Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten: Sieben Wochen keine Miete
Presseinformation des Flüchtlingsrats vom 17. Februar 2017
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten: „Warten Sie bitte sieben Wochen auf Ihre Miete, wir zahlen bestimmt“
Falsche Prioritäten und fehlendes Personal im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) verhindern, dass Asylsuchende in Wohnungen ziehen können. Flüchtlingsrat fordert gesamtstädtische Kraftanstrengung zur Wohnraumversorgung von Geflüchteten.
Erhebliche Ressourcen werden derzeit im LAF gebunden für die Konzeption und den Betrieb neuer Massenunterkünfte, z.B. das Containerlager auf dem Tempelhofer Feld. Das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, Geflüchteten den Bezug normaler Mietwohnungen zu ermöglichen, wird hingegen nur halbherzig verfolgt: Zahlreiche Mietangebote gehen aufgrund langwieriger Verwaltungsabläufe verloren. Vermieter*innen warten viele Wochen auf Miet- und Kautionszahlungen des LAF. Eine proaktive Akquise von Mietwohnungen für Flüchtlinge findet nicht statt. Angesichts der 17.000 Menschen, die seit über einem Jahr unter menschenunwürdigen Bedingungen in Notunterkünften wie Turnhallen, Flugzeughangars, der Traglufthalle Moabit, dem ICC oder dem ehemaligen Kaufhaus C&A ausharren müssen, ist dies ein Skandal.
Zu Jahresbeginn wurden die Abläufe im Mietsachgebiet des LAF neu organisiert. Doch nach wie vor zieht sich die Prüfung der Mietangebote und die Zahlung der Miete unzumutbar in die Länge:
Ehrenamtliche Unterstützer*innen und Asylsuchende berichten von ganztägigen Wartezeiten, bis man dem LAF ein Mietangebot vorlegen kann. Fehlende Angaben dürfen nicht per E-Mail nachgereicht werden, so dass oft mehrere Vorsprachen nötig sind. Das LAF räumt ein, dass es derzeit sieben Wochen dauert, bis die Miete und Kaution an den Vermieter überwiesen werden. Ehrenamtliche berichten von noch längeren Rückständen. Weil von keinem Vermieter ein solcher Vertrauensvorschuss erwartet werden kann – nach § 543 BGB ist ein Zahlungsverzug für zwei aufeinanderfolgende Termine Grund zur fristlosen Kündigung – versuchen die Asylsuchenden, sich das Geld privat zu leihen. Nicht immer mit Erfolg.
„Das Verfahren ist für die Asylsuchenden, für ihre Unterstützer*innen sowie für die Vermieter*innen unzumutbar. Mühsam gefundene Mietwohnungen können nicht bezogen werden. Die Geflüchteten bleiben in menschenunwürdigen Notunterkünften und werden dort physisch und psychisch krank. Freiwillige Helfer*innen und flüchtlingsfreundliche Vermieter*innen fühlen sich verprellt, die Bereitschaft an Geflüchtete zu vermieten sinkt“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin.
Das Problem ist nicht neu. Flüchtlingsrat und Initiativen fordern seit Jahren eine bessere Personalausstattung im Mietsachgebiet des LAGeSo bzw. LAF und eine proaktive Akquise von Mietwohnungen. Dazu gehört z.B. auch ein öffentlicher Appell des Regierenden Bürgermeisters, an Geflüchtete zu vermieten. (1)
„Es entsteht der Eindruck, dass Teile der Verwaltung ein Interesse daran haben, Flüchtlingen den Zugang zu Mietwohnungen zu verwehren und sie stattdessen dauerhaft in Sammellager einzuweisen. Wir haben bereits Anfang 2016 umfangreiche Vorschläge vorgelegt, um die Anmietung von privaten Wohnungen zu erleichtern. Diese Vorschläge müssen mit höchster Priorität umgesetzt werden“, so Flüchtlingsratssprecher Classen. (2)
Zu (1):
Flüchtlingsrat Berlin, 15.10.2012, Schreiben an LAGeSo Präsident Allert, Sofortmaßnahmen Wohnungen für Flüchtlinge Lageso_Sofortmassnahmen_Wohnungen.pdf
Stellungnahme Flüchtlingsrat Berlin im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses am 20.01.2011: Flüchtlingsunterbringung in Lagern – unwürdig und teuer. Flüchtlinge in Wohnungen unterbringen!
Classen_AsylbLG_Wohnen_Berlin_200111.pdf
Zu (2):
PE Flüchtlingsrat Berlin 04.01.16: Es gibt sie — Alternativen zu Müllers Lagerpolitik
Flüchtlingsrat Berlin 04.01.16: 18 Punkte zu Wohnungen für Flüchtlinge statt immer neuen Massenlagern
FluRat_18Punkte_Wohnungen_statt_Lager_04Jan2016.pdf