen Schulkinder einer Roma-Familie mitsamt Vater ohne Gepäck in den serbischen Winter abgeschoben. Ihre Mutter darf noch einige Monate in Deutschland bleiben. HKL

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Taz 19.11.2002

Kommentar

roma-besetzung

Abschiebungen  aussetzen

Die Protestaktion der Roma, die gestern die PDS-Zentrale besetzt haben, ist verständlich. Ihre Lage ist verzweifelt. Anfang des Monats ist das Abschiebeabkommen zwischen Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien in Kraft getreten. Seither häufen sich die Nachrichten, dass serbische Roma, die zum Teil seit vielen Jahren in Berlin leben, abgeschoben werden. Abgeschoben in ein Land, wo der Winter längst angefangen hat und den Roma jede Perspektive fehlt.

Diese Abschiebungen gibt es, obwohl die rot-rote Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, sich „für ein dauerhaftes Bleiberecht für langjährig in Deutschland lebende Roma einzusetzen“, Auch einen ähnlich lautenden Antrag der Grünen haben SPD und PDS im Abgeordnetenhaus unterstützt. Allein die Praxis in Berlin ist eine andere.

Dass Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nun tatsächlich am 6. Dezember in der Innenministerkonferenz (IMK) einen entsprechenden Vorstoß wagen will, reicht da nicht. Meint die Koalition ihre Versprechen ernst, muss der Innensenator bis zur Regelung durch die IMK die Abschiebungen von Roma aussetzen.

Ob Körting mit seinem Vorschlag unter den Kollegen aus den anderen Bundesländern auf Unterstützung stoßen wird, ist allerdings mehr als fraglich. Scheitert er, hat er die Möglichkeit – zeitlich befristet – einen Alleingang zu wagen. Körting könnte für sechs Monate einen Abschiebestopp verhängen. Rechtlich möglich ist das. Politisch und menschlich wäre es wünschenswert. Dann ist zumindest der Winter vorbei. Und es gibt Zeit für neue Verhandlungen.

taz Berlin lokal Nr. 6908 vom 19.11.2002, Seite 21, 62 Zeilen (Kommentar), SABINE AM ORDE,Lokalspitz

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Taz 19.11.2002

(Roma in Berlin – Bildunterschrift)

Dobrilla Anzic und ihr Großvater Miodraj Saitovic leben seit zwölf bzw. elf Jahren in Berlin. Damals flüchteten die Roma samt Großfamilie vor dem Krieg in Jugoslawien: Sohn und Tochter von Saitovic und alle sechs Enkel. Dobrila war da sieben Jahre alt, ihr kleinster Bruder acht Monate. Vor zwei Wochen nun wurden ihr Vater und drei Geschwister abgeschoben. „Mein Bruder hatte nur ein T-Shirt an und keine Socken. So hat die Polizei ihn zum Flughafen gebracht“, sagt Dobrila. Weil die Aussicht auf einen Arbeitsplatz in Jugoslawien gleich null sei, leben ihr Vater und ihre Geschwister nun bei Nachbarn, sind erkrankt, haben kein Geld für Medikamente. Auch Dobrila, ihre Mutter und ihr Großvater sollen abgeschoben werden.

taz Berlin lokal Nr. 6908 vom 19.11.2002, Seite 21, 10 Zeilen (TAZ-Bericht), Foto-

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Berliner Morgenpost 19.11.2002

DEMONSTRIERENDE ROMA BESETZEN PDS-ZENTRALE

Volksgruppe will Bleiberecht erzwingen

(Bildunterschrift) Drei der Roma bei der Protestaktion. Die PDS verzichtete darauf, ihre Räume durch die Polizei räumen zu lassen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will sich mit den Roma morgen an einen Tisch setzen

Foto: ddp
Eine Gruppe von Roma hat gestern die Zentrale der PDS in Berlin besetzt. Die 30 Teilnehmer erschienen am Vormittag im Karl-Liebknecht-Haus an der Kleinen Alexanderstraße in Mitte, um gegen Abschiebungen nach Jugoslawien zu protestieren. Die PDS stellte den Roma einen Raum für die unbefristete Aktion zur Verfügung.

Die PDS sei ausgewählt worden, weil sie Teil der Berliner Regierung ist und die Ausländerpolitik des Senates mittrage, teilte ein Roma-Sprecher in einer Erklärung mit. Er beklagte «jahrelangen Psychoterror» und «schamlose Demütigungen durch die Berliner Ausländerbehörde». In Jugoslawien gebe es für Roma keine Wohnmöglichkeiten, keinen Schulbesuch für Kinder und keine Krankenversorgung.

Die Besetzer verlangten ein Gespräch mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Die PDS vermittelte daraufhin ein Gespräch, wie der Geschäftsführer der PDS, Carsten Schatz, mitteilte. Der Senator werde am Mittwoch eine dreiköpfige Delegation der Demonstranten empfangen.

Die Forderung nach einem umfassenden Bleiberecht könne nicht erfüllt werden, so die Innenverwaltung. Körting will sich aber auf der Innenministerkonferenz für eine Altfallregelung einsetzen. Diese erlaubt Familien weiteren Aufenthalt, deren Kinder in Berlin seit zwei Jahren Kindergarten oder Schule besuchen. tz

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Berliner Morgenpost 20.11.2002

BESETZUNG DER PDS-ZENTRALE GEHT BIS HEUTE WEITER

Die Montag begonnene friedliche Besetzung der PDS-Parteizentrale an der Kleinen Alexanderstraße in Mitte durch von Abschiebung bedrohte Roma wird vermutlich bis heute andauern. Die 30 Besetzer planten, eine weitere Nacht im Karl-Liebknecht-Haus zu bleiben, sagte PDS-Landesgeschäftsführer Carsten Schatz gestern. Inzwischen hätten sie sich entschlossen, den angebotenen Gesprächstermin mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD) heute wahrzunehmen. «Die ganze Gruppe wird dann wohl die dreiköpfige Delegation bei einem Marsch zur Innenverwaltung begleiten», sagte Schatz. Die PDS-Fraktion forderte ein Bleiberecht für Roma «ohne Wenn und Aber». Die Besetzung der Landeszentrale sei ihr gutes Recht, erklärte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Fraktion, Karin Hopfmann, gestern. Der Ausländerbehörde warf sie vor, ohne Rücksicht auf existenzielle Bedrohungen durch Abschiebung zu handeln.

Die Roma-Gruppe fordert neben dem politischen Dialog den sofortigen Abschiebestopp für Roma nach Serbien. Körting hatte Montag einem Gespräch zugestimmt. «Dabei müssen wir besprechen, was möglich ist, aber auch was nicht möglich ist», sagte gestern die Sprecherin der Innenverwaltung, Henrike Morgenstern. «Die Forderung nach einem umfassenden Bleiberecht kann nicht erfüllt werden.»

Rückenstärkung indessen bekamen die Besetzer gestern auch vom Flüchtlingsrat Berlin: Er unterstütze die Forderungen auf Bleiberecht, hieß es in einer Pressemitteilung. Angesichts des Ausreisedrucks auf die Roma könne der Rat nachvollziehen, dass diese keine andere Möglichkeit mehr gesehen hätten, auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. dpa/LR

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TAZ 20.11.2002

PDS WEITER BESETZT

Roma bleiben im Karl-Liebknecht-Haus. Für heute ist  ein Gespräch mit SPD-Innensenator Körting geplant

Die von Abschiebung bedrohten Roma wollen die friedliche Besetzung der PDS-Parteizentrale mindestens bis zum heutigen Mittwoch fortsetzen. Am Mittag ist ein Gespräch einer dreiköpfigen Delegation mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD) geplant. „Danach entscheiden wir, wie es weitergeht“, sagte gestern Flüchtlingsberaterin Renate Gemkow, die die Aktion mitorganisiert hat. Eine zweite Besetzung schloss sie nicht aus. Gemkow: „Es gibt ja noch andere wichtige Parteien in Berlin.“ Eine davon dürfte wohl die SPD sein.

Die Roma fordern, die Abschiebungen nach Serbien sofort einzustellen. Körting hatte am Montag einem Gespräch zugestimmt. „Dabei müssen wir besprechen, was möglich ist, aber auch was nicht möglich ist“, sagte gestern seine Sprecherin Henrike Morgenstern. „Die Forderung nach einem umfassenden Bleiberecht kann nicht erfüllt werden.“ Körting werde sich aber, wie bereits angekündigt, bei der anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) am 6. Dezember für eine so genannte Altfallregelung stark machen. Demnach würden Roma, die sechs Jahre und länger in Deutschland leben, nicht mehr abgeschoben. Für alle anderen würde weiter das Rückübernahme-Abkommen mit Exjugoslawien gelten.

Unterdessen hat Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) versucht, im Gespräch mit Körting einen Kompromiss zu finden. Die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus hält die Besetzung der Landeszentrale für „das gute Recht“ der Roma. Das erklärte die flüchtlingspolitische Sprecherin Karin Hopfmann. Die Schriftstellerin Christa Wolf forderte Körting in einem Brief auf, die Verantwortung für das Schicksal der Roma zu bedenken. Die Verfolgung während des Nationalsozialismus verpflichte noch heute. Auch die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau erinnerte an die Ermordung von Roma in der Nazi-Zeit. SAM/DPA
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18.11.2002: Amen acas kate!

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WIR BLEIBEN HIER! PUNKT!

Roma aus Berlin haben heute das Karl-Liebknecht-Haus besetzt. Sie wehren sich gegen eine drohende Abschiebung nach Jugoslawien.

Ein Besetzerbrief an die Öffentlichkeit.


Amen acas kate !  Gruppe Berlin

An die Öffentlichkeit
Montag, den 18. November

Wir,
Roma aus Berlin, haben heute,
das Karl-Liebknecht-Haus besetzt.
(Landesverband der PDS, Kleine Alexander Straße 28, 10178 Berlin)
Hier bleiben wir erst einmal.
Warum?
Uns droht die Abschiebung nach Jugoslawien.
Die PDS ist in der Berliner Regierung. Die PDS hat mitbeschlossen, daß Roma in Berlin ein Bleiberecht erhalten sollen. Die PDS hat nicht verhindert, daß Innensenator Körting und seine wildgewordene Ausländerbehörde weiterhin unsere Menschen abschieben. Dabei trennen sie Familien, schieben Kranke ab, und es ist ihnen gleichgültig, was uns dort erwartet:

Wir haben in Jugoslawien keine Wohnmöglichkeit mehr. Es gibt für uns keinen sicheren Ort. Und es ist Winter.
Viele von uns können nicht einmal zu Verwandten, weil diese auch geflüchtet sind, bei den NATO Bombardements verletzt oder getötet wurden, oder in schlimmen Elend leben.
Wir werden dort diskrimiert. Das heißt z.B., daß die Polizei oder die Öffentlichkeit nichts dabei finden, wenn wir grundlos beleidigt oder geschlagen werden.
Arbeit können wir nicht finden. Wir werden für den Wiederaufbau nicht gebraucht.
Unsere Kinder können nicht zur Schule. Es fehlt schon das Geld für Lernmaterial.
Unsere Kranken werden nicht versorgt.

Die Ausländerbehörde behauptet, dort sei alles in Ordnung. Sie beruft sich auf die deutsche Botschaft und die serbischen Gesetze und Politiker.

Das sind Lügen. Gesetze und Politikerreden haben mit der Realität nichts zu tun. Wir erinnern daran, daß die demokratische Verfassung Jugoslawiens einen MiloÎevic nicht verhindert hat, und die NATO sich keinen Deut darum geschert hat, was auf dem Papier steht.

Im Zusammenhang mit uns wird aber gesagt, weil es zum Beispiel ein gutes Krankenversicherungsgesetz gibt, seien wir versorgt. Das ist eine Dreistigkeit.
Wir bekommen nichts, ob mit Versicherung oder ohne, weil wir Roma sind. Daß man dort jeden Arzt, jede Krankenpflege und jedes Medikament sowieso extra bezahlen muß, wird absichtlich verschwiegen.

Wir sehen uns zum Handeln gezwungen, weil wir den jahrelangen Psychoterror und die schamlosen Demütigungen durch die Berliner Ausländerbehörde in der Nöldner Straße nicht weiter ertragen können und wollen. Unsere Hoffnung auf die Zusage von Herrn Körting, er werde sich in der Innenministerkonferenz für ein Bleiberecht für Roma einsetzen, hat getrogen. Wer will ihm das glauben, wenn er weiter abschieben läßt und die menschenverachtenden Zustände in der Nöldner Straße duldet. Die Regierungsparteien protestieren nicht.

Wir glauben inzwischen, daß das alles beabsichtigt ist, um uns in Angst und Schrecken zu versetzen und uns zu demütigen.
Aber: Wir bleiben hier! Punkt!

Reicht es nicht,
– daß wir vor Krieg und Not flüchten mußten,
– daß viele von uns hier schon lange leben,
– daß unsere Kinder hier zur Schule gehen.

Wir erinnern daran, daß hundert Tausende von uns durch Deutsche ermordet wurden, um Deutschland von uns zu säubern, so wie es auch mit anderen gemacht wurde. Deutschland hat uns gegenüber eine historische Verantwortung.

Wir fordern daher von den Regierungsparteien und von Innensenator Körting:

  • Die Abschiebungen von Roma aus Berlin nach Serbien müssen sofort beendet werden!
  • Der Innensenator Herr Körting soll mit uns sprechen und uns erklären, warum er uns abschieben will.
  • Wir fordern Bleiberecht für Roma.

 

Wir bleiben hier! Punkt! ——————— Amen acas kate!

Kontakt:

Telefon: 030 – 24 009 236
Fax: 030 – 24 009 260
email: amen_acas_kate@gmx.de





Hier geblieben – Recht auf Bleiberecht!

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Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 14. November 2002

Aufruf zur Kundgebung
am Freitag 15. November 2002 ab 14.00 Uhr vor dem Roten Rathaus
mit anschließender Demo zur Senatsinnenverwaltung

geplante Demoroute: Karl Liebknecht Str /Alexanderplatz/Rathausstr/Spandauer Str.
Abschlusskundgebung ca. 15.30 Uhr Molkenmarkt/Judenstr.


Eine Bleiberechtsregelung für die langjährig nur „geduldeten“ MigrantInnen und Flüchtlinge ist Teil einer ernstgemeinten Integrationspolitik. Die Potenziale dieser Menschen sollten endlich genutzt werden – im Interesse der Gesellschaft und der betroffenen Menschen.

Die ca. 230.000 MigrantInnen und Flüchtlinge, die bislang bundesweit eine Duldung besaßen, sind derzeit weitgehend rechtlos und leben vielfach unter erniedrigenden Bedingungen. Prinzipiell von Abschiebung bedroht, verbringen viele hier dennoch eine lange Zeit, manchmal sogar den Großteil ihres Lebens. In Berlin betrifft dies etwa 23.000 Flüchtlinge, darunter 15.000 aus dem ehemaligen Jugoslawien – unter ihnen viele Roma –, sowie 3000 palästinensische Flüchtlinge aus dem Libanon. Die meisten von ihnen leben hier schon seit fünf Jahren oder länger, ihre Kinder wurden hier geboren und besuchen die Schule. Das Recht auf Arbeit, Ausbildung und Wohnung wird ihnen unter Hinweis auf ihren Aufenthaltsstatus von den zuständigen Berliner Behörden jedoch meist verwehrt.

Mit dem geplanten Zuwanderungsgesetz droht diesen MigrantInnen und Flüchtlinge statt der „Kettenduldung“ eine „Kettenbescheinigung“, die eine noch weitere Entrechtung bedeutet: unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes Verbot jeglicher Arbeit und Ausbildung, Einweisung in Ausreisezentren, Abschiebung ohne Vorankündigung jederzeit.

Im Hinblick auf die Dauer des Aufenthalts müssen die betroffenen Flüchtlingen endlich ein Bleiberecht erhalten, das ihren Aufenthalt langfristig absichert und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Wer Integration als notwendigen und sinnvollen Bestandteil von Zuwanderungspolitik ansieht, muss zuallererst diejenigen, die bereits hier leben und Mitglieder dieser Gesellschaft sind, aus ihrem rechtlosen Status befreien und ihnen die Chance zu einem menschenwürdigen und gleichberechtigten Dasein eröffnen.

Der Flüchtlingsrat Berlin fordert deshalb gemeinsam mit PRO ASYL, Wohlfahrtsverbänden, DGB, Menschenrechtsorganisation und den Flüchtlingsräten anderer Bundesländer:

Wer lange hier lebt, muss bleiben dürfen und hat ein Recht auf Integration. Wir fordern eine unbürokratische und großzügige Bleiberechtsregelung für bisher hier geduldete, asylsuchende und sonstige ausreisepflichtige MigrantInnen und Flüchtlinge:

  • für Alleinstehende, die seit 5 Jahren in Deutschland leben,
  • für Familien mit Kindern , die seit 3 Jahren in Deutschland leben,
  • für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die seit 2 Jahren in Deutschland leben,
  • für traumatisierte Kriegsopfer, und
  • für Opfer rassistischer Angriffe.

Das Bleiberecht muss soziale Integration ermöglichen, statt sie zu verhindern. Der Aufenthaltstitel muss den Betroffenen erlauben eine Wohnung zu beziehen, eine Arbeit oder Ausbildung aufzunehmen, und ihnen Zugang zu Arbeits- Ausbildungs- und Sprachförderung, Kinder- und Erziehungsgeld gewähren.

Wir fordern den Berliner Senat auf, sich auf Bundesebene für eine großzügige bundesweite Bleiberechtsregelung einzusetzen und in Berlin den potenziell Betroffenen vorläufig Abschiebungsschutz zu gewähren.

Dies sollte insbesondere für die Roma-Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien gelten, für die das Berliner Abgeordnetenhaus bereits am 26.09.02 eine Berliner Initiative für ein Bleiberecht aus Bundesebene beschlossen wurde. Dessen ungeachtet wurden in den letzten Tagen weiterhin Roma nach Belgrad abgeschoben. Dabei kam es in einem Fall auch zur Tren-nung eines siebenjährigen Kindes von seinen Eltern. Die Abschiebung wurde zudem unter Missachtung von den Betroffenen gestellter Asylanträge durchgeführt.

Der Flüchtlingsrat kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Berliner Ausländerbehörde Abschiebungen von hier langjährig lebenden Flüchtlinge um jeden Preis durchsetzt und dabei deren Menschen- und Grundrechte mit den Füßen tritt.

Flüchtlingsrat Berlin
14. November 2002

Dokumente zur Bleiberechtskampagne:





HIER GEBLIEBEN! Recht auf Bleiberecht.

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Unsere Forderungen

Langjährig hier lebende Menschen mit Duldung bzw. ohne Aufenthaltsrecht müssen ein Bleiberecht erhalten, das ihren Aufenthalt langfristig absichert und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht.


HIER GEBLIEBEN! Recht auf Bleiberecht.

Die Forderungen des Flüchtlingsrat Berlin

Eine Bleiberechtsregelung für die langjährig nur „Geduldeten“ ist Teil einer ernstgemeinten Integrationspolitik. Die Potenziale dieser Menschen sollten endlich genutzt werden – im Interesse der Gesellschaft und der betroffenen Menschen. Wir fordern: Langjährig hier lebende Menschen mit Duldung bzw. ohne Aufenthaltsrecht müssen ein Bleiberecht erhalten, das ihren Aufenthalt langfristig absichert und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht.

Dies beinhaltet

  • eine unbeschränkte Arbeits- und Ausbildungserlaubnis
  • das Recht auf Familiennachzug
  • keinerlei Wohnsitz- oder Aufenthaltsbeschränkungen
  • Anspruch auf Kinder- und Erziehungsgeld, BAföG und sonstige Familienleistungen
  • im Bedarfsfall Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG.

Im Hinblick auf die bereits erfolgte Integration der Betroffenen ohne Aufenthaltsperspektive und die Überlastung der Verwaltung sollte das Verfahren unbürokratisch und großzügig gehandhabt werden.

Unsere Forderungen im Einzelnen:

  • Geduldete, sonstige Ausreisepflichtige sowie Asylbewerber, die sich seit mindestens fünf Jahren in Deutschland aufhalten, sollen im Rahmen einer Bleiberechtsregelung ein Aufenthaltsrecht erhalten.
  • Bei Familien, deren Kinder bei der Einreise minderjährig waren oder in Deutschland geboren wurden, sollen drei Jahre Aufenthalt in Deutschland ausreichen. Diese kürzeren Fristen sollen auch für ältere, schwer kranke und behinderte Menschen gelten.
  • Unbegleiteten Minderjährigen soll ein Aufenthaltsrecht gewährt werden, wenn sie sich seit zwei Jahren in Deutschland aufhalten.
  • Traumatisierte Menschen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bleiberechtsregelung in Deutschland aufhalten, sollen sofort ein Aufenthaltsrecht erhalten. Dies ist in vielen Fällen die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Heilungsprozess einsetzen kann und schützt die Betroffenen vor einer Retraumatisierung oder einer schmerzhaften Verlängerung ihres Leidens durch permanente Angst vor der Abschiebung.
  • Menschen, die als Opfer rassistischer Angriffe in Deutschland traumatisiert oder erheblich verletzt wurden, sollen ein Aufenthaltsrecht erhalten. Dies kann den physischen und psychischen Heilungsprozess der Betroffenen unterstützen. Gleichzeitig positioniert sich der Staat gegen die anhaltenden rassistischen Attacken und signalisiert Tätern und Sympathisanten, dass er nicht bereit ist, der dahinterstehenden menschenverachtenden Logik der Einschüchterung und Vertreibung von „Fremden“ zu folgen.

Folgende Kriterien sollen bei der Erteilung zur Anwendung kommen:

  • Die Erteilung eines Bleiberechts darf nicht vom Vorliegen von Arbeit bzw. von Unterhaltssicherung abhängig gemacht werden. Dieser Zusammenhang ist insbesondere deshalb widersinnig, weil vielen Geduldeten der Zugang zum Arbeitsmarkt bekanntermaßen rechtlich bzw. faktisch verwehrt war. Eine Bleiberechtsregelung, die die Chance zu einer Arbeit zunächst eröffnet, anstatt sie vorauszusetzen, setzt als aktive Integrationspolitik Zeichen. Den Betroffenen soll bundesweit die Aufnahme jeder Arbeit ohne Beschränkungen ermöglicht werden. Auch selbstständige Erwerbstätigkeit ist entgegen der bisherigen Praxis zuzulassen. Maßnahmen der Arbeits-, Sprach- und Ausbildungsförderung sind zu gewährleisten.
  • Ein fehlender Pass sowie ein zeitweilig illegaler Aufenthalt darf kein Ausschlussgrund sein.
  • Das Aufenthaltsrecht soll in ein Niederlassungsrecht münden, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist. Weitere Voraussetzungen müssen nicht vorliegen. Bei Alleinerziehenden, Familien mit kleinen Kindern, unbegleiteten Kindern und Jugendlichen, Auszubildenden, alten Menschen, Arbeitsunfähigen, Kranken und Behinderten darf ein eventueller Sozialhilfebezug der Verfestigung des Aufenthalts nicht entgegenstehen.




Roma demonstrieren vor SPD-Koalitionsparteitag für Bleiberecht

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Flüchtlingsrat Berlin unterstützt Forderungen der Roma-Flüchtlinge für ein Bleiberecht


Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 18. Oktober 2002

Kundgebung gegen drohende Abschiebung nach Jugoslawien

Am Sonntag, den 20. Oktober 2002 werden mehrere hundert Roma-Flüchtlinge aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo anlässlich des SPD-Bundesparteitags von 11.00 – 14.00 Uhr vor dem ESTREL-Hotel in Berlin-Neukölln (Sonnenallee 225, Ecke Ziegrastr, S-Bahn Sonnenallee) für ein gesichertes Bleiberecht demonstrieren.

Seit dem 27. April 2002 demonstrieren 500 Roma-Flüchtlinge aus Jugoslawien und dem Kosovo in einem beispiellosen Protestzug ein dauerhaftes Bleiberecht. Trotz teils über zehnjährigen Aufenthalts mit ihren Familien in Deutschland besitzen die Roma nur Bescheinigungen über ihre „Duldung“, womit ihnen in der Regel eine Arbeitserlaubnis und damit auch eine Aufenthaltserlaubnis nach den bisherigen Altfallregelungen für langjährig hier lebende Flüchtlinge verwehrt wurde. Anfang Juni machten sie bei ihrer ersten Protestaktion in Berlin ihre Forderungen öffentlich. Seit vier Monaten leben sie in einem Protestcamp in Düsseldorf.

Der Flüchtlingsrat Berlin unterstützt in diesem Zusammenhang die Kampagne „Hier geblieben! Recht auf Bleiberecht“ von PRO ASYL für eine bundesweite Bleiberechtsregelung für alle Flüchtlinge, die als Familien mit Kindern mehr als 3 Jahre bzw. als Alleinstehende länger als 5 Jahre mit Kettenduldungen hier leben. Die Bleiberechtskampagne wird bundesweit von Flüchtlingsräten, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen unterstützt.

Die Roma-Flüchtlinge wehren sich gegen die drohende Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien und den Kosovo, die nach Unterzeichnung eines neuen Rückführungsabkommens zwischen den Innenministern der BRD und der BR Jugoslawien am 16.09.02 noch beschleunigt werden soll. Auch in Berlin wurden langjährig hier lebende Romafamilien zur Ausreise aufgefordert und teilweise bereits abgeschoben. In Berlin leben 15000 geduldete Flüchtlinge aus Bosnien, Kosovo und Serbien/Montenegro, die Mehrzahl von ihnen sind Roma.

Die Abschiebungen werden der Lage der Roma in Serbien, Montenegro, Bsonien und dem Kosovo in keiner Weise gerecht. Roma leben dort unter zumeist erbärmlichen Umständen unterhalb eines menschenwürdigen Niveaus. Berichte internationaler Organisationen wie UNHCR, UNMIK und amnesty international stimmen darin überein, dass Roma in der BR Jugoslawien, im Kosovo und in Bosnien keinen ausreichenden Zugang zu Wohnung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit und Rechtschutz haben Opfer rassistischer Gewalttaten und Diskriminierungen werden und im Kosovo nur in militärisch geschützten Enklaven leben können.

Die Roma-Familien haben in Deutschland ihre Heimat gefunden. Kinder und Jugendliche, viele von ihnen hier geboren, fühlen sich hier zu Hause und haben eine schulische und berufliche Ausbildung begonnen oder abgeschlossen. Sie sprechen deutsch und romanes, aber kein serbokroatisch oder albanisch. Eine Abschiebung würde bedeuten, sie in eine Situation absoluter Perspektivlosigkeit zurückzustoßen.

Der Flüchtlingsrat Berlin fordert die Bundesregierung erneut auf, noch vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 01.01.2003 eine großzügige und wirksame bundesweite Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge zu ermöglichen, die das Recht auf Arbeit erst gewährt, statt es vorauszusetzen.

Der Flüchtlingsrat hatte im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen Briefe an die Berliner Bundestagsabgeordneten und an die innenpolitischen Sprecher der SPD mit der Bitte um Unterstützung einer solchen Bleiberechtsreglung geschickt. Die nunmehr vorliegende Koalitionsvereinbarung ergeht sich im Bereich Flüchtlings- und Migrationspolitik in Allgemeinplätzen, zählt Maßnahmen auf die im Zuwanderungsgesetz bereits geregelt sind und mündet der Aussage, dass „die Ausreisepflicht von Nicht-Bleibeberechtigten konsequent durchgesetzt wird“. Im Unterschied zur Koalitionsvereinbarung von 1998 ist keine Aussage zur Notwendigkeit einer Bleiberechts- bzw. Altfallregelung enthalten.

Nun liegt es am SPD-Bundesparteitag, hierzu Stellung zu nehmen und entsprechend initiativ zu werden. Mit der Befürwortung einer wirksamen, bundesweiten Bleiberechtsregelung auch für langjährig geduldete Roma Flüchtlinge in der Bundesrepublik würden die Delegierten des SPD-Bundesparteitages nicht zuletzt auch der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands im Hinblick auf die Ermordung von über 500.000 Roma und Sinti in Deutschland und Osteuropa durch die Nazis gerecht werden.

Der Flüchtlingsrat Berlin begrüßt den Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses vom 26.09.02 zu einer Initiative des Innensenators für ein Bleiberecht für Roma auf Bundesebene. Diese muss auf Landesebenevon einem sofortigen Abschiebestopp begleitet werden.

Flüchtlingsrat Berlin
18. Oktober 2002

für Nachfragen zur Roma-Aktion:
Dzoni Sichelschmidt 0178-2836880

Infos zur Roma-Protestkarawane für ein Bleiberecht in Düsseldorf

Hintergrundinfos zu Geschichte und aktueller Lage der Roma:
Appell: Roma und Ashkali aus dem Kosovo weiter Schutz gewähren!
Sinti und Roma – Basisfakten im Überblick





Flüchtlingsrat Berlin fordert großzügige Bleiberechtsregelung

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Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 2. Oktober 2002

Am Tag des Flüchtlings, dem 4. Oktober 2002, lädt der Flüchtlingsrat Berlin gemeinsam mit weiteren Migrantengruppen und Initiativen zu einer Kundgebung von 15.00 – 18.00 Uhr vor der Bundesgeschäftstelle der SPD (Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstrasse 140, Berlin-Kreuzberg) ein.


Wir möchten zum einen auf die Ausgrenzung von Flüchtlingen hinweisen, die sich mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes fortzusetzen wird:

  • Das Asylbewerberleistungsgesetz: Die soziale Ausgrenzung von Flüchtlingen durch Leistungen weit unterhalb der Sozialhilfesätze in Form von Sachleistungen (Chipkarte, Gutscheine) wird mit dem Zuwanderungsgestz auf Personen, die eine Bleiberecht aus humanitären Gründen erhalten, erweitert.
  • Abschiebungshaft: Die Regelungen zur Abschiebungshaft wurden mit dem Zuwanderungsgesetz unverändert übernommen. Flüchtlinge oder Migranten, die nicht über reguläre Aufenthaltstitel verfügen aber keine Straftat begangen haben, werden bis zu 18 Monaten in Verwaltungshaft interniert. Da die Bundesregierung am deutschen Vorbehalt gegen die UN-Kinderrechtskonvention festhält, werden auch Minderjährige (16-18 Jahre) in Abschiebungshaftanstalten gesperrt. Künftig kännen bisher geduldete Flüchtlinge auch in sogenannten Ausreisezentren bei nur minimaler sozialer Versorgung eingewiesen werden, wo sie mit Hilfe von Psychologen zur „freiwilligen Ausreise“ bewegt werden sollen. Die Erfahrungen zeigen, dass der Druck die Betroffenen zwar psychisch und physisch zermürbt, letztlich aber nur wenige abgeschoben wurden.
  • Residenzpflicht: Der Bewegungsradius von Asylbewerbern bleibt eingeschränkt, i.d.R. auf den Landkreis. Wer den Aufenthaltsbereich unerlaubt verlässt, dem droht eine Geld- oder Haftstrafe

Ungeachtet einzelner Fortschritte (Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgungs) befürchtet der Flüchtlingsrat Berlin, dass die ganz große Mehrzahl der 230.000 in Deutschland seit vielen Jahren mit einer „Kettenduldung“ lebenden Flüchtlinge künftig mit einer „Kettenbescheinigung“ über einen noch wesentlich schlechteren Aufenthaltsstatus verfügen wird (Zahlen zur Aufenthaltsdauer siehe Bundestagsdrucksache 14/9926 ).

Der Flüchtlingsrat teilt die Ansicht der Bundeskonferenz der Ausländerbeauftragten, die im Frühjahr des Jahres den Erfolg des Zuwanderungsgesetzes von der Zahl derer abhängig gemacht hat, die an Stelle einer Duldung ein reguläres Aufenthaltsrecht erwerben. Angesichts der Arbeitsmarktlage und des daraus resultierenden zeitlich unbefristeten Arbeitsverbots konnten in Berlin jedoch nur sehr wenige Flüchtlinge von den bisherigen Altfallregelungen profitieren. Für die langjährig in Deutschland geduldeten Flüchtlinge ist die Rückkehr aus humanitären Gründen nicht zumutbar bzw. aus faktischen Gründen unmöglich. In Berlin leben 23.000 Flüchtlinge, darunter 9000 aus dem ehemaligen Jugoslawien – unter ihnen viele Roma –, 6000 aus Bosnien sowie 3000 palästinensische Flüchtlinge mit „Kettenduldungen“, die ihre Integration verhindern.

Der Flüchtlingsrat Berlin fordert von der neuen Bundesregierung vor Inkraftreten des Zuwanderungsgesetzes eine wirksame, großzügige Bleiberechtsregelung für langjährig hier lebende geduldete Flüchtlinge und Asylbewerber. Mit einer solchen Regelung wird nicht zuletzt der zu erwartende Verwaltungsaufwand (Einzelfallprüfungen) bei der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes reduziert.

Das Bleiberecht darf nicht vom Vorliegen eines Arbeitsplatzes abhängig gemacht werden, da das in Berlin bestehende Arbeitsverbot auch langjährig geduldeten Flüchtlingen den Zugang zu Arbeit und Ausbildung verwehrt hat. Das Bleiberecht muss stattdessen erst einmal die rechtliche Möglichkeit einer Arbeits und Ausbildungserlaubnis, des Zugangs zu Maßnahmen der Arbeits-, Sprach- und Ausbildungsförderung schaffen.

Die Sozialdemokratische Partei soll sich gemeinsam mit ihrem Koaltionspartner im Bundestag für eine großzügige und wirksame bundesweite Bleiberechtsregelung für bisher geduldete Flüchtlinge einsetzen. Der Berliner Senat sollte auf der Länderebene (Innenministerkonferenz; Bundesrat) für eine Bleiberechtsregelung initiativ werden und den in Berlin potentiell Betroffenen vorerst Abschiebungschutz gewähren. Die Forderung nach einer großzügigen Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge im Zusammenhang mit dem Inkraftreten des Zuwanderungsgesetzes wird bundesweit von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen unterstützt.

Der Flüchtlingsrat Berlin hat zu vielen Flüchtlingen Kontakt, oft Familien mit hier geborenen und aufgewachsenen Kindern, denen trotz teils über 10jährigen Aufenthalts ein Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis verwehrt werden. Sie müssen endlich ein gesichertes Bleiberecht erhalten, damit sie nicht in einer unwürdigen Warteposition weiter verharren müssen, sondern mit der übrigen Gesellschaft rechtlich gleichgestellt und integriert werden.

Flüchtlingsrat Berlin
2. Oktober 2002





Weltkindertag am 20. September

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Presseerklärung mit National Coalition, PRO ASYL und dem Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge zum Weltkindertag 2002


Scharfe Kritik von National Coalition, PRO ASYL, Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge und dem Flüchtlingsrat Berlin
Rücknahme der Vorbehalte ins 100 Tage Programm jeder neuen Bundesregierung

Aus Anlass des Weltkindertages am 20. September 2002 fordern die National Coalition, PRO ASYL, der Bundesfachverband UMF und der Flüchtlingsrat Berlin e. V. die Bundesregierung mit Nachdruck zur vorbehaltlosen Umsetzung der UN Kinderrechtskonvention und zur Rücknahme der bei der Unterzeichnung der Konvention niedergelegten Vorbehalte auf. Die Bundesregierung hat erst beim Weltkindergipfel im Mai dieses Jahres in New York die schnelle Aufstellung eines nationalen Aktionsplanes angekündigt. Das unterzeichnete Abschlussdokument fordert eine weltweite Verbesserung der Rechte von Kindern. Eine zentrale Forderung ist u.a. auch die Verpflichtung, alle Vorbehalte zurückzunehmen.

Dr. Jörg Maywald, stellv. Sprecher der National Coalition, einem Netzwerk von 100 Nichtregierungsorganisationen unter Rechtsträgerschaft der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, erklärte: „Die Aufrechterhaltung des Vorbehalts führt dazu, dass internationale Standards für Flüchtlingskinder in Deutschland immer noch nicht gelten. Das hat für sie einschneidende negative Folgen: So werden sie bereits mit 16 Jahren nach dem deutschen Ausländerrecht verfahrensmündig; sie können in Abschiebegefängnissen inhaftiert werden; Flüchtlingskinder unterliegen mit ihren Familien auch dem Asylbewerberleistungsgesetz mit seinen restriktiven Bestimmungen; damit sind Gefahren von Mangelernährung, unzureichender medizinischer Versorgung, Ausgrenzung im Erziehungs- und Ausbildungsbereich und Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben verbunden. All dies widerspricht diametral den Artikeln 2 und 3 der UN-Kinderrechtskonvention, in denen ein Nichtdiskriminierungsgebot und der Vorrang des Kindeswohls festgelegt sind.“

Heiko Kauffmann, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, PRO ASYL, übte scharfe Kritik am Umgang der deutschen Politik mit den Problemen von Kinderflüchtlingen: „Dass das Parlament trotz dringenden rechtspolitischen Handlungsbedarfs, trotz dreifacher Aufforderung des deutschen Bundestages, und trotz positiver Entscheidung des Petitionsausschusses in dieser Legislaturperiode noch immer keinen Fortschritt bei der Durchsetzung der völkerrechtlichen Bestimmungen für Flüchtlingskinder verzeichnen konnte, ist für die Parteien insgesamt ein Armutszeugnis. Es ist aber vor allem auch Ausdruck des eklatanten politischen Versagens und der Missachtung des Parlaments durch den zuständigen Bundesinnenminister Otto Schily, der sich dem demokratischen Willen und den Aufforderungen der Volksvertretung versperrte und ihre Entscheidungen konterkarierte“. Der neuerliche Vorstoß des Landes Bayern im Rechtsausschuss zur Verfestigung der Vorbehalte zur Kinderrechtskonvention treibe diesen kinderfeindlichen und völkerrechtswidrigen Kurs auf die Spitze. „Wer Flüchtlingskindern ihnen zustehende Rechte verweigert oder noch weiter einschränken will, dessen Integrationsversprechen sind unglaubwürdig. Wahlkampf auf Kosten von Kindern zu führen, ist unerträglich“ so Kauffmann.

Albert Riedelsheimer, Sprecher des Bundesfachverbandes UMF, nannte die Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundesrates vom 6. September, die Vorbehalte nicht zurückzunehmen „einen herben Rückschlag, bei dem Versuch, die überfällige Umsetzung der entsprechenden Bundestagsbeschlüsse voranzutreiben“. Wie notwendig die Verwirklichung von Kinderrechten ist, machen skandalöse Entwicklungen in diesem Jahr deutlich: in Hamburg finden willkürliche Altersfestsetzungen von Minderjährigen mit fatalen Folgen statt; in Berlin sitzen weiterhin Flüchtlingskinder ohne Eltern in Abschiebehaft; in Bayern droht Minderjährigen im Rahmen des Dubliner Übereinkommens die Kettenabschiebung nach Afghanistan; Hamburg plant die Errichtung des ersten Abschiebegefängnisses für Flüchtlingskinder in Deutschland. Diese Beispiele sind nur die Spitze des Eisberges. Das Festhalten an den Vorbehalten bezeichnete Riedelsheimer als „kinderrechtspolitischen Skandal“.

Der Vertreter des Flüchtlingsrates Berlin Siegfried Pöppel und die Vertreter der anderen Organisationen kündigten verstärkte Initiativen und Aktionen zur Durchsetzung der Kinderrechtskonvention und zur Rücknahme der Vorbehalte durch die Kinder – Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen in der neuen Legislaturperiode an: „Die Rücknahme der Vorbehalte bleibt auf der politischen Tagesordnung und gehört in das 100 Tage Programm jeder neuen Bundesregierung“, so Dr. Jörg Maywald abschließend.





„Wir können das Europa der Zukunft hier beginnen“

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Pressemitteilung vom okumenischen Friedensnetz

„Wir können das Europa der Zukunft hier beginnen“


Pressemitteilung, 25.7.2002:

„Wir können das Europa der Zukunft hier beginnen“

Im Düsseldorfer Roma-Camp zeigten Kirchenleute, Politiker, Friedensbewegte und Prominente deutliche Solidarität

Kurzfristig hatten vor allem Kirchenleute, Friedensgruppen, zwei Asyl-Organisationen und das Obdachlosenmagazin fiftyfifty zur Solidarität mit den 500 Roma auf dem Flinger Schützenplatz eingeladen. Malen für die Kinder beim Stand der ev. Kirche, Trinken, Essen, miteinander reden und ein großes Kreisforum bildeten den Rahmen. Fast 200 Düsseldorfer kamen zu diesem Fest der Begegnung von 18 bis 22 Uhr. Hinzu gesellte sich Prominenz, darunter der Schriftsteller Günter Wallraff, die Künstler Peter Royen, Prof. Wilfrid Polke und Claudia Rogge, der Lebenskünstler Peter von der Kö, Stadtsuperintendentin Cornelia Osswald und ihr Vorgänger Gerhard Gericke, Franziskanerbruder Matthäus und Dominikanerpater Wolfgang Sieffert. Sie alle erklärten inmitten eines großen Kreisforums ihre deutliche Sympathie: „Wir wollen Euch hier im Land haben, ja wir brauchen euch als Menschen!“ Hubert Ostendorf kam von einem Wohnungslosentreffen mit dem ausdrücklichen Auftrag, die Solidarität der Ärmsten in der Stadt zu überbringen. Am späten Abend waren sich alle Initiatoren einig: Hier geht es um mehr als um politische Aktion. Dies war ein wunderbares Fest und wirkliche Begegnung zwischen unterschiedlichsten Menschen.

Kritik am Oberbürgermeister seitens der Anwohner
Unter den anwesenden Politikern stellte sich auch Anneliese Böcker (CDU) den kritischen Fragen. Sie erhielt zwar keine Zustimmung für ihre vorgetragenen Positionen, wurde aber für ihre Bereitschaft zum Zuhören gelobt. Im Vorfeld hatte die ev. Stadtsuperintendentin Cornelia Osswald in einem sehr kritischen Brief die Gesprächs- und Hilfsbereitschaft des Oberbürgermeisters Erwin (CDU) eingefordert. ­ Ihr kam auch wegen des praktischen Engagements herzliche Sympathie von allen Seiten entgegen. ­ Auf dem Fest wurde nun auch seitens der Anwohner die Kritik am Stadtoberhaupt bestätigt. Ein Initiator der Unterschriftenliste gegen die Umstände des Roma-Camps richtete sich über Mikrofon an die Roma: „Wir haben nichts gegen Euch. Ihr seid Menschen wie wir. Doch wir möchten für alle Seiten gute Verhältnisse auf dem Platz. Das fordern wir von der Politik und vor allem vom Oberbürgermeister ein!“ Die Ärgernisse, so formulierten andere Anwohner, ließen sich doch ganz praktisch lösen: „Müssen denn alle Toiletten zusammen ausgerechnet in der Nähe anliegender Häuser aufgestellt werden?“ Dass sich gerade viele kritische Anwohner inmitten des Festes zu Wort meldeten und sich für Gespräche öffneten, werten die Initiatoren als großen Erfolg. Ein jugendlicher Romavertreter sprach eine herzliche Einladung aus: „Kommt zu uns auf den Platz. Spielt Fußball mit uns. Wir können uns doch kennen lernen!“

Appell an den Innenminister aus den Reihen der SPD
Ratsfrau Marion Enke teilte mit, SPD, Grüne und die regierende FDP hätten den Oberbürgermeister zum Einlenken aufgefordert. Immer wieder wurde neben den kommunalpolitischen Verantwortungsträgern im Düsseldorfer Rat der Innenminister in den Beiträgen genannt. Er sei Ansprechpartner für jene Abschiebungspolitik, die wie ein Damoklesschwert über den mehr als 500 Roma schwebt. Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Flingerbroich, H.-W. Schuster, forderte den „Genossen Fritz Behrens“ in einem Offenen Brief vom 24.7. auf, die „Forderungen der Roma als berechtigt anzuerkennen und dafür Sorge zu tragen, dass es zu keiner weiteren Abschiebung mehr kommt.“
Eines der Transparente am Hellweg verkündet: „Roma sind auch Europäer!“ Daran knüpfte Roma-Sprecher Dzoni Sichelschmidt an: „Mittlerweile leben 15 Millionen Roma in Europa. Es gibt kaum eine Minderheit, über die man so wenig weiß und über die man gleichzeitig so viele Vorurteile pflegt. Das geht seit mehr als 500 Jahren so. In dieser Kette steht die Entscheidung des NRW-Innenministers, Kinder und Jugendliche, die hier geboren sind, die deutschsprachig aufwachsen und die hier deutsche Freunde haben, abzuschieben und damit gute Pflanzungen der Integration einfach auszureißen. Genau hier liegt aber eine große Chance, das Europa der Zukunft heute zeichenhaft vorwegzunehmen!“ Das müsste offiziell in der Asylpolitik kein Problem sein. Deutschland könnte die Roma ­ mit Blick auf die realen Verhältnisse in den Herkunftsgebieten der Flüchtlinge ­ endlich als Minderheit anerkennen.

Kein Blick in die Geschichte?
In der kleinen Zeltausstellung vor Ort erläuterte Frau Mirkowitsch vom „Roma-Center of Integration“ für alle Interessierten Wegmarken einer langen Geschichte. Mehr als eine halbe Millionen Sinti und Roma wurden von den Nazis ermordet, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den deutsch besetzten Gebieten Europas. Dazu gehörten auch Teile des ehemaligen Jugoslawiens, dem Herkunftsland der Düsseldorfer Roma. Dazu heißt es in einem Brief des Innenministeriums vom 19.7. an den Flüchtlingsrat Ratingen wörtlich, „historische Begebenheiten“ könnten „keine Grundlage für eine Bleiberechtsregelung“ sein. Auch dazu nahm Dzoni Sichelschmidt von der Roma-Union Stellung: „Die Geschichte der Nazi-Verfolgung ist heute in der Tat kein zwingendes Argument. Hier lebt eine andere deutsche Generation in einem anderen deutschen Staat. Doch die Geschichte bildet einen Hintergrund, vor dem Landes- und Kommunalpolitiker eine besondere Sensibilität wie bei anderen Verfolgungsgruppen auch zeigen könnten. Eine Bereitschaft zum Zuhören und praktische Gesten vor Ort wären ein deutliches Zeichen.“

Wir sind die Beschenkten
Zum Schluss des langen Abends fanden sich fast alle Besucher in den Worten der ev. Stadtsuperintendentin wieder: „Nicht wir waren hier die Gastgeber. Wir waren heute Gäste, die durch herzliche Menschlichkeit beschenkt worden sind.“

Hinweis:
Digitale Fotos des Abends und des Prominenten-Camps können Sie per Mail bei Hubert Ostendorf (Fiftyfifty) anfordern: fiftyfifty@zakk.de

Verantwortlich für diese Presseerklärung ­ im Auftrag der beteiligten Initiatoren:
Peter Bürger, Lichtstr. 47, 40235 Düsseldorf
post@oekumenisches-friedensnetz.de
(Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen)





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