10.07.2017: Kundgebung gegen tödliche Polizeigewalt

Kundgebung Platz der Luftbrücke 6, Polizeipräsidium, Berlin-Tempelhof,

Aufruf farsi   Aufruf arabisch

Hussam Fadl – von der Polizei von hinten erschossen

Wir sind vor dem Tod geflohen und fanden nichts als den Tod.” (Zaman Gate, Ehefrau)


Am 27.9.2016 wurde Hussam Fadl, Flüchtling aus dem Irak, bei einem Polizeieinsatz auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft von hinten erschossen. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen die verantwortlichen Polizisten wurde Ende Mai 2017 mit dem Verweis auf Notwehr eingestellt. Dies kommt einem Freispruch der Polizisten gleich, die gezielt und von hinten auf Hussam Fadl geschossen haben. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), die Beratungsstelle ReachOut und der Flüchtlingsrat Berlin kritisieren die Einstellung der Ermittlungen und rufen gemeinsam mit Familie Fadl zur Kundgebung gegen tödliche Polizeigewalt auf.

Familie Fadl floh im Jahr 2014 mit drei kleinen Kindern von Bagdad nach Deutschland. Auf ihrer Flucht übers Mittelmeer und entlang der Balkanroute erlebten sie, was vielen Geflüchteten zustößt: Hunger, Angst, Ungewissheit, Demütigungen, Behördenwillkür. Endlich in Berlin angekommen, hofften sie auf Sicherheit und die Möglichkeit, ein neues Leben aufzubauen.

Die Familie wurde in einer Notunterkunft für Flüchtlinge, der Traglufthalle im Stadtteil Moabit – dem sogenannten ‚Ballon’ – untergebracht. Sie versuchten, in Deutschland Fuß zu fassen und trotz der fürchterlichen Umstände im Lager die Strapazen und Demütigungen der Flucht zu vergessen. Doch am 27.09.2016 wurde die kleine Tochter der Familie Fadl von einem anderen Bewohner im direkten Umfeld der Notunterkunft sexuell missbraucht. Der mittlerweile verurteilte Täter wurde bei der Tat von Bekannten der Familie überführt und sofort dem Sicherheitspersonal der Unterkunft übergeben.

Nach Recherchen von KOP und ReachOut berichten damals Anwesende, dass sich an dem sonnigen Septembertag viele Bewohner*innen des Lagers draußen vor der Halle aufhielten und sich die Tat zwar schnell rumgesprochen hatte, jedoch trotz allgemeiner Aufregung keiner an Selbstjustiz dachte oder sich dem Täter näherte. Allen war klar, dass dieser nun von Sicherheitspersonal und Polizei behandelt würde, dahin hatten die unmittelbaren Zeugen des Missbrauchs den Mann schließlich eigenhändig übergeben. Zeug*innen berichten auch, dass die vom Sicherheitspersonal alarmierte Polizei mit mehr als 30 Beamt*innen anrückte, das Gelände umstellte, und alle Menschen bleiben mussten, wo sie sind, niemand durfte rein oder rausgehen. Vor Ort wurde der Missbrauchsfall aufgenommen, der Täter und die beiden Zeugen befragt. Die Polizei führte den Täter ab, brachte ihn zu einem Polizeiauto, schloss die Türen, hinter denen der Täter sicher saß. Dann fielen Schüsse.

Fakt ist: Drei Polizeibeamte schossen auf Hussam Fadl, den unbewaffneten Vater des missbrauchten Mädchens, als dieser sich dem Täter zu nähern versucht haben soll. Eine Kugel traf ihn tödlich von hinten. Hussam Fadl stirbt noch am selben Tag im Krankenhaus. Er wurde im Alter von 29 Jahren von Berliner Polizeibeamten von hinten erschossen. Er hinterlässt eine Frau und drei Kinder. Die Version der Polizei: Hussam Fadl sei mit einem Messer auf den Täter losgegangen.

Diese Geschichte ermöglicht den Schützen zu behaupten, sie hätten aus Notwehr geschossen und bedient gleichzeitig das rassistische Stereotyp des‚ aggressiven, stets mit einem Messer bewaffneten Arabers, der nach Rache und Selbstjustiz sinnt’. Später tauchte ein Küchenmesser als ‚Beweismittel’ auf, das die Geschichte der Schützen untermauern soll.

Recherchen von Unterstützer*innen zeichnen ein anderes Bild und werfen viele noch offene Fragen auf – diese müssen öffentlich und vor einem Gericht geklärt werden: Keine*r der Menschen an der Traglufthalle hat das Messer vor Ort gesehen, Zeug*innen bestätigen übereinstimmend, Hussam Fadl sei definitiv unbewaffnet gewesen.

Wir fragen:
Warum haben die Polizisten geschossen? Wen wollten sie schützen? Ihre Kollegen – in deren Richtung sie feuerten? Den Täter – der bereits gesichert im Auto saß? Welche Gefahr stellte Hussam Fadl für wen da?

Wir fordern:
Lückenlose Aufklärung der Erschießung von Hussam Fadl!
Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft und ein Strafverfahren gegen die Polizeibeamten, die auf Hussam Fadl geschossen haben!
Die sofortige Suspendierung der beschuldigten Polizisten!

Erstunterzeichner*innen:
Flüchtlingsrat Berlin e.V.+ KOP-Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt + ReachOut Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt + Afghanisches Kommunikations- und Kulturzentrum e.V. + encourage e.V. + Flüchtlingsrat Brandenburg e.V. + KommMit e.V./Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migranten + KuB-Kontakt- u. Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. + Nordbahngemeinden mit Courage e.V. + One World Berlin Human Rights Film + (Rassismus-)Kritische Migrationsforschung. Repräsentation, Community & Empowerment (Universität Bremen) + Women in Exile e.V. + Sissi FM + Radio F* + Daily Resistance, Zeitung + Mediagruppe O-Platz + DIE LINKE.Neukölln





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