Veröffentlicht am 21.05.2002

PE: Die Menschenwürde ist verletzbar

PRESSEERKLÄRUNG (mit der Initiative gegen Abschiebehaft)

Aus Anlass des Tages der Verfassung am 23. Mai stellen der Flüchtlingsrat Berlin und die Initiative gegen Abschiebehaft fest, dass die im Artikel 1 des Grundgesetzes postulierte Würde des Menschen für Flüchtlinge in unserem Land keine Wirkung entfaltet.


Die Menschenwürde von Asylbewerbern, Kriegsflüchtlingen oder illegalisierten Menschen wird nach wie vor in unserem Land verletzt. Als Beispiel hierfür kann die Situation im Berliner
Abschiebungsgewahrsam genannt werden:

Die Abschiebehaft ist oft die letzte Station für Menschen ohne Papiere. Aus Sicht der Initiative gegen Abschiebungshaft und des Flüchtlingsrates Berlin stellt sie eine unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkung dar. Die Betroffenen sitzen nicht wegen einer Straftat hinter Gittern, sondern lediglich zur „Sicherstellung der Abschiebung”. Beide Organisationen setzen sich daher langfristig für die Abschaffung der Abschiebungshaft ein.

Bis zur Abschaffung der Abschiebungshaft fordern der Flüchtlingsrat Berlin und die Initiaitive gegen Abschiebehaft den Senat von Berlin auf, ernsthafte Schritte zu unternehmen, um u.a. auf die Inhaftierung von Jugendlichen unter 18 Jahren, von Schwangeren und Behinderten zu verzichten. Die Abschiebungshaft darf nicht als Passbeschaffungs- oder Beugehaft instrumentalisiert werden.

Bei der Verwirklichung dieser Forderungen kann auf einen Beschluss des Abgeordnetenhauses vom September 2001 zur Verbesserung der Situation im Abschiebungsgewahrsam und zur Vermeidung von Abschiebungshaft aufgebaut werden. Ungeachtet dessen und einer entsprechenden (zum Teil einschränkenden) Weisung der Senatsinnenverwaltung ist die Zahl der Inhaftierten (Stand Mitte Mai 2002 ca. 320 Inhaftierte, Kapazität: 340) im Abschiebungsgewahrsam erschreckend hoch.

Aus Sicht der beiden Organisationen wird die genannte Weisung von der Ausländerbehörde nur unzureichend umgesetzt. Die Ermessensspielräume bei der Beantragung der Abschiebungshaft durch die Ausländerbehörde werden von dieser nicht genutzt. Minderjährige Flüchtlinge werden weiter in Haft genommen, obwohl diese in Jugendwohneinrichtungen oder der Clearingstelle untergebracht werden könnten. Flüchtlinge befinden sich länger als sechs Monate in Haft, vor allem dann, wenn ihnen mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung vorgeworfen wird.

Sechs Monate nach Annahme der Weisung zur Anordnung und zum Vollzug der Abschiebungshaft laden daher der Flüchtlingsrat Berlin und die Initiative gegen Abschiebehaft zu einer Podiumsdiskussion „Abschiebungshaft in Berlin – Missbrauch staatlicher Gewalt?”

am 22. Mai 2002 um 19.30 Uhr in das Haus der Demokratie (Robert-Havemann-Saal; Greifswalder Strasse 4)

ein. Auf dem Podium werden Politiker/innen von SPD, PDS und Bündnis 90/Die Grünen, sowie Vertreter der Anwaltskammer, der Seelssorger und der Initiative gegen Abschiebehaft diskutieren, um auszuloten, warum die Vorgaben der Senatsverwaltung bisher nur unzureichend umgesetzt wurden.

Flüchtlingsrat Berlin
Initiative gegen Abschiebehaft
21. Mai 2002

 

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