Wohnungen für Asylsuchende
Senatorin Bluhm und städtische Wohnungsunternehmen unterzeichnen Kooperationsvertrag über 275 Wohnungen/Jahr
Anbei
1. Pressemitteilung der Berliner Senatssozialverwaltung,
2. ergänzende Infos, und
3. offene Fragen dazu.
Update: Das LaGeSo hat eine Infoseite „Wohnungen für Flüchtlinge (WfF)“ erstellt, mit Link zum Vertrag:
www.berlin.de/lageso/soziales/wohnungen/index.html
1. Wohnungen für Flüchtlinge – Senatorin Bluhm und städtische Wohnungsunternehmen unterzeichnen Kooperationsvertrag
http://www.berlin.de/sen/ias/presse/archiv/20110728.0915.352671.html
Pressemitteilung
Berlin, den 28.07.2011
Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales teilt mit:
Die städtischen Wohnungsunternehmen stellen zusätzlichen Wohnraum für Flüchtlinge bereit. Darauf haben sie sich mit Sozialsenatorin Carola Bluhm verständigt. Mit einem festen Kontingent von jährlich 275 Wohnungen wollen sie dazu beitragen, dass Flüchtlinge in Berlin möglichst schnell eigene Wohnungen beziehen können.
Asylsuchende müssen die ersten sechs Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung verbringen – das ist bundesgesetzlich festgelegt – und können danach in ein Wohnheim oder in eine eigene Wohnung ziehen.
In den vergangenen Monaten ist es angesichts gestiegener Flüchtlingszahlen und einem angespannteren Wohnungsmarkt für Asylsuchende schwieriger geworden, eine Wohnung auf dem freien Markt zu finden. Insgesamt 125 Einzimmer- und 150 Mehrzimmerwohnungen werden die sechs großen städtischen Wohnungsgesellschaften WBM, degewo, GESOBAU, STADT UND LAND, GEWOBAG sowie HOWOGE nun bereitstellen.
Sozialsenatorin Bluhm: „Selbstverständlich können Flüchtlinge weiter selbst eine Wohnung suchen. Ich bin aber sehr froh, dass wir diese Vereinbarung geschlossen haben und dass sich unsere landeseigenen Wohnungsgesellschaften hier engagieren. Von dem zusätzlichen festen Angebot werden insbesondere auch Familien profitieren. Ich hoffe sehr, dass auch andere Vermieter diesem Beispiel folgen und dass die Bereitschaft steigt, Wohnungen an Asylsuchende zu vermieten.“
Der Berliner Senat verfolgt seit Jahren das Ziel, Flüchtlinge in eigenen Wohnungen unterzubringen. Von 2010 durchschnittlich monatlich 2.152 durch das Land betreuten Asylbewerberinnen und –bewerber lebten rund 50 Prozent in einer eigenen Wohnung.
2010 ist die Zahl der Asylbewerberinnen und -bewerber in Deutschland angestiegen. Nach Berlin kamen im Jahr 2010 insgesamt 1.963 Personen, 2009 waren es 1.350, 2008 insgesamt 1.076. In der ersten Hälfte des Jahres 2011 haben 978 Menschen in Berlin Asyl beantragt. Die meisten Asylbewerber, die 2010 nach Berlin kamen, stammen aus Vietnam, gefolgt von der Russischen Föderation, Serbien, Afghanistan, Iran und Irak.
2. Ergänzende Infos
Auf Nachfrage konnten wir bei der Senatssozialverwaltung und beim LaGeSo folgendes erfahren:
1. Die Vermittlung der angebotenen Wohnungen läuft zunächst über die normalen ZLA-Leistungs-Sachbearbeiter des LaGeSo,
http://www.berlin.de/lageso/soziales/asyl/index.html
die ggf. den Wohnbedarf an den dortigen Sozialdienst für Asylbewerber beim LaGeSo weitergeben, der – soweit dort überhaupt entsprechende Wohnungsangebote vorliegen – diese dann nach Wohnungsangebot, Bedarf und Dringlichkeit im Einzelfall usw. vermitteln soll.
2. Die Wohnungen werden nur über die ZLA/LaGeSo an Asylbewerber vermittelt, nicht jedoch über die Bezirksämter. Flüchtlinge mit Duldung usw., die AsylbLG-Leistungen von den Sozialämtern der Bezirksämter erhalten, können daher nicht berücksichtigt werden.
3. Es handelt sich um reguläre Wohnungsmietverträge nach BGB, mit allen normalen Mieterrechten und -pflichten.
4. Eine laufende Sozialbetreuung ist nicht vorgesehen, da man davon ausgeht, dass Asylbewerber – anders als ggf. zB der Personenkreis mit „besonderen sozialen Schwierigkeiten“ nach § 67 SGB XII, an den sich das „Geschützte Marktsegment“ des LaGeSo richtet – grundsätzlich in der Lage sind, eigenständig in einer Wohnung zu leben und ihre entsprechenden vertraglichen Pflichten zu erfüllen.
Sollte es allerdings zu Problemen mit dem Vermieter kommen, weil der Mieter gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt (z.B. Mietschulden, unangemessener Lärm, etc.), soll der Vermieter zunächst das LaGeSo informieren, damit dieses zunächst den Sozialdienst des LaGeSo hinzuziehen kann, um auf diesem Wege nach Möglichkeit aufkommende Konflikte zu klären und z.B. eine Kündigung zu vermeiden.
5. Die beteiligten städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen jährlich 275 Wohnungen bereitstellen. Diese Wohnungen sollen allerdings sukzessive bereitgestellt werden und stehen also nicht sämtlich schon zum Stichtag des Inkrafttretens des Vertrags bereit. Es bleibt auch zu beobachten, wie viele Wohnungen im Rahmen des Kooperationsvertrags im Ergebnis tatsächlich an Asylbewerber vergeben werden. Beim „geschützten Marktsegemt“ wurde die dort vereinbarte Zahl von jährlich 1.350 Wohnungen immer nur zum Teil erfüllt.
6. Der Kooperationsvertrag mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften orientiert sich inhaltlich offenbar weitgehend am im Internet veröffentlichten Kooperationsvertrag über das „Geschützte Marktsegment“, über das Wohnungen für Personen mit „besonderen sozialen Schwierigkeiten“ (= längerfristig Obdachlose, Haftentlassene usw.) bereitgestellt werden: www.berlin.de/lageso/soziales/marktsegment/index.html
Die vom Senat privatisierte GSW beteiligt sich – anders als beim Geschützten Marktsegment – mit ihren 50.000 Wohnungen im Rahmen ihrer vorgeblichen „Corporate Social Responsibility„ allerdings nicht am Kooperationsvertrag zur Wohnungsvergabe an Asylsuchende.
7. Im Übrigen gelten wie bisher die Ausführungsvorschriften über die Anmietung von Wohnraum durch Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz („AV Wohn-AsylbLG“) sowie die auch nach SGB II/XII maßgeblichen (derzeit in Überarbeitung befindlichen) Mietobergrenzen nach der „AV Wohnen„.
3. Offene Fragen:
Der Kooperationsvertrag ist aus Sicht des Flüchtlingsrates sehr zu begrüßen und – wenn er wie vorgesehen funktioniert – auch ein wichtiger Schritt nach vorn. Da die 275 Wohnungen allerdings zweifellos nicht ausreichen, sind Asylsuchende auch weiterhin darauf angewiesen, eigenständig intensiv nach Wohnungen zu suchen. Auf unsere in dem Zusammenhang gestellten Forderungen gibt es bisher leider noch keine zufriedenstellenden Antworten der Senatssozialverwaltung:
* Rechtsverbindliche Mietkostenübernahmebescheinigungen (beispielsweise wie beim BA Kreuzberg, Muster siehe unsere Stellungnahme zu Wohnungen statt Sammellagern Seite 17) zur Vorlage beim Vermieter statt unverbindlicher Infoschreiben von der ZLA (Muster siehe Seite 15/16),
* Übernahme von Mietkautionen auch für AsylbLG-Berechtigte statt ablehnender Informationen der ZLA (Muster siehe Seite 15/16), analog der auch für Hartz IV Empfänger maßgeblichen Berliner Regelungen (siehe Muster 7.3.2.): „In der Regel ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung des Berliner Wohnungsmarktes eine Wohnung für Hilfeempfangende ohne die Zusicherung oder Zustimmung zur Übernahme von Genossenschaftsanteilen als Wohnungsbeschaffungskosten und/oder einer Mietkaution in angemessenem Zeitraum nicht gefunden werden kann.“ Zwar werden in der Praxis in „besonders begründeten Einzelfällen“ auch von der ZLA Mietkautionen übernommen, in deren Infoschreiben für Asylbewerber wird allerdings das Gegenteil vermittelt.
* Die längst überfällige Anpassung der Mietobergrenzen, die für AsylbLG- und Hartz IV-Empfänger in Berlin gleichermaßen gelten, und die trotz massiver Mietsteigerungen seit 1.1.2005 weitgehend unverändert sind. Eine neue Rechtsverordnung zu den Mietobergrenzen nach SGB II/XII soll zwar in Arbeit sein, liegt aber bisher noch nicht vor.
Siehe zur aktuellen Situation der Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin und der 2003 vom Senat beschlossenen Regelung zur Anmietung von Wohnungen nach AsylbLG ausführlich unsere Stellungnahme zur Anhörung im Abgeordnetenhaus von Berlin am 20.01.2011 zum Thema
„Flüchtlingsunterbringung in Lagern – unwürdig und teuer. Flüchtlinge in Wohnungen unterbringen!“