Veröffentlicht am 18.03.2010

Flüchtingsräte fordern Moratorium bei Residenzpflichtverstößen

Gemeinsame Pressemitteilung der Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg vom 18. März 2010

Zum Internationalen Antirassismustag am 21. März fordern die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg von den Landesregierungen, Verstöße gegen die sogenannte Residenzpflicht für Flüchtlinge nicht mehr zu verfolgen. Es ist nicht zu verantworten, Menschen auf Grundlage eines Gesetzes, das in Berlin und Brandenburg bald nicht mehr gelten soll, weiter zu bestrafen. Die einzige Lösung ist ein Moratorium der Strafverfolgung bis zur gesetzlichen Neuregelung.


In ihren jeweiligen Koalitionsverträgen bekannten sich die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg dazu, die Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete abzuschaffen. Nach dieser in Europa einmaligen Regelung ist es Flüchtlingen verboten, ihren Landkreis ohne Erlaubnis der Behörden zu verlassen. Eine Fahrt von Brandenburg nach Berlin kann zu einer Straftat werden. Derzeit prüfen die Regierungen in Brandenburg und Berlin die Möglichkeiten einer Zusammenlegung beider Residenzpflichtbereiche.

Durch den Brandenburger Koalitionsvertrag sowie durch die Berichterstattung in Teilen der Medien ist unter den Betroffenen der irrtümliche Eindruck entstanden, die Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit sei schon aufgehoben (Siehe Anhang). Obwohl dem nicht so ist und die Aufhebung bisher u.a. am Widerstand des Berliner Innensenators scheiterte, können sich die Betroffenen nach Ansicht der Flüchtlingsräte auf einen „Erlaubnisirrtum“ berufen. Denn vorsätzlich können sie gegen das Gesetz gar nicht mehr verstoßen. Zudem spricht ein weiterer Umstand für eine Strafaussetzung: Auch im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung wurde eine Lockerung der Residenzpflicht für arbeitende Flüchtlinge angekündigt.

„Es ist völlig unsinnig, Menschen auf Grundlage eines Gesetzes zu bestrafen, dessen Änderung bereits angekündigt wurde“, sagt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin. Aus diesem Grund ist ein sofortiges Moratorium, also eine Aussetzung der Strafverfolgung bis zur Gesetzesänderung, unausweichlich. Polizei, Staatsanwaltschaften und Ausländerbehörden sind in diesem Sinne anzuweisen. „Zudem müssen die beiden Landesregierungen nun rasch die angekündigte Aufhebung der Residenzpflicht umsetzen und sich auch auf Bundesebene für eine zügige Abschaffung dieses rassistischen Sondergesetzes stark machen“, so Mauer weiter.

Presseberichte über die Abschaffung der Residenzpflicht:

Ursache der voreiligen Hoffnungen waren Presseberichte, die die Abschaffung der umstrittenen Residenzpflicht bereits als Tatsache darstellten. In der »Märkischen Allgemeinen« vom 3. November letzten Jahres wird Günter Baaske, Brandenburgs Sozialminister, mit den Worten zitiert, mit der CDU sei die Aufhebung der Residenzpflicht zwischen Berlin und Brandenburg nicht umsetzbar gewesen, mit der Linken schon. In der »taz« vom 6. November war zu lesen: »Sobald die neue rot-rote Landesregierung in Potsdam die Regierungsgeschäfte übernommen hat, sollen sich Asylbewerber in beiden Ländern frei bewegen können. Das erklärten Brandenburgs designierter Sozialminister Günter Baaske (SPD) und Berlins Linken-Fraktionschef Udo Wolf übereinstimmend der taz.« Die »taz« vermeldete am 6. November, dass mit der neuen rot-roten Regierung die Residenzpflicht abgeschafft wird. »Auch Reisen nach Berlin sind künftig jederzeit möglich.« Im »Neuen Deutschland« vom 10. November ist vom Fraktionschef der Linken in Berlin, Udo Wolf, zu erfahren: »An Berlin wird diese Vereinbarung nicht scheitern, […] ›Beide Koalitionsverträge, die wir mit der SPD geschlossen haben, sahen das bereits vor. Aber Innensenator Körting (SPD) hat von seinem CDU-Amtskollegen Jörg Schönbohm in Brandenburg bisher immer einen Korb bekommen.‹«

Bekräftigt wurde der Eindruck der bereits erfolgten Abschaffung durch einen Artikel im »Neuen Deutschland« vom 16. Februar diesen Jahres, wonach es Thomas Nord, der Landesvorsitzende der Brandenburger Linken, als einen der ersten Erfolge linker Regierungspolitik ansehe, dass »die Residenzpflicht für Asylbewerber abgeschafft« worden sei. Ein öffentliches Dementi erfolgte nicht.

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Siehe dazu auch:

Pressemitteilung vom 22.02.2010: Anhörung zur Residenzpflicht im Berliner Abgeordnetenhaus mit Rechtsgutachten der Expertinnen sowie Presseberichten zur Anhörung,

und

Pressemitteilung vom 26.02.2010: VG Halle/Saale: Verlassensgebühren entbehren Rechtsgrundlage mit dem Gerichtsurteil im Wortlaut.





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