22.04.2021: SenBJF Berlin diskriminiert Geflüchtete beim Zugang zu Bildung: Keine digitalen Endgeräte zum Homeschooling für SchülerInnen in der Jugendhilfe?
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Gemeinsame Pressemitteilung von Flüchtlingsrat Berlin e.V., Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen (BBZ), Evin e.V., Nachbarschaft hilft Wohngemeinschaft e.V., Paul Gerhardt Werk Diakonische Dienste gGmbH, WeGe ins Leben e.V. und XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
SenBJF Berlin diskriminiert Geflüchtete beim Zugang zu Bildung:
Keine digitalen Endgeräte zum Homeschooling für SchülerInnen in der Jugendhilfe?
Berlins Jugend- und Schulsenatorin rechtfertigt mit Schreiben vom 6.4.2021 die Ablehnung von Beihilfen für digitale Endgeräte zum Homeschooling bzw. Wechselunterricht (Laptop bzw. Tablett und Drucker) für geflüchtete Schüler:innen im betreuten Jugendwohnen durch die Berliner Jugendämter.[1]
SenBJF schreibt: „Insofern ist die … Ablehnung der Jugendämter hier als ‚Ausfallbürge‘ tätig zu werden … nachvollziehbar und wird mitgetragen.“ Ohne Eltern nach Berlin geflüchtete Schüler:innen gehen somit leer aus und werden rechtswidrig schlechter behandelt als Schüler:innen mit Eltern, die Arbeitslosengeld 2 oder Asylbewerberleistungen erhalten.
SenBJF verweist auf die Möglichkeit der Überlassung von digitalen Endgeräten aus dem „Digitalpakt“ durch die Schulen. SenBJF hat den Schulen jedoch viel zu wenig Geräte aus dem Digitalpakt zur Verfügung gestellt, weshalb bei diesem Programm sehr viele finanziell prekäre SchülerInnen leer ausgegangen sind.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Senatsverwaltung für Soziales Berlin haben darauf inzwischen reagiert. Beide haben Anfang Februar bzw. Anfang März klargestellt, dass zum Kauf digitaler Endgeräte zum Homeschooling Beihilfen der Jobcenter im Rahmen des Arbeitslosengeldes II, der Sozialhilfe oder nach Asylbewerberleistungsgesetz zu bewilligen ist, wenn die Schule „egal aus welchem Grund“ keine Geräte zu Verfügung gestellt hat.[2] Anders Berlins Bildungs- und Jugendsenatorin, die darauf besteht, die Beihilfen abzulehnen.
SenBJF ist zuständig für Maßgaben zum Umfang der Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im betreuten Jugendwohnen, deren Lebensunterhalt die Jugendämter nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 39 SGB VIII) sicherzustellen haben.
„Soll die Berliner Praxis einer Jugendhilfe Light zur Abschreckung Geflüchteter dienen?“, fragt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin. „Soll lieber ein Schuljahr wiederholt, als 350 Euro für einen Schulcomputer ausgegeben werden?“, so Classen weiter: „Senatorin Scheeres setzt das Existenzminimum für Geflüchtete in der Jugendhilfe rechtswidrig noch niedriger an, als es das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz tut.[3] Dabei sieht § 39 Kinder- und Jugendhilfegesetz an sich einen höheren Umfang beim Lebensunterhalt vor, indem dort – anders als beim Arbeitslosengeld 2 oder nach Asylbewerberleistungsgesetz – etwa auch Ferienreisen zu finanzieren sind.“
Zynischerweise erfolgt die Ablehnung unter dem Hinweis auf vorrangige, real aber ausbleibende Leistungen der eigenen Verwaltung, sprich Geräte der Schulen aus dem Digitalpakt, auf die jedoch kein Rechtsanspruch besteht, wie SenBJF selbst einräumt.
Zudem verweigert SenBJF geflüchteten Schüler:innen im betreuten Jugendwohnen auch den „Berlinpass„, den Berliner Bezieher:innen von Arbeitslosengeld 2, Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen erhalten. Der Berlinpass wäre für die Schulen Grundlage für eine Überlassung von ggf. vorhandenen digitalen Endgeräten aus dem „Digitalpakt“ gewesen.
Anders als im Schreiben von SenBJF behauptet beruht der Berlinpass auf keiner gesetzlichen Regelung. Er ist eine freiwillige Leistung des Landes Berlin, die – ebenso wie die in Berlin damit für Schüler:innen verbundene Gewährung von Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) – im Rahmen der Landesregelungen zum Berlinpass selbstverständlich auf Kinder und Jugendliche ausgeweitet werden kann und muss, deren Lebensunterhalt nach § 39 SGB VIII sichergestellt wird.
Wir fordern:
- Gleiches Recht auf Bildung für alle jungen Menschen!
- Unterstützung von Schülerinnen und Auszubildenden im Homeschooling und Wechselunterricht durch Bewilligung digitaler Endgeräte auch im Rahmen der Jugendhilfe
- Berlinpass sowie Leistungen analog des Bildungs- und Teilhabenpakets nach dem SGB II (BuT) auch im Rahmen der Unterhaltsleistungen nach § 39 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz)
- Stopp der diskriminierenden Praxis der Jugendhilfe light bei SenBJF Berlin
Pressekontakt:
Flüchtlingsrat Berlin e.V., www.fluechtlingsrat-berlin.de, Georg Classen Tel 030-22476311 (ggf. lange klingeln lassen wg. Homeoffice),
BBZ, www.bbzberlin.de Fachstelle für (un-)begleitete minderjährige Geflüchtete, Daniel Jasch, Tel. 030 66640721
[1] Schreiben Flüchtlingsrat wg. Berlinpass und digitalen Endgeräten v. 15.3.21 und Antwort SenBJF v. 6.4.21 www.fluechtlingsrat-berlin.de/senbjf_keine_schulcomputer_nach_sgb_viii
[2] www.berlin.de/jobcenter-friedrichshain-kreuzberg/aktuelles/infoflyer_digitale_endgerate.pdf und www.fluechtlingsrat-berlin.de/LAF-Info_30und www.berlin.de/sen/soziales/service/berliner-sozialrecht/kategorie/rundschreiben/2021_03-1058615.php
[3] Schon in der Flüchtlingskrise 2015/16 hatte SenBJF Berlinpass und Monatskarten verweigert und die Sozialhilfe sogar rechtswidrig auf 1 Euro/Tag reduziert. Viele Jugendliche wurden dadurch zum Fahren ohne Fahrschein gezwungen und in die Kriminalität gedrängt.