Veröffentlicht am 11.08.2004

Abschiebungen nach Bosnien – Ausländerpolitik mit der Brechstange

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 11. August 2004
Berliner Ausländerbehörde nimmt bei Abschiebung nach Bosnien Trennung von Familien in Kauf


Die Berliner Ausländerbehörde hat offenbar jegliches Augenmaß bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht von Flüchtlingen verloren. Dem Flüchtlingsrat Berlin liegen Berichte zu zwei bosnischen Familien vor, die durch Abschiebungen nach Bosnien-Herzegowina am heutigen Tag getrennt wurden. In beiden Fällen haben die Betroffenen schon seit Jahren in Berlin gelebt.

Fall 1

Saud H. wurde bei der Vorsprache auf der Ausländerbehörde am 16.07.2004 inhaftiert und heute nach Sarajevo abgeschoben. Er wurde von seiner Frau und den beiden Kindern getrennt. Der Familienvater befand sich wegen einer vorliegenden Traumatisierung in therapeutischer Behandlung. Ungeachtet der Meldung auf der Ausländerbehörde wurde er im Abschiebungshaft genommen, obwohl klar war, dass er den Auflagen der Behörde Folge leistet. Die Familie wurde über die geplante Abschiebung im Unwissen gelassen.

Fall 2

Nach über 11 Jahren Aufenthalt in Deutschland wurde heute auch die Familie R. aus Bosnien mit der Abschiebung des Ehemannes und Vaters sowie der älteren Tochter getrennt. In Berlin sind die Mutter und die jängere Tochter verblieben. Ihre Schwester, hatte gestern ihren ersten Schultag in der 8. Klasse an der Fritz-Karsen-Oberschule in Berlin-Neukölln. Sie wurde von Polizeibeamten zwecks Durchführung der Abschiebung aus der Schule abgeholt und gemeinsam mit dem Vater abgeschoben. Mutter und jüngere Tochter können nach Stellung eines Asylantrages vorerst nicht abgeschoben werden. Sie sollen aber das Asylverfahren außerhalb Berlin, in Nordrhein-Westfalen, durchführen, obwohl sie in Berlin seit Jahren wohnen und hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben.

Die beiden geschilderten Fälle zeugen von einem restriktiven Vorgehen der Ausländerbehörde, die der Durchsetzung der Ausreisepflicht von Flüchtlingen Vorrang bei Achtung ihrer Menschen- und Grundrechte einräumt. Der Flüchtlingsrat Berlin fordert die Leitung der Ausländerbehörde diese Praxis sofort zu beenden und insbesondere im Fall von Familien auf zwangsweise Abschiebungen und Abschiebungshaft zu verzichten. Im Fall einer drohenden Trennung von Familien sind Abschiebungen sofort abzubrechen. In diesem Zusammenhang erwartet der Flüchtlingsrat auch entsprechendes Handeln von der zuständigen Senatsverwaltung. Zunehmend sind in Berlin Menschen von Abschiebungen betroffen, die seit Jahren wie die genannten bosnischen Familien hier leben, deren Kinder z.B. die Schule besuchen oder gar in Berlin geboren wurden. Der Flüchtlingsrat Berlin macht darauf aufmerksam, dass es nach der Einigung über das Zuwanderungsgesetz weiter dringlich geboten ist, eine bundesweite großzügige Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge mit langjährigem Aufenthalt anzunehmen. Entsprechend seines parlamentarischen Auftrages sollte sich der Berliner Senat auf Bundesebene für das Zustandekommen einer solchen Regelung einsetzen. Im Vorgriff auf die im Zuwanderungsgesetz enthaltene Härtefallregelung sollten potentiell Betroffene vor Abschiebungen geschützt bleiben. Mit einer entsprechenden Weisung kann der Berliner Innensenator, verhindern, dass durch Abschiebungen wie die am heutigen Tag Tatsachen geschaffen werden, die den Betroffen die Chance nehmen, eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Rahmen der vorgesehenen Härtefallregelung zu erhalten. In beiden Fällen wurde der Flüchtlingsrat von deutschen Bekannten der Flüchtlinge wie z.B. einer Lehrerin über die Abschiebung informiert. Das verdeutlicht, dass das gewaltsame Herausreißen von Menschen aus ihrem bisherigen Lebensumfeld nicht nur die Betroffenen selbst angeht, sondern sich auf das gesamte Klima in unserer Gesellschaft auswirkt.

Für weitere Informationen:
Jens-Uwe Thomas (030/ 24344-5762)

Flüchtlingsrat Berlin Berlin, 11. August





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