Veröffentlicht am 23.12.2005

Berlin: Weihnachtsgeschenk Abschiebung – Protestbriefe für Bleiberecht

Härtefallkommission empfiehlt Aufenthaltserlaubnis –
Innensenator will dennoch abschieben


JOG (Jugendliche ohne Grenzen)
Hier Geblieben – Aktionsprogramm
Flüchtlingsrat Berlin
GRIPS Theater Berlin
www.hier.geblieben.net
23.12.2005

Wir bitten Sie um Unterstützung für
die Familien Sopjani, Syla und Olcay,
für Junior, Yanga und Sascha
und für eine humanitäre Bleiberechtsregelung

Liebe Kinder, liebe Jugendliche, sehr gehrte Damen und Herren,

Wieder möchten wir auf fünf dramatische Fälle, die stellvertretend für den unmenschliche Umgang der deutschen „Abschiebebehörden“ stehen, aufmerksam machen.

In den fünf Fällen hat sich die Härtefallkommission für einen gesicherten Aufenthalt ausgesprochen, der Innensenator ist dem Ersuchen der Härtefallkommission nicht gefolgt. Den Betroffenen droht somit die Abschiebung.

Deshalb bitten wir Sie, den folgenden offenen Brief an den Berliner Innensenator Dr. Ehrhart Körting zu unterzeichnen und sich weiter für ein Bleiberecht und die vollständige Achtung der UNO-Kinderrechte einzusetzen.

Bitte faxen oder mailen Sie den folgenden Brief direkt an Herrn Dr. Ehrhart Körting und schicken sie auch uns eine Kopie an das Berliner Beratungszentrum für Flüchtlinge.

Informationen über die Situation der betroffenen Familien haben wir beigefügt.

Philipp Harpain – GRIPS Theater
Jens Uwe Thomas – Flüchtlingsrat Berlin – Rückfragen Tel. 030-243445762
Aysegül Yakut, Paimana Heydar, Cahid Ablat – JOG

Brief bitte senden an:

Innensenator
Dr. Ehrhart Körting
Klosterstr. 47, 10179 Berlin
Fax: 9027-2715 oder 9027-2733
E-Mail: poststelle@seninn.verwalt-berlin.de

Und eine Kopie bitte an:

Beratung, Unterstützung und Betreuung
von jungen Flüchtlingen (BBZ)
Turmstraße 73, 10551 Berlin-Tiergarten
Fax: 66640724
E-Mail: info@hier.geblieben.net

Wir bitte Sie um Unterstützung für
die Familien Sopjanis, Syla und Olcay,
sowie Junior, Yanga und Sascha

Für eine humanitäre Bleiberechtsregelung

Familie Syla lebt seit 1997 in Berlin. Sie musste damals wegen des sich anbahnenden Krieges im Kosovo ihr Zuhause verlassen. Der Vater flüchtete 1993 und wurde 1994 als politisch Verfolgter anerkannt. Kurz vor Ausbruch des Krieges versuchte er, seine Familie auf legalem Wege nachzuholen. Als das nicht gelang, flüchtete die Mutter mit ihren vier noch minderjährigen Kindern und dem 18jährigen Sohn Not gedrungen ohne Erlaubnis zu ihrem Vater nach Deutschland.

Um dem drohenden Krieg zu entkommen und legal hier zu leben, mussten sie einen Asylantrag stellen, der jedoch abgelehnt wurde, mit der Begründung, dass keine politische Verfolgung vorliege.

Alle Kinder besuchten die Schule und machten ihre Ausbildung und Abschlüsse. Da ihre Ausreise ausgesetzt wurde, stellte die Familie 2005 einen Antrag bei der Härtefallkommission. Die Empfehlung der Härtefallkommission für die Erteilung eines Aufenthaltes wurde von der Senatsinnenverwaltung abgelehnt. Lediglich die Mutter erhielt einen Aufenthalt. Für die Kinder wurde die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis nicht näher begründet. Der Rest der Familie soll von Vater und Mutter getrennt leben und in den Kosovo abgeschoben werden. Familie Syla wandte sich deshalb an den Petitionsausschuss, der nun eine positive Regelung empfiehlt.

Dennoch will Senator Körting den Empfehlungen nicht folgen.

Familie Olcay reiste 1989 aus Kurdistan/Türkei nach Deutschland ein. Sie floh vor den ersten militärischen Auseinandersetzungen mit dem türkischen Militär, die sich in der gesamten Süd-Ost Türkei anbahnten („Politik der verbrannten Erde“). Sie hatte zu dem damaligen Zeitpunkt zwei minderjährige Kinder im Alter von zwei und drei Jahren. Die Familie stellte in Niedersachsen einen Asylantrag, der prompt abgelehnt wurde. Man legte den Olcays nahe, unter anderem Namen einen erneuten Asylantrag zu stellen, als Kurden aus dem Libanon.

1994 stellte jedoch die Ausländerbehörde Berlin fest, dass die Angaben bezüglich der Identität der Familie nicht stimmten. Nach mehreren weiteren abgelehnten Asylverfahren lebt die Familie nun seit mehr als 16 Jahren in Deutschland. Die jüngsten Kinder, Gülbahar, Mesut, Halime und Gülcan sind in Deutschland geboren. Die Familie wandte sich an die Härtefallkommission. Der Aufenthalt wurde von den Kommissionsmitgliedern befürwortet, da der Vater inzwischen die Familie verlassen hat, um in der Türkei eine neue Familie zu gründen. Die Innenverwaltung lehnte trotzdem die Empfehlung der Härtefallkommission ab und befürwortet nur für die älteste Tochter einen Aufenthalt. Diese macht zur Zeit eine Ausbildung.

Junior Sone Enang, geb. 1990 und Yanga Ayuk, geb. 1987

Die beiden Jugendlichen, die vor ca. einem Jahr durch die Inhaftierung der Mutter plötzlich und unerwartet von einem Tag zum anderen von ihr getrennt wurden und nun von Abschiebung bedroht sind, leben seit einigen Monaten in einem Wohnprojekt.

Bei Yanga Ayuk und Junior Sone Engang handelt es sich um zwei junge Leute, die prinzipiell optimistisch in die Zukunft blicken, mit beiden Beinen im Leben stehen, gut in die bundesrepublikanische Gesellschaft integriert sind und ganz konkrete Zukunftsperspektiven in diesem Land, was sie mittlerweile als ihre Heimat betrachten, haben.

In Ausbildung und Schule sind beide engagiert und erbringen gute Leistungen. Sie werden von ihren MitschülerInnen als sehr sozial wahrgenommen. Junior beispielsweise ist in seiner Schule Streitschlichter. Beide sind in und außerhalb der Schule sehr beliebt und haben einen großen Freundeskreis.

Von der Härtefallkomission befürwortet, von Herrn Körting am 22.12.05 abgelehnt.

Die Kinder beider Familien, sowie Junior und Yanga sind entweder hier geboren oder haben mindestens mehr als die Hälfte ihres Lebens in Berlin verbracht. Berlin ist ihr Zuhause. Bei vielen Kindern und Jugendlichen beider Familien ist Deutsch die erste Sprache geworden. Ihr Lebensmittelpunkt ist hier. Bis sie in ihren so genannten Herkunftsländern Fuß fassen würden, würde es viele Jahre dauern und ob sie dort eine Zukunft haben, ist sehr zweifelhaft.

Daher bitten wir Sie, sich für ein Bleiberecht für die Familien und Junior und Yanga einzusetzen. Sie unterstützen die Zukunft vieler Menschen, indem Sie die Petition unterzeichnen, die an den Senat für Inneres geschickt wird.

Kurzfristig erreichten uns noch zwei Fälle, die wir im Folgenden dokumentieren:

Nach 14 Jahren zurück in den Kosovo
Der Tagesspiegel vom 22.12.2005

Albanischer Familie Sopjanis droht die Abschiebung
Flüchtlingsvertreter protestieren

Seit 1991 lebt die albanische Flüchtlingsfamilie aus dem Kosovo in Berlin. Jetzt sollen die Sopjanis – Mutter Ajshe (48) und zwei Kinder – abgeschoben werden. Der 24-jährige Sohn leidet unter epileptischen Anfällen und ist wegen geistiger Behinderung als schwerbehindert anerkannt. Die 15-jährige Tochter besucht in Berlin die Hauptschule, wie Eva Weber von der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration sagt, einem Verein, der sich seit langem für Flüchtlinge einsetzt.

Weber und andere haben sich vor Gericht, beim Petitionsausschuss und bei der Verwaltung von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dafür eingesetzt, dass die dreiköpfige Familie aus humanitären Gründen hier bleiben darf – bislang erfolglos. Jetzt befürchtet die Flüchtlingsberaterin, dass die Familie schon in den nächsten Tagen abgeschoben werden könnte, in ein Land, das sie vor 14 Jahren wegen des Bürgerkrieges verlassen hat und in dem sie laut Weber weder eine Unterkunft noch Behandlungsmöglichkeiten hätte. Aus der Innenverwaltung war wegen der kurzfristigen Anfrage gestern zu dem konkreten Fall keine Stellungnahme zu bekommen.

Das Problem der Sopjanis dürfte unter anderem sein, dass sie nicht gerade eine Vorzeigefamilie sind, die sich vorbildlich integriert hat und dem Staat keine Kosten verursacht. Die Mutter und ihre drei Kinder – eine dritte, 25-jährige Tochter hat laut Weber wegen einer Diabeteserkrankungein Aufenthaltsrecht – leben von Sozialhilfe, der Sohn braucht die ständige Betreuung durch die Familie. Seit kurzem ist die Mutter wegen eines Suizidversuchs in stationärer Behandlung, den Weber auf die drohende Ausweisung und traumatische Erlebnisse im Bürgerkrieg zurückführt. Der Vater, der laut Weber die Familie zu Jahresbeginn verlassen hat und mit einer anderen Frau im Kosovo lebt, war früher wegen illegaler Hütchenspiele verurteilt worden. „Das darf kein Grund sein, die ganze Familie zu stigmatisieren und zu bestrafen“, sagt Weber.

Insgesamt ist die Zahl der Abschiebungen vergangenes Jahr gesunken. Betroffen waren meist Menschen wie die Sopjanis – Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien. lvt

Innensenator lehnt ab – Noch vor Weihnachten soll Sascha abgeschoben werden.

Pressemitteilung des Jesuiten-Fluechtlingsdienstes
Berlin, 22. Dezember 2005

Alle Bemühungen um den Verbleib von Sascha Jovanovic in Berlin scheinen gescheitert. Das einstimmige Votum der Härtfallkommission hatte ihm noch Hoffnung gegeben, nicht in das ihm fremde Serbien-Montenegro zurück zu müssen. Doch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zeigt sich davon unbeeindruckt: Ein Tag vor Weihnachten droht dem 18-jährigen nun die Abschiebung.

Sascha Jovanovic kam im Alter von sechs Jahren nach Deutschland, das für ihn inzwischen zur Heimat geworden ist. Seine Mutter hat er gar nicht kennen gelernt, sein Vater, Alkoholiker, kümmerte sich nicht um ihn. Stattdessen versorgte ihn seine Tante und nahm ihn mit nach Deutschland. Deutsch spricht er fließend, Serbisch dagegen kaum noch. Familiäre Kontakte in sein Heimatland hat er gar nicht.

Alle seine Freunde leben hier. Vor allem in seinem Verein. Denn seit seinem zehnten Lebensjahr spielt Sascha leidenschaftlich gern Fußball. Bei NNW 98 in Wedding, den Reinickendorfer Füchsen e.V. und zuletzt bei Steglitz Gencler Birligi SK hat er gespielt – immerhin in der Regionalliga. Er sei ein guter Spieler, und auch menschlich habe er sich in kurzer Zeit dort integriert, bestätigt der Verein: „Wir würden gern sehen, dass er weiterhin bei uns Fußball spielen kann!“ Und sein Trainer hatte sogar besondere Pläne für Sascha, wollte ihn in ein eigenes Förderprogramm aufnehmen. Außerdem wollte Sascha seinen Hauptschulabschluss nachholen. „Nun ist nicht nur meine Fußballkarriere beendet, ich weiß nicht einmal, wo ich in Belgrad hingehen soll, wenn ich abgeschoben werde,“ klagt er verzweifelt, nachdem er von der Ablehnung erfahren hat.

Im Gegensatz zu seiner Tante, die einen unbefristeten Aufenthalt in Deutschland hat, bekam Sascha immer nur eine Duldung. Seit Anfang November sitzt er nun in der Abschiebehaft in Köpenick. Der dort tätige Seelsorger setzte sich dafür ein, dass die Härtefallkommission des Landes Berlin sich mit Saschas Fall beschäftigte. Die Kommission begutachtet Fälle von Flüchtlingen, die rein nach Rechtslage das Land verlassen müssten, für deren Bleiberecht aber außerordentliche Gründe geltend gemacht werden können. Im Falle von Sascha votierte sie einstimmig für ein Bleiberecht. Doch letztlich muss der Innensenator Körting entscheiden, ob die Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden. Das Gesuch um einen humanitären Aufenthalt in Deutschland lehnte Körting jetzt jedoch ab. Ebenso das für seinen Cousin, den Sohn seiner Tante. Heute teilte die Polizei Sascha mit, dass seine Abschiebung für den morgigen Freitag um 17 Uhr geplant ist.

Für Sascha und seine Tante bleibt jetzt nur noch die Hoffnung, dass ihre Appelle an die Menschlichkeit in letzter Minute vielleicht noch fruchten.

Protestbrief

An Innensenator Dr. Ehrhart Körting
Klosterstr. 47, 10179 Berlin
Fax: 9027-2715 oder -2733
E-Mail: poststelle@seninn.verwalt-berlin.de

Sehr geehrter Herr Dr. Körting,

wir fordern Sie hiermit auf, in den Fällen der Familien Sopjani, Syla und Olcay, sowie Junior Sone Enang, seiner Schwester Yanga Ayuk als auch Sascha Jovanovic den Empfehlungen der Härtefallkommission bzw. des Petitionsausschusses nachzukommen und den betroffenen Familienmitgliedern einen gesicherten Aufenthalt zu gewähren.

In der Härtefallkommission arbeitet ein kompetentes Team von Fachleuten, um die Lebenssituation und Perspektiven von Einzelpersonen und Familien einzuschützen und zu beurteilen. Deshalb halten wir es für richtig, dem Votum der Härtefallkommission, in der Regel zu folgen. Viele Betroffene, die sich an die Härtekommission wenden, könnten von einer Bleiberechtsregelung profitieren, für die Sie sich ebenfalls engagiert einsetzen. Bis zur Verabschiedung einer solchen großzügigen Regelung sollte auf Berliner Ebene ein Abschiebestopp verabschiedet werden.

Am 19.01.2006 wird der Deutsche Bundestag sich in erster Lesung mit einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer Bleiberechtsregelung befassen. Damit wäre für einen Abschiebestopp eine hinreichende Entscheidungsgrundlage gegeben. Wir bitten Sie außerdem, das Zuwanderungsgesetz auf Landesebene noch großzügiger anzuwenden, als es bisher der Fall ist.

Wir fordern Sie auf: Setzen Sie sich auch weiterhin für ein großzügiges Bleiberecht und die vollständige Umsetzung der UNO Kinderrechte – ohne Vorbehalt – ein.

Für ein Abschiebefreies 2006

Name
Organisation/Anschrift
Datum, Unterschrift
download Protestbrief.doc
Bitte schicken Sie den Brief selbst per Fax oder mail an den Senator, Kopie an das BBZ, Fax 66640724, Mail info@hier.geblieben.net

TAZ Berlin 23.12.05: Integriert und ausgewiesen
TAZ Berlin 23.12.05: „Die Entscheidung liegt beim Innensenator“





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