Gemeinsame Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden auf dem Flughafen Willy Brandt
Stellungnahme, Presseecho und Unterzeichner
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Gemeinsame Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden auf dem neuen Großflughafen BER Willy Brandt und gegen die Durchführung von Asyl-Schnellverfahren
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Die UnterzeicherInnen lehnen aus menschenrechtlichen und humanitären Gründen Asylschnellverfahren (Flughafenverfahren) sowie die Inhaftierung von schutzsuchenden Flüchtlingen zur Durchführung des Asylverfahrens ab. Sie fordern die Länder Brandenburg und Berlin sowie die Bundesregierung auf, auf die geplante Errichtung und Inbetriebnahme einer sog. „Gewahrsamseinrichtung“ zur Durchführung von Asyl-Schnellverfahren auf dem Gelände des Flughafens BER Willy Brandt zu verzichten und stattdessen Asylsuchenden ein reguläres Asylverfahren in Freiheit zu ermöglichen. Sie fordern die Bundesregierung auf, an allen deutschen Flughäfen auf die Inhaftierung Schutzsuchender und das Asyl-Schnellverfahren zu verzichten und das sogenannte Flughafenverfahren (§ 18a AsylVfG) abzuschaffen.
Begründung:
Auf dem Gelände des neuen Großflughafens in Berlin Schönefeld soll eine „Gewahrsamseinrichtung“ gebaut werden, um einreisende Asylsuchende inhaftieren und nach einem dort stattfindenden Asyl-Schnellverfahren möglichst rasch außer Landes schaffen zu können.
Im Rahmen der Grundgesetzänderung 1993, in deren Folge kein Flüchtling mehr, der regulär auf dem Landweg einreist, das Asylrecht erhalten kann, wurde als weiteres Instrument der Flüchtlingsabwehr eine Spezialregelung für die Einreise auf dem Luftweg entwickelt – das sog. Flughafenverfahren. Asylsuchende, einschließlich Kinder und minderjährige AsylbewerberInnen, können für die Dauer des Asylschnellverfahrens inhaftiert werden. Voraussetzung ist, dass auf dem Flughafengelände eine geeignete „Unterkunft“ existiert.
Im Zuge des Flughafenausbaus wird nun auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld eine Hafteinrichtung gebaut. Betreiber wird die zentrale Ausländerbehörde Brandenburg. Die „soziale“ Betreuung wird nach Auskunft der Landesregierung die private Wachschutzfirma B.O.S.S. übernehmen.
Innerhalb von zwei Tagen nach Stellung des Asylantrags ergeht eine Entscheidung, ob der Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt oder die Einreise erlaubt wird. Im Falle einer Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ bleibt den AsylbewerberInnen nur drei Tage Zeit, um Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben sowie einen Eilrechtsschutzantrag einzureichen. Wird der Eilantrag gegen die Einreiseverweigerung binnen zweier Wochen abgewiesen, verbleiben sie in der Flughafenhaftanstalt, bis die Abschiebung möglich wird.
Der Zeitdruck macht es den gerade geflüchteten und teils schwer traumatisierten Menschen unmöglich, zur Ruhe zu kommen und ihre Asylgründe substantiiert vortragen zu können. Teilweise sind sie durch die Umstände der Flucht verhandlungsunfähig. Auch der erschwerte Zugang zu RechtsanwältInnen verhindert, dass sich die Asylsuchenden ausreichend auf ihre Anhörung vorbereiten können und schmälert ihre Aussicht erheblich, als Flüchtling in Deutschland anerkannt zu werden.
Die Eile des Verfahrens führt immer wieder zu eklatanten Fehlentscheidungen. So wurden die Asylanträge zweier Deserteure aus Eritrea im Flughafenverfahren als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Sie wurden unmittelbar nach ihrer Abschiebung in einem Geheimgefängnis in Eritrea inhaftiert. Erst nach der Abschiebung prüfte das Verwaltungsgericht den Fall mit der nötigen Gründlichkeit und gewährte Asyl. (1)
Darüber hinaus lässt die kurze Frist zur Einreichung eines Eilantrags ein sachgemäßes Beschreiten des Rechtswegs nicht zu. Es ist schlicht unmöglich, die geforderten schriftlichen Begründungen rechtzeitig beizubringen. Da die Ablehnung von Eilrechtsanträgen durch das Gericht bereits ohne schriftliche Begründung rechtskräftig wird, können die Betroffenen abgeschoben werden, bevor sie die Möglichkeit erhalten, weiteren Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Eine Abschiebung wird in der Regel nach der Abweisung des Eilantrages durchgeführt, obwohl die Klage gegen die Entscheidung des Bundesamtes noch anhängig ist. ExpertInnen bezeichnen das sog. Flughafenverfahren daher als „hastig, unfair, mangelhaft“ (2) und „rechtsstaatswidrig“ (3).
Auf den meisten deutschen Flughäfen wird auf das Flughafenverfahren verzichtet, so auch in Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover. In Berlin-Schönefeld werden aktuell jährlich zwei bis vier Flughafenverfahren durchgeführt. Die Zahlen der entsprechenden Verfahren für Hamburg, München und Düsseldorf sind ebenfalls marginal. Am neuen Berliner Großflughafen soll nun Platz für die Inhaftierung von jährlich 300 asylsuchenden Flüchtlingen einschließlich Kindern jeden Alters und allein reisenden Minderjährigen geschaffen und deren Asylanträge in dem höchst zweifelhaften Schnell-Verfahren abgefertigt werden.
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1 vgl. PRO ASYL, „Hastig, unfair, mangelhaft“, www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf, Kapitel 3.5
2 vgl. Dokumentation „Hastig, unfair, mangelhaft“ a.a.O.
3 vgl. Pressemitteilung der Synode der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 29.10.2011, http://www.ekbo.de/1048149/alias.html?id=1058433
Erstunterzeichner:
Asyl in der Kirche e.V.
AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
Prof. Dr. Klaus J. Bade, Migrationsforscher, Berlin
Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V.
Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin
Erzbistum Berlin
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
Dr. med. Jürgen Hölzinger, Ausschuss für Menschenrechtsfragen der Ärztekammer Berlin
Initiative gegen Abschiebehaft
Jesuiten Flüchtlingsdienst Deutschland
Landesjugendwerk der AWO Berlin
Landesjugendwerk der AWO Brandenburg
Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Berlin (AWO, Caritas, dpw, DW, DRK, ZWST)
Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Brandenburg (AWO, Caritas, dpw, DW, DRK, ZWST)
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Hanns Thomä, Beauftragter für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin-
Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Zentrum Überleben
Berlin, 20. Januar 2012
Weitere Unterzeichner:
Aktion Freiheit statt Angst e.V. , Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Al Nadi – Treffpunkt und Beratungsstelle für arabische Frauen (Berlin), Allmende e.V. Berlin, AWO Kreisverband Berlin-Mitte, AriC Berlin e.V., BAfF e.V. – Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, Barnimer Kampagne „Light me Amadeu“, BBAG – Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft e.V., Berliner Aids-Hilfe e.V., Prof. Dr. Peter Brandt, Historiker (Hagen/Berlin), Bundesverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V., Büro für medizinische Flüchtlingshilfe Berlin DAFRIG, Deutsch-Afrikanische Gesellschaft e.V. , Deutscher Anwaltverein DAV, Deutscher Gewerkschaftsbund Bezirk Berlin-Brandenburg, Diamant e.V. – Sozialer Integrationsverein für Zuwanderer des Landkreises Barnim, Die Landesflüchtlingsräte, Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg e.V., Gesellschaft für bedrohte Völker – International (GfbV-Int.), H.A.L.T. Hennigsdorfer Aktionsbündnis Lebendiger Teilhabe, Humanistische Union e.V. vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative, Humanistische Union Berlin-Brandenburg, Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I., Internationale Liga für Menschenrechte, Internationaler Bund (IB) – Berlin / Marienfelde, Jugendliche ohne Grenzen, Kirchenkreis Falkensee, Kirchenkreis Neukölln, Kirchenkreis Oberes Havelland, Kirchenkreis Potsdam, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen e.V., Kontakt- und Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Bernau, Lagergemeinschaft Ravensbrück – Freundeskreis e.V., Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Ausländer- und Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg, Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, LesMigraS, Lesbenberatung Berlin e.V., Migrations- und Integrationsrat Land Brandenburg – MIR, Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V., Neue Richtervereinigung NRV – Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V, no-racism.net Oase Berlin e.V., Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V., Opferperspektive e.V., QuaBs e.V. – Qualifizierungsvereinigung Berliner SozialpädagogInnen, Refugees Emancipation e.V., Dr. Mark Terkessidis, Verband für interkulturelle Arbeit (VIA) Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V., Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen VDJ e.V., Verein iranischer Flüchtlinge e.V., Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V., VVN-BdA Berlin und Köpenick, WeGe ins Leben e.V., Women in Exile, Xenion
Einzelpersonen:
Birgit Amman, Peter F. Appenheimer, Annalena Baerbock, Dr. Hartwig Berger, Sandra Braun-Grüneberg, Petra Budke, Axel Dosch, Pia Garling R., Dr. Michaela Haas, Marie Luise von Halen, Joachim Jauer, Michael Jungclaus, Gerhard Kalink, Clementine Klemp, Sabine Niels, Ursula Nonnemacher, Theda Ohling, Yvonne Plaul, Benjamin Raschke, Heide Schinowsky, Maritta Strasser, Axel Vogel, Hendrik Zühlke