Veröffentlicht am 04.05.2023

26.04.2023: Flüchtlingsrat kritisiert Verlängerung des Ukraine Ankunftszentrums Tegel und fehlende Gewalt- und Kinderschutzkonzepte

 

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In seiner letzten Sitzung hat der rot-grün-rote Senat gestern beschlossen, die Nutzung des Ukraine Ankunftszentrum in Tegel (UA TXL) einschließlich der dortigen Notunterkunft mindestens bis September 2023 zu verlängern.[1] Der Flüchtlingsrat kritisiert diese Entscheidung und fordert ein schnelles Ausstiegszenario für die Unterkunft. Berlin muss eine menschenwürdige Unterbringung für Geflüchtete sicherstellen und darf seine selbstgesteckten Qualitätsstandards nicht unterlaufen.

Wiederholt hat der Flüchtlingsrat auf gravierende Defizite u.a. hinsichtlich Schutz der Privatsphäre, Beratung und Versorgung der im UA TXL untergebrachten Menschen hingewiesen.[2] In der Antwort auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz bestätigte das Landesflüchtlingsamt, dass für die mit über 4.300 Bettenkapazitäten größte Unterkunft Berlins Konzepte zum Gewaltschutz, Kinderschutz und Schutz von Frauen fehlen.[3] Auch Maßgaben zur Identifizierung und bedarfsgerechten Versorgung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter werden in TXL offenbar immer noch nicht umgesetzt.

 

Die Bedingungen im Ankunftszentrum Tegel sind katastrophal: Unterbringung ohne ein Minimum an Privatsphäre und auf engstem Raum, abgeschottet auf einem Flughafengelände hinter Stacheldraht, keine Möglichkeit selbst Essen zu zubereiten, das Konfliktpotential ist hoch. Viele Geflüchtete müssen mehrere Monate in Tegel bleiben mit unklarer Zukunftsperspektive, darunter auch Menschen mit schweren Erkrankungen, Schwangere und Familien mit kleinen Kindern.[4]

 

„Dass das Landesflüchtlingsamt unsere Frage nach einem Gewalt-, Frauen- und Kinderschutzkonzept für Tegel abschlägig beantwortet, ist schockierend, und gleichzeitig verwundert es nicht. Denn funktionierende Schutzkonzepte lassen sich unter den Bedingungen dort gar nicht umsetzen. Die Menschen werden in Leichtbauhallen, in Zelten und im Terminal C in nach oben und nach vorne offenen Schlafabteilen in Doppelstockbetten untergebracht. Je 10 bis 14 Personen müssen sich ein Schlafabteil teilen, abschließbare Türen gibt es nicht. Die Infrastruktur in Tegel ist schlicht ungeeignet, um dort Menschen sicher unterzubringen – das können auch engagierte Sozialarbeitende nicht ausgleichen“, sagt Almaz Haile, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin.

 

Den Flüchtlingsrat erreichen laufend Problemanzeigen, weil auch Menschen mit schweren Erkrankungen und anderen besonderen Schutzbedarfen unter den oben beschriebenen Bedingungen im UA TXL leben müssen. Obwohl es seit Mai letzten Jahres einen Senatsbeschluss zur Identifizierung und bedarfsgerechten Versorgung von besonders vulnerablen Geflüchteten im Ankunftszentrum Tegel gibt, lässt dessen Umsetzung auf sich warten.[5] Die Bekanntgabe des Betriebskonzept für das Ankunftszentrum, das auch den Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen regeln sollte, verweigert das LAF mit Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.[6]

 

„Unsere Erwartung an den neuen Senat ist, umgehend für menschenwürdige Alternativen zur Unterkunft in Tegel zu sorgen“, so Haile weiter.

 

[1] PM SenIAS v. 25.04.2023 www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1316933.php

[2] PM v. 13.03.2023 https://fluechtlingsrat-berlin.de/pm_notunterkuft_tegel_schliessen_13maerz2023/

[3] Antwort LAF v. 22.03.2023 auf Frag-den-Staat.de, www.fluechtlingsrat-berlin.de/laf_antwort_ifg_22mrz2023

[4] siehe hierzu ausführlichen Bericht zum UA TXL vom 08.04.2023, https://fluechtlingsrat-berlin.de/berichtzustaendetxl/

[5] Senatsbeschluss v. 04.05.22 https://fluechtlingsrat-berlin.de/senatsbeschluss_vulnerable_05april2022

[6] Antwort LAF v. 22.03.2023 auf Frag-den-Staat.de, www.fluechtlingsrat-berlin.de/laf_antwort_ifg_22mrz2023

 





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