Veröffentlicht am 14.01.2005

Lösungen für Härtefälle ersetzen keine Bleiberechtsregelung

Presseerklärung des Flüchtlingsrates Berlin vom 14.01.2005


Am 13. Januar 2005 fand die erste Sitzung der neu berufenen Härtefallkommission statt.
Für die bereits seit 1990 in Berlin arbeitende Härtefallkommission gibt es mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes (§ 23a Aufenthaltsgesetz) zum 01.01.2005 erstmals eine gesetzliche Grundlage. Das Aufenthaltsgesetz sieht außerdem vor, dass die Mitglieder der Kommission auch Vorschläge für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen einreichen können, die von den dafür vorgesehenen gesetzlichen Regelungen abweichen.
Diese gesetzliche Neuregelung wird vom Flüchtlingsrat ausdrücklich begrüßt.

Die Härtefallkommission kann Lösungen nur im Einzelfall treffen. Für die meisten der in Berlin langjährig hier lebenden Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Angola oder der Türkei könnte aber eine großzügige Bleiberechtsregelung eine sichere Perspektive bieten und die Abschiebung in eine auswegslose Situation verhindern. Der Flüchtlingsrat fordert den Berliner Innensenator Dr. Ehrhart Körting auf, entsprechende Initiativen auf Bundesebene weiterhin zu ergreifen.

Die in Folge geschilderten Beispiele von Abschiebungen bzw. Abschiebungsandrohungen betroffener Flüchtlinge verdeutlichen, dass eine Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge mit langjährigem Aufenthalt ein dringendes Erfordernis bleibt. Eine Vorgriffsregelung für potentielle ausländerrechtliche Härtefälle hätte bei den im Zeitraum August – Dezember 2004 dokumentierten Einzelfällen zu einer vorläufigen Aussetzung der Abschiebung führen können. Diese Regelung hatte der Innensenator leider nicht erlassen. Ungeachtet der absolut gesunkenen Zahlen durchgeführter Abschiebungen stieg so der Anteil abgeschobener Flüchtlinge, die sich seit langem in Berlin aufhielten.

Flüchtlingsrat Berlin,
14.01.2005

Anlage

Beispiele für Abschiebungen

August 2004:
Die Polizei holt die 13jährige Tania R. aus dem Unterricht, um die Abschiebung durchzuführen. Ihr Vater und ihre ältere 16jährige Schwester werden nach Bosnien abgeschoben. Tania und ihre Mutter bleiben aufgrund gestellter Asylanträge in Berlin. Die Schulklasse von Tania protestiert öffentlich gegen deren drohende Abschiebung.

Saud H. wird aus der Abschiebungshaft nach Bosnien abgeschoben. Seine Frau und die drei minderjährigen Kinder verbleiben in Berlin.
Beide Familien lebten seit 11 Jahren in Berlin.

November 2004
Cefsere V. – die 26jährige Tochter eines ehemaligen Gastarbeiters (seit 1969 in Deutschland) – wird in Abschiebungshaft genommen. Sie floh mit ihrem Bruder und ihrer Mutter nach Kriegsausbruch (1998) im Kosovo nach Deutschland. Eine Familienzusammenführung ist nach deutschem Ausländerrecht nur im Fall von Ehepartnern und minderjährigen Kindern (bis zum 16. Lebensjahr) möglich. Cefsere wurde zwischenzeitlich aus der Haft entlassen und bleibt von Abschiebung bedroht.

Nazri R. wird – nachdem er sich seit August 2004 in Abschiebungshaft befand – in den Kosovo abgeschoben. Er lebte seit 1989 in Berlin. Da er von seiner Frau und seinen drei Kindern getrennt wurde, widersprach die UNMIK in Pristina der Rückführung. Aus Sicht der UN-Verwaltung verstieß die Abschiebung gegen internationales Recht. Nach zwischenzeitlicher Inhaftierung in Frankfurt/Main konnte der 55jährige wieder nach Berlin zurückkehren.

Die Geschwisterkinder, Mimozi , geb. 1997, und Mergim E., geb. 1993, wurden am 10.11. 2004 im Beisein der Mutter der Kinder, aus ihren Klassen der Humboldthain-Grundschule in Berlin-Mitte heraus von der Ausländerpolizei in Abschiebegewahrsam genommen. Die alleinstehende Frau wurde mit ihren drei Kindern in den Kosovo abgeschoben.
Von Seiten der Berliner Innenverwaltung hieß es dazu, dass es sich nicht immer vermeiden lässt, dass die Kinder aus der Schule geholt werden.

Dezember 2004
Die schwer behinderte Bosnierin Rabija R. wird ungeachtet der gesundheitlichen Probleme (epileptische Anfälle) abgeschoben. Ihr in Berlin lebender Bruder ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und hätte sich um sie sorgen können.

Das ältere bosnische Ehepaar Memmuna und Omer H. soll in Abschiebungshaft genommen werden. Wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes sind sie nicht haftfähig und müssen in einer Klinik be-handelt werden. Der Arbeitgeber ihrer Söhne macht den Fall öffentlich. Die Abschiebung kann wegen der Anmeldung bei der Härtefallkommission vorerst ausgesetzt werden. Die bosnischen Flüchtlinge leben seit 1994 in Berlin.

Am Nikolaustag werden die 13jährige Lejla und und ihre 11jährige Schwester Emina S. aus der Schule zwecks Durchführung der Abschiebung abgeholt. Zuvor wurden ihre Eltern und ihre volljährige Schwester auf der Ausländerbehörde festgenommen. Die bosnische Familie lebt seit 1994 in Berlin. Die Kinder werden wie ihre ältere Schwester entlassen. Die Eltern mussten die Feiertage im Abschiebungsgewahrsam verbringen und verblieben dort bis zum 13.01.2005. Die Familie bleibt von Abschiebung bedroht.





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