Veröffentlicht am 22.07.2002

Bundesgrenzschutz leitet asylsuchende Flüchtlinge zur Abschiebungshaft weiter

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 22. Juli 2002
Konzept des Berliner Senates zur Vermeidung von Abschiebungshaft konterkariert


Dem Flüchtlingsrat Berlin wurden wiederholt Fälle von Flüchtlingen bekannt, die trotz bekundeter Asylbegehren von der Polizei festgenommen und in die Abschiebungshaft verbracht wurden. So erfuhr der Flüchtlingsrat Berlin durch den Seelsorger in der Abschiebungshaft, dass eine tschetschenische Familie am 10. Juli 2002 kurz nach ihrer Ankunft in Berlin sich an Beamte des BGS mit einem Asylbegehren gewandt hatte. Dies hatte zur Folge, dass der Ehemann und Vater Mohmad D. verhaftet und in die Abschiebungshaft gebracht wurde. Er wurde von seiner Frau und den beiden 10- und 12jährigen Kindern getrennt, die nach erfolgter Asylantragsstellung nach Bayern (Zirndorf) verteilt wurden. Die Berliner Behörden informierten nicht den Familienvater über den weiteren Verbleib seiner Angehörigen. Mitarbeiter des Flüchtlingsrates und der Deusch-Kaukasischen-Gesellschaft sowie der Seelsorger mußten selbst den Aufenthaltsort der Ehefrau und der beiden Kinder recherchieren. Erst eine Woche nach seiner Verhaftung konnte Mohmad D. darüber durch Freunde in Kenntnis gesetzt werden.

Die Berliner Ausländerbehörde unterließ es auch zu klären, ob der Inhaftierte Asylgründe vortragen wollte. Die zunächst gemachten Angaben zur Flucht der Familie aus Dagestan, aus einer Grenzregion zu Tschetschenien, hätten angesichts eines bestehenden defacto Abschiebestopps des Berliner Senats für tschetschenische Flüchtlinge eine genauere Prüfung durch die Ausländerbehörde verdient. Die Familie stammt aus einem Dorf an der Grenze zu Tschetschenien, das nur von Tschetschenen bewohnt wird und vom Krieg in Tschetschenien direkt betroffen ist. Nach Ansicht des Flüchtlingsrates gehört Mohmad D. zum Personenkreis tschetschenischer Herkunft, der von der aktuellen Weisung des Berliner Senates zur Aussetzung von Abschiebungen erfasst wird. Er ist daher unverzüglich aus der Abschiebungshaft zu entlassen.

Ausländerbehörde, Polizei oder BGS sind rechtlich verpflichtet, Ausländer, die um Asyl nachsuchen, unverzüglich zur zuständigen Aufnahmeeinrichtung weiterzuleiten. Im Fall der tschetschenischen Familie liegt daher ein eindeutiger Rechtsverstoß vor. Ein weiteres Beispiel eines 17jährigen Jugendlichen aus Cote d’Ivoire, der auf einem Polizeiabschnitt um Asyl nachsuchte und trotzdem in Abschiebungsgewahrsam genommen wurde, macht deutlich, dass diese Rechtsverstöße kein Einzelfall sind.

Das Abgeordnetenhaus von Berlin hatte am 27. September 2001 den Senat beauftragt, Schritte zur Vermeidung von Abschiebungshaft einzuleiten. In der entsprechenden Weisung der Senatsverwaltung wird vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Anordnung und beim Vollzug der Abschiebungshaft ausgegangen. Zum 30.06. 2002 lief ein Modellversuch der Senatsverwaltung zur Vermeidung von Abschiebungshaft aus. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass diese Bemühungen durch das Vorgehen der Ausländerbehörde konterkariert werden. Der Flüchtlingsrat erwartet vom Senat, dass er konsequenter als bisher auf die Umsetzungen der erwähnten Weisung gegenüber der Ausländerbehörde drängt. Der zu erstattende Bericht der Senatsverwaltung zur bisherigen Umsetzung des Konzeptes von Vermeidung der Abschiebungshaft sollte allen interessierten Seiten zugänglich gemacht und öffentlich diskutiert werden.

Flüchtlingsrat Berlin
Berlin, 22. Juli 2002





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