BAföG Rechtsprechung

Wichtiger Hinweis

Die Rechtslage hat sich inzwischen zu Gunsten der Betroffenen verbessert. Der Personenkreis Nichtdeutscher mit Anspruch auf BAföG und BAB wurde deutlich ausgeweitet. Soweit kein Anspruch auf BAföG und BAB besteht, sind nunmehr ggf auch Leistungen nach AsylbLG möglich.
Zur Rechtslage Stand Oktober 2019 gibt es eine Übersicht der GGUA.

 

Rechtsprechung zum Härtefall nach § 7 Abs. 2 Satz 5 SGB II wg. Vertrauensschutz

Anerkannte Härtefälle:

Die Rechtsprechung leitet aus einer begonnenen, durch öffentliche Stellen anfinanzierten Ausbildung ggf. einen Anspruch auf Weiterförderung im Rahmen eines Härtefalles ab:

LSG Hessen L 9 AS 14/05 ER B.v. 11.08.05, ZFSH/SGB 2005, 672 www.sozialgerichtsbarkeit.de sowohl über die Härtefallregelung (§ 7 Abs. 5 SGB II) wie auch über § 34 SGB X (Zusicherung) auch bei Übergang der Zuständigkeit auf einen anderen Leistungsträger (hier: vom BSHG zum SGB II) Möglichkeiten, die Fortsetzung einer begonnenen Ausbildung über das SGB II zu finanzieren und dadurch den Ansprüchen des Vertrauensschutzes gerecht werden (hier: Studium für eine alleinerziehende Mutter mit 4 Kindern, von denen das jüngste 6 Jahre alt ist).

LSG Hamburg L 5 B 256/05 ER AS B.v. 24.11.05 www.sozialgerichtsbarkeit.de Pflicht zur Weitergewährung der nach BSHG in Anerkennung eines Härtefalls bewilligten Leistungen für afghanische Studierende mit Aufenthaltsbefugnis bzw. Niederlassungserlaubnis nach § 26 IV AufenthG. Das LSG sieht aufgrund der nach BSHG als Härtefall aufgenommenen Förderung einen Härtefall i. S. d. § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II. Es ist unerheblich, dass die auf der Erlasslage in Hamburg beruhende Förderung nach BSHG durch die Rspr. der OVG zum Härtefall nach § 26 BSHG nicht gedeckt war. Die Antragsteller haben ihr Studium aber in der legitimen Hoffnung aufgenommen, dafür eine gesicherte finanzielle Grundlage zu haben. Ohne den Übergang vom BSHG zum SGB II wäre die Sozialhilfe weitergezahlt worden. Die Antragsteller haben im Vertrauen auf die Förderung bereits nennenswerte Anstrengungen im Studium unternommen. Bei dieser Sachlage ist es ihnen nicht zuzumuten, das Studium abzubrechen und auf den Ertrag ihrer Anstrengungen zu verzichten.

LSG Niedersachsen-Bremen L 8 AS 36/05 ER, B.v. 14.04.05, FEVS 2005, 511 www.sozialgerichtsbarkeit.de Härtefall i. S. d. § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II, wenn die finanzielle Grundlage für die Ausbildung, die zuvor gesichert war, entfallen ist (hier: Wegfall der Förderung nach BSHG; Erhöhung der Unterkunftskosten durch Auszug der Freundin), sofern dies vom Hilfesuchenden nicht zu vertreten ist, die Ausbildung schon fortgeschritten ist und der Hilfesuchende begründete Aussicht hat, nach der Ausbildung eine Erwerbstätigkeit ausüben zu können (für eine nach dem SGB III förderungsfähige, zu einem Drittel absolvierte berufliche Ausbildung). Es ist nicht im Sinne des Gebotes für erwerbsfähige Hilfebedürftige, ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einzusetzen (§ 2 Abs. 2 SGB II), wenn bedürftige junge Menschen daran gehindert werden, Bildungsziele anzustreben und damit die Voraussetzungen für eine effektivere Einsetzung ihrer Arbeitskraft zu schaffen.

SG Hannover S 31 AS 132/06 ER, B.v. 09.03.06 Anspruch auf Leistungen als Darlehen nach § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II wegen besonderer Härte für einen türkischen Staatsangehörigen, der seit 2004 die Berufsfachschule Technik besucht, und diese Ausbildung dem Grunde nach BAföG förderungsfähig ist. Vom Bezug des BAföG ist er lediglich deshalb ausgeschlossen, weil er die besonderen Voraussetzungen für ausländische Auszubildende nach § 8 BAföG nicht erfüllt.
Der Antragsteller lebte seit Jahren in Jugendhilfeeinrichtungen. Ihm wurden bis Oktober 2005  Leistungen nach SGB VIII einschließlich Hilfe zum Lebensunterhalt und Miete gewährt. Sein allein sorgeberechtigter Vater war in Deutschland 1997 untergetaucht, wurde in der Türkei zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, und befand sich dort bis zu seinem Tod im November 2005 in Strafhaft. Seine Mutter lebt in der Türkei. Er erhält deshalb auch ein Kindergeld.

Eine besonderen Härte ist zu bejahen, wenn die zuvor gesicherte finanzielle Grundlage für eine Aus-bildung entfallen ist, der Auszubildende dies nicht zu vertreten hat, die Ausbildung schon fortgeschritten ist und die begründete Aussicht besteht, dass die Notlage des Hilfe Suchenden nur vorübergehend ist (OVG Lüne-burg 4 M 6332/95, B.v. 29.09.95, FEVS 46, 422 ff).

Für den Bereich des SGB II haben sich dieser Rechtsprechung u.a. das LSG Nds-Bremen L 8 AS- 36/05, B.v. 14.04.05, FEVS 56, 511, das LSG Hessen K 9 AS 14/05 ER, B.v. 11.08.05, ZFSH/SGB 2006, 672 und das LSG Hamburg L 5 B 256/05 ER, B.v. 24.11.05 sowie L 5 B 396/05 ER AS, B.v. 02.02.06 angeschlossen. Danach ist der Begriff der besonderen Härte in § 7 Abs. 5 SGB II mit Rücksicht auf die in § 1 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II genann-te Zielvorstellung des Gesetzgebers auszulegen, Hilfebedürftige bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu un-terstützen und sie in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Für die Ar-beitsmarktintegration ist ein qualifizierter Ausbildungsabschluss besonders bedeutsam. Deshalb wäre für den Antragsteller ein durch die Verweigerung der Leistungen zum Lebensunterhalt zum jetzigen Zeitpunkt erzwungener Abbruch des Schulbesuchs unzumutbar.

Kein Härtefall für Flüchtlinge, selbst wenn sie ohne Eltern sind:

LSG Berlin Brandenburg L 10 AS 545/06, U.v. 07.07.06 www.sozialgerichtsbarkeit.de Revision beim BSG anhängig. Kein Anspruch auf ALG II, auch nicht als Darlehen, für eine 18jährige, seit 5 Jahren in Deutschland lebende, als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling eingereiste Jugendliche aus Sierra Leone mit Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, weil sie eine schulische Berufsausbildung macht, die dem Grunde nach nach BAföG förderungsfähig wäre.

Die vom Land Berlin zuvor gewährte Jugendhilfemaßnahme sowie die Agentur für Arbeit (Berufsberatung) hatten die Jugendliche intensiv im Hinblick auf einen aufzunehmende Berufsausbildung betreut. Das Jobcenter hatte die Jugendliche zunächst – entgegen § 63 SGB III – in eine berufsvorbereitende Maßnahme zugewiesen und hierfür ALG II gewährt. Ihr Wechsel von der Maßnahme in die Berufsausbildung wurde vom Jobcenter ausdrücklich genehmigt, zwei Monate später jedoch überraschend das ALG II unter Verweis auf das leistungsrechtliche Ausbil-dungsverbot des § 7 Abs. 5 SGB II eingestellt. Die Jugendliche wurde vom Jobcenter zum Abbruch der Be-rufsausbildung aufgefordert, für diesen Fall wurde ihr ALG II als Zuschuss angeboten. Irgendwelche alternative Arbeits- oder Ausbildungsangebote hat ihr das Jobcenter – entgegen § 3 Abs. 2 SGB II –  nicht unterbreitet.

Da unbekannt ist, ob und wo ihre Eltern noch leben, kann sie für diese auch keine 3 Jahre Erwerbstätigkeit in Deutschland  nachweisen. Mangels 5jähriger eigener Erwerbstätigkeit vor Beginn der Ausbildung besteht somit kein Anspruch auf BAföG (§ 8 Abs. 2 BAföG), auch der Aufenthaltstitel vermittelt keinen Anspruch (§ 8 Abs. 1 BAföG).

Das LSG konnte hierin weder einen besonderen Härtefall (§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II)  noch aufgrund der zuvor geförderten Vorbereitung und Aufnahme der Berufsausbildung u.a. durch das Jobcenter Gründe für einen Vertrauensschutz erkennen.

LSG NRW L 19 B 20/06 AS ER, B.v. 23.08.2006 www.sozialgerichtsbarkeit.de Keine Leistungen – auch nicht im Wege der Härtefallregelung – nach SGB II als Härtefall für eine 20jährige mit Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die als Vollwaise nach Deutschland gekommen ist, weil sie eine eine schulische Berufsausbildung zur Kinderpflegerin absolviert. Die Antragstellerin ist nicht mehr krankenversichert und es sind Mietrückstände von 1434,20 €aufgelaufen.

Das SG hatte eine besondere Härte anerkannt, weil die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine betriebliche Ausbildungsstelle nicht haben vermitteln können und aktuell nicht anbieten könne. In dieser Situation könne von der Antragstellerin nicht verlangt werden, ihre Ausbildung abzubrechen, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, da die aufgenommene Ausbildung den Ausbildungsstand der Antragstellerin verbessere und so schon allgemein ihre Vermittlungschancen erhöhe.

Ein besonderer Härtefall liegt auch nicht aus den vom Sozialgericht genannten Gründen vor. Im Übrigen würde durch diese Argumentation eine mit den Leistungsausschlüssen nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II/8 BAföG verbundene Zielsetzung des Gesetzgebers nahezu regelmäßig umgangen. Denn von fast jeder Ausbildung lässt sich annehmen, dass sie persönlich nützlicher ist als das bloßes Abwarten eines Arbeits- oder Ausbildungsangebotes sowie, dass der Absolvent der Ausbildung nach deren Abschluss qualifizierter ist als vorher.

Eine besondere Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II kann zur Überzeugung des Senats auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Antragstellerin bislang nicht zu dem vom BAföG erfassten Personenkreis zählt. Denn die Härte rührt insoweit, wie vorab dargelegt, aus der gesetzgeberischen Entscheidung her, den von den Regelungen der Ausbildungsförderung begünstigten Personenkreis zu bestimmen. Darüber hinaus ist auch nicht zu erwarten, dass die Umsetzung der sog. Qualifikationsrichtlinie – Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (Amtsblatt L 304/12 vom 30.09.2004) – eine für die Antragstellerin günstigere Position bringen wird, da nach Nr. 31 der Erwägungen dieser Richtlinien diese nicht für finanzielle Zuwendungen gilt, die von den Mitgliedsstaaten zur Förderung der „allgemeinen und beruflichen Ausbildung“ gewährt werden.

Zusammenstellung:
Georg Classen, April 2007
www.fluechtlingsrat-berlin.de



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