Veröffentlicht am 04.07.2017

Irakischer Familienvater von der Polizei erschossen – Bündnis fordert Aufklärung

Gemeinsame Pressemitteilung Flüchtlingsrat Berlin, Reach Out und KOP vom 04.07.2017
Einladung zur Pressekonferenz am 10.07.2017

Am 27.9.2016 wurde Hussam Fadl Hussein, Flüchtling aus dem Irak, bei einem Polizeieinsatz auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft von hinten erschossen. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen die verantwortlichen Polizisten wurde Ende Mai 2017 mit dem Verweis auf Notwehr eingestellt. Dies kommt einem Freispruch der Polizisten gleich, die gezielt und von hinten auf Hussam Fadl Hussein geschossen haben. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), die Beratungsstelle ReachOut und der Flüchtlingsrat Berlin solidarisieren sich mit Familie Fadl Hussein und kritisieren die Einstellung der Ermittlungen. Das Unterstützer*innen-Bündnis fordert lückenlose und öffentliche Aufklärung der tödlichen Polizeigewalt.


Familie Fadl Hussein floh im Jahr 2014 mit drei kleinen Kindern von Bagdad nach Deutschland und lebte seither in einer Berliner Notunterkunft für Flüchtlinge, der Traglufthalle im Stadtteil Moabit. Am 27.09.2016 wurde die kleine Tochter der Familie Fadl Hussein von einem anderen Bewohner im direkten Umfeld der Notunterkunft sexuell missbraucht. Andere Geflüchtete überführten den Täter und übergaben ihn dem Sicherheitspersonal, die Polizei wurde alarmiert.

Der Polizeieinsatz eskalierte, als drei Polizeibeamte auf Hussam, den Vater des missbrauchten Mädchens, schossen, als dieser sich dem Täter zu nähern versucht haben soll. Eine Kugel traf ihn tödlich von hinten. Hussam Fadl Hussein stirbt noch am selben Tag im Krankenhaus. Er wurde im Alter von 29 Jahren von Berliner Polizeibeamten erschossen.

Die Darstellung der Polizei, Hussam Fadl Hussein sei wütend mit einem Messer auf den Täter losgegangen, ermöglicht den Schützen zu behaupten, sie hätten aus Notwehr schießen müssen. Dieser Argumentation ist die Staatsanwaltschaft nun gefolgt und erhebt keine Anklage gegen die Polizisten. Recherchen von Unterstützer*innen wie ReachOut und KOP werfen viele noch offene Fragen zum Tatgeschehen auf, zum Beispiel ob Hussam tatsächlich bewaffnet war. Biplab Basu von ReachOut kritisiert: „Das rassistische Stereotyp des rachsüchtigen, immer mit einem Messer bewaffneten Arabers, das hier konstruiert wurde, macht das Opfer zum Täter. Zeugenaussagen, die Zweifel an dieser Version aufkommen lassen, werden unter den Teppich gekehrt. Selbst manche der Polizisten in dem Einsatz haben kein Verständnis dafür, dass geschossen wurde.“ Er fordert weiter: „Polizei und Justiz dürfen damit nicht durchkommen!“

Katharina Mühlbeyer vom Flüchtlingsrat Berlin sagt: „Dieser katastrophale Polizeieinsatz darf nicht hinter verschlossenen Türen ausermittelt werden. Das von der Polizei kolportierte Bild des ausrastenden Flüchtlings, der zwangsläufig erschossen werden musste, gehört öffentlich hinterfragt. Die Geflüchteten in der Notunterkunft hat diese Polizeigewalt zutiefst erschüttert und verunsichert.“ Zaman Gate, die Ehefrau des Getöteten, ergänzt: „Wir sind vor dem Tod geflohen und fanden nichts als den Tod.” Sie erhofft sich ein Verfahren und öffentliche Unterstützung, um den Tod ihres Mannes aufzuklären. Sie sagt: „Was unserer Familie angetan wurde, darf nicht vergessen werden – die Tochter missbraucht, der Vater erschossen.“

Das Solidaritäts-Bündnis fordert mit Familie Fadl Hussein:

  • Lückenlose Aufklärung der Erschießung von Hussam Fadl Hussein
  • Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft und ein Strafverfahren gegen die Polizeibeamten, die auf Hussam Fadl geschossen haben
  • Die sofortige Suspendierung der beschuldigten Polizisten

Pressekonferenz am 10.7. 2017, 11 Uhr
Ort: Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V., Oranienstr. 34, 10999 Berlin mitReach Out & Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)
Zaman Gate, Ehefrau des getöteten Hussam Fadl Hussein
Kontakt: Biplab Basu, Tel. 030 / 69 56 83 39, biplab_basu@reachoutberlin.de

Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Kontakt: Katharina Mühlbeyer, Tel. 030/22 47 63 11, muehlbeyer@fluechtlingsrat-berlin.de





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