16.10.2015: Asylpaket ist verfassungs- und menschenrechtswidrig
CDU/CSU/SPD und Grüne beschließen am Donnerstag 15.10. und Freitag 16.10.2015 verfassungs- und menschenrechtswidrige Einschränkungen am Existenzminimum für Asylsuchende und Geduldete.
Warum halten wir (unter anderem) diesen Teil des Asylpakets für verfassungs- und menschenrechtswidrig?
Das Gesetz ist verfassungs- und menschenrechtswidrig, weil es gegen die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigen Existenzminimum verstößt. Das BVerfG hat mit Urteil vom 18.07.2012 hierzu festgestellt, vgl. dort Leitsatz 2 und Rn 119, 120:
Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“
Das Asylpaket verstößt gegen Art. 1 und 20 GG, weil es dazu führt, dass asylsuchende und geduldete Menschen völlig ohne Bargeld in Sammellagern untergebracht und nur mit Ernährung und allernötigster medizinischer Betreuung versorgt werden, ohne Leistungen zur selbstbestimmten Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. In diesem Fall ist ein Zustand erreicht, bei dem der Mensch zum reinen Objekt staatlichen Handelns wird, weil er legal überhaupt keine freien Entscheidungen mehr treffen kann.
Vgl. dazu BVerwG v. 24.06.1954, Az. V C 78.54 (zu den Pflichten des Fürsorgeträgers gegenüber dem Bedürftigen): „Der Einzelne ist zwar der öffentlichen Gewalt unterworfen, aber nicht Untertan, sondern Bürger. Darum darf er in der Regel nicht lediglich Gegenstand staatlichen Handelns sein. Er wird vielmehr als selbständige sittlich verantwortliche Persönlichkeit und deshalb als Träger von Rechten und Pflichten anerkannt. Dies muß besonders dann gelten, wenn es um seine Daseinsmöglichkeit geht.“
Das Bundesverwaltungsgericht hat 1986 entschieden (BVerwG 5 C 72.84, U.v. 16.01.86), dass auch nichtsesshafte Alkoholkranke nicht pauschal auf Sachleistungen und ein Taschengeld verwiesen werden dürfen (vorliegend formularmäßig durch die Stadt Stuttgart zwecks Abschreckung angeblich in großer Zahl zuziehender Nichtsesshafter und zur Verhinderung möglichen Missbrauchs durch Mehrfachleistungsbezug). Dem erwachsenen Menschen sei die Möglichkeit zu lassen, im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten. Die Menschenwürde gebiete es daher auch im vorliegenden Fall, die Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich im Ganzen in Geld auszuzahlen.
Selbst Strafgefangene erhalten in Deutschland einen Barbetrag (Taschengeld) zur Pflege ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen und zur soziokulturellen Teilhabe (Information, Kommunikation usw.). Anders künftig Asylsuchende. Ihnen soll jeder Bargeldbedarf für die ersten sechs Monate gestrichen werden, zugleich werden auchn die Lagerpflicht (Verbot privaten Wohnens), Residenzpflicht und Arbeitsverbot auf sechs Monate ausgeweitet. Nur wer es sechs Monate ohne Bargeld im menschenunwürdigen Massenlager aushält, soll noch Asyl erhalten. Vollständiger Entzug jeglichen Bargeldes für legal sich aufhaltende Asylsuchende, das gab es in Deutschland bisher noch nie! Das ist verfassungswidrige Gesetzgebung mit CDU/CSU, SPD und Grünen.
Siehe zum Asylpaket ausführlich auch die Stellungnahme des Flüchtlingsrates für den Innenauschuss des Bundestags vom 11.Oktober 2015.