08.01.2016: Müllers Lagerpolitik – Neue Pläne für das Tempelhofer Feld vorgelegt
Die Berliner Zeitung berichtet heute unter dem beschönigenden Titel „Ein Flüchtlingsdorf für Tempelhof„ ausführlich über die neuen Senatspläne für den Flughafen Tempelhof, dessen Vorfeld und das Tempelhofer Feld.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte in Reaktion auf unsere gemeinsame Pressekonferenz am 04. Januar 2016 mit der Initiative 100 % Tempelhofer Feld und Achitektenverbänden noch am selben Tag die heute in der Berliner Zeitung veröffentlichen Planungen für fünf Blumenhallen auf dem Tempelhofer Feld der Presse übersandt. Die für die Hallen E1 bis E5 angebenen Flächen pro Halle von 4250 m2 für jeweils 700 Personen ergeben nur ~ 6 m2/Person.
Von den 6 m2 sind die Gemeinschaftsflächen abzuziehen, wie Eingangsbereich/Pforte, Flure, WCs und Duschen, MitarbeiterWC, MitarbeiterTeeküche und -Sozialraum, Putzraum, Abstellraum, Verwaltung, Security, Sozialarbeit, Kinderzimmer, Krankenzimmer, Gemeinschaftsraum, Essraum usw. Somit dürften wie auch in den Hangars selbst wieder nur 2 m2 /Person als Wohn/Schlaffläche übrigbleiben. In den ebenfalls übersandten Plänen „Suchraum A/B“ für die Blumenhallen steht demzufolge auch „Schlafbereiche/Kabinen“.
Aus Sicht des Flüchtlingsrats sind diese Pläne des Senats absolut inakzeptabel.
Eingeschränkte Standards sind – wenn überhaupt – allenfalls als kurzfristige Notlösung für wenige Tage etwa für eine spontan notbelegte Turnhalle nachvollziehbar. Es ist aber nicht hinnehmbar, wenn der Berliner Senat mit der Errichtung riesiger Lagerhallen ganz bewusst Neubau-Substandards für Flüchtlingsunterkünfte plant und sich von den in Berlin seit über 30 Jahren geltenden Mindestwohnflächen nach den Qualitätsstandards des LAGeSo für Flüchtlingsunterkünfte von mindestens 6 – 9 m2/Person reine Wohnfläche, zuzüglich der Gemeinschaftsflächen, und den insoweit identischen Maßgaben nach § 7 des Berliner Bau- und Wohnungsaufsichtsgesetzes verabschiedet, um in voller planerischer Absicht Menschen wie Waren auf nur noch 2m2/Person in Blumenhallen zu verstauen.
Der Senat plant auf dem Vorfeld des Flughafens Tempelhof als Teil des Flüchtlingslagers auch den Neubau einer Schule, eines Jobcenter, Sporthallen und eine Großküche. Das würde kein Flüchtlingsdorf, sondern ein Flüchtlingsghetto.
Wozu ein „Jobcenter“, wenn die Menschen nachts in den Hallen nicht schlafen können, ihre Papiere nicht sicher verwahren können, wie soll sich jemand da qualifizieren oder arbeiten gehen? In den Unterkünften auf dem Tempelhofer Feld werden hoch motivierte und qualifizierte geflüchtete Menschen psychisch und physisch zugrunde gerichtet, dauerhaft traumatisert und erwerbsunfähig gemacht.
Wozu Großküchen, wenn es um erwachsene Menschen geht, die selber für sich kochen können und wollen? Kochen und Essen ist das Minimum an selbstbestimmter Alltagsgestaltung für geflüchtete Menschen, das den Menschen durch solche entmündigende Konzepte bewusst genommen wird.
Wozu eine Lagerschule, wo doch der Erwerb der deustchen Sprache im Kontakt mit einheimischen Kindern am besten gelingt? Der Flüchtlingsrat fordert die Aufnahme der geflüchteten Kinder in reguläre Kitas und Schulen. Nur dort kann die Inklusion in die Aufnahmegesellschaft gelingen.
Wozu Sporthallen, wenn anderwo in der Stadt Sporthallen mit Flüchtlingen belegt werden? Es liegt nahe, dass diese Sporthallen in Wahrheit nur als weitere Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollen.
Die geplante Ausweitung des Massenlagers in Tempelhof auf 8500 Menschen soll vom Senat mit sehr viel Geld für Caterer, Betreiber, Gebäude und Infrastruktur finanziert werden. Für solche Unterkünfte werden in Berlin vom Senat nach den aktuell verwendeten Vorverträgen (in Ergebnis handeln die Betreiber meist höhere Sätze aus) an die Betreiber 10 Euro/PersonTag für eine minderwertige Fremdverpflegung gezahlt. Des weiteren zahlt der Senat mindestens 15 Euro/Person/Tag an die Betreiber für Verwaltung, Personal und Gewinn. Zudem zahlt der Senat die Miete und Heizung (hier für die Hangars), die Errichtung der Gebäude auf dem Vorfeld und dem Tempelhofer Feld, sowie die gesamte Ausstattung und Infrastruktur. So kommt man schnell auf Wohnkosten von 1000 Euro/Person/Monat und mehr für eine Wohnfläche von nur 2 m2. Maximaler Aufwand, minimales Ergebnis!
Der Flüchtlingsrat hat bei der Pressekonferenz am 4. Januar 2016 gemeinsam mit Archiutektenverbänden erarbeiteten Stufenplan „Alternativen zu den Massenunterkünften jetzt“ sowie einen ausführlichen 18 Punkteplan mit umfassenden konstruktiven Vorschlägen und Konzepten für Wohnungen statt Lager vorgelegt. Daran sollte der Senat sich orientieren, statt in Tempelhof ein teures, ausgrenzendes und diskriminierendes Massenlager zu errichten!