Flüchtlinge zu Weihnachten ohne Geld und Kleidung
Für die Unterbringung und Sozialhilfe für Asylsuchende ist die Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) des Landesamtes für Gesundheit und Soziales zuständig. Seit Monaten erhalten in Berlin neu ankommende Flüchtlinge dort nicht mehr das ihnen zustehende Bargeld und auch keine Kleidung. Der Flüchtlingsrat fordert Sozialsenatorin Bluhm auf, diese rechtswidrige Praxis sofort zu unterbinden.
Asylsuchende dürfen nicht arbeiten und erhalten deshalb Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese wurden seit 1993 nicht mehr an die Preisentwicklung angepasst und liegen bei Erwachsenen inzwischen um 37 %, bei Kindern um bis zu 47 % unterhalb der Hartz-IV Regelsätze.[1]
Unterkunft, Verpflegung und Kleidung werden in den ersten Monaten als Sachleistungen gewährt. Für den gesamten persönlichen Bedarf (Fahrgeld, Telefon, Schulmaterial für Kinder, sonstige ergänzende Bedarfe) sieht das Gesetz einen auf 40 Euro/Monat, für Kinder auf 20 Euro/Monat gekürzten Barbetrag als „Taschengeld“ vor. Im Vergleich zum Anteil für den persönlichen Bedarf im ALG II-Regelsatz ist dieser Betrag bei Erwachsenen um 68 %, bei Kindern um bis zu 83 % gekürzt.[2]
Es ist ein Skandal, dass die ZLA neu ankommenden Flüchtlinge selbst die minimalsten Leistungen wochenlang vorenthält. Erst nach 4 bis 6 Wochen, beim zweiten Sozialamtstermin, erhalten Flüchtlinge das ihnen nach dem Gesetz zustehende Taschengeld und Kleidungsgutscheine.
Während der vorweihnachtliche Konsum auf Hochtouren läuft, können neu angekommene Flüchtlinge weder telefonieren noch legal U-Bahn fahren – von Weihnachtsgeschenken ganz zu schweigen. Sie werden zum Schwarzfahren genötigt, wenn sie zum Arzt müssen, ihre Kinder bei der Schule anmelden oder ihren Rechtsanwalt aufsuchen müssen. Die Flüchtlinge erhalten Fahrscheine nur für die Asylanhörung, für eine Untersuchung auf Tuberkulose und für den nächsten Sozialamtstermin.
Viele Flüchtlinge kommen mit ungeeigneter Kleidung nach Berlin und haben nur ein einziges Paar Schuhe, das bei den derzeitigen Wetterverhältnissen ständig durchnässt ist. Winterkleidung erhalten sie erst nach 4 – 6 Wochen. Auch Kinder werden nicht mit dem Nötigsten versorgt.
Georg Classen, Sozialrechtsexperte des Flüchtlingsrats Berlin: „Es ist für uns absolut unverständlich, dass neu ankommende Schutz suchenden Flüchtlinge, die beim LAGeSo als Asylsuchende registriert werden, dort nur die Kostenübernahme für ein Wohnheim erhalten, ihnen aber Kleidung und Bargeld verweigert werden.“
Sozialsenatorin Bluhm und Staatsekretär Fritsch ist dieser Missstand mindestens seit Mitte November 2010 bekannt.
„Wir fordern Senatorin Bluhm auf umgehend sicherzustellen, dass die in Berlin neu ankommenden Flüchtlingen die ihnen zustehenden Mindestleistungen erhalten! Zudem soll sie mindestens für die Dauer der Sachleistungsversorgung die Kosten für ein Sozialticket der BVG übernehmen, damit die Asylsuchenden nicht mehr zum Schwarzfahren genötigt werden“, so Classen weiter.[3]
Pressekontakt:
Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel: 030 / 243445762
Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel: 030 / 69564992
[1] Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit der Neufestsetzung der Hartz IV Regelsätze eingeräumt, dass auch die Leistungen nach dem AsylbLG nicht den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts an ein menschenwürdiges Existenzminimum entsprechen und ebenfalls neu berechnet werden müssten (vgl. BT-Drs. 17/3660 v. 10.11.2010; SZ vom 17.11.2010)
[2] Vgl. Flüchtlingsrat Berlin, Stellungnahme für das BMAS zum Sachleistungsprinzip des AsylbLG, Dezember 2010, FRBerlin_Doku_AsylbLG_Evaluation.pdf (pdf 6,5 MB)
[3] Die Kosten von 33,50 €/Monat für das Sozialticket können nach § 6 AsylbLG als „sonstige Leistung“ übernommen werden. Dies ist ab 8 Einzelfahrten hin und zurück günstiger als Einzelfahrscheine.