Roma demonstrieren vor SPD-Koalitionsparteitag für Bleiberecht
Flüchtlingsrat Berlin unterstützt Forderungen der Roma-Flüchtlinge für ein Bleiberecht
Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 18. Oktober 2002
Kundgebung gegen drohende Abschiebung nach Jugoslawien
Am Sonntag, den 20. Oktober 2002 werden mehrere hundert Roma-Flüchtlinge aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo anlässlich des SPD-Bundesparteitags von 11.00 – 14.00 Uhr vor dem ESTREL-Hotel in Berlin-Neukölln (Sonnenallee 225, Ecke Ziegrastr, S-Bahn Sonnenallee) für ein gesichertes Bleiberecht demonstrieren.
Seit dem 27. April 2002 demonstrieren 500 Roma-Flüchtlinge aus Jugoslawien und dem Kosovo in einem beispiellosen Protestzug ein dauerhaftes Bleiberecht. Trotz teils über zehnjährigen Aufenthalts mit ihren Familien in Deutschland besitzen die Roma nur Bescheinigungen über ihre „Duldung“, womit ihnen in der Regel eine Arbeitserlaubnis und damit auch eine Aufenthaltserlaubnis nach den bisherigen Altfallregelungen für langjährig hier lebende Flüchtlinge verwehrt wurde. Anfang Juni machten sie bei ihrer ersten Protestaktion in Berlin ihre Forderungen öffentlich. Seit vier Monaten leben sie in einem Protestcamp in Düsseldorf.
Der Flüchtlingsrat Berlin unterstützt in diesem Zusammenhang die Kampagne „Hier geblieben! Recht auf Bleiberecht“ von PRO ASYL für eine bundesweite Bleiberechtsregelung für alle Flüchtlinge, die als Familien mit Kindern mehr als 3 Jahre bzw. als Alleinstehende länger als 5 Jahre mit Kettenduldungen hier leben. Die Bleiberechtskampagne wird bundesweit von Flüchtlingsräten, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen unterstützt.
Die Roma-Flüchtlinge wehren sich gegen die drohende Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien und den Kosovo, die nach Unterzeichnung eines neuen Rückführungsabkommens zwischen den Innenministern der BRD und der BR Jugoslawien am 16.09.02 noch beschleunigt werden soll. Auch in Berlin wurden langjährig hier lebende Romafamilien zur Ausreise aufgefordert und teilweise bereits abgeschoben. In Berlin leben 15000 geduldete Flüchtlinge aus Bosnien, Kosovo und Serbien/Montenegro, die Mehrzahl von ihnen sind Roma.
Die Abschiebungen werden der Lage der Roma in Serbien, Montenegro, Bsonien und dem Kosovo in keiner Weise gerecht. Roma leben dort unter zumeist erbärmlichen Umständen unterhalb eines menschenwürdigen Niveaus. Berichte internationaler Organisationen wie UNHCR, UNMIK und amnesty international stimmen darin überein, dass Roma in der BR Jugoslawien, im Kosovo und in Bosnien keinen ausreichenden Zugang zu Wohnung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit und Rechtschutz haben Opfer rassistischer Gewalttaten und Diskriminierungen werden und im Kosovo nur in militärisch geschützten Enklaven leben können.
Die Roma-Familien haben in Deutschland ihre Heimat gefunden. Kinder und Jugendliche, viele von ihnen hier geboren, fühlen sich hier zu Hause und haben eine schulische und berufliche Ausbildung begonnen oder abgeschlossen. Sie sprechen deutsch und romanes, aber kein serbokroatisch oder albanisch. Eine Abschiebung würde bedeuten, sie in eine Situation absoluter Perspektivlosigkeit zurückzustoßen.
Der Flüchtlingsrat Berlin fordert die Bundesregierung erneut auf, noch vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 01.01.2003 eine großzügige und wirksame bundesweite Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge zu ermöglichen, die das Recht auf Arbeit erst gewährt, statt es vorauszusetzen.
Der Flüchtlingsrat hatte im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen Briefe an die Berliner Bundestagsabgeordneten und an die innenpolitischen Sprecher der SPD mit der Bitte um Unterstützung einer solchen Bleiberechtsreglung geschickt. Die nunmehr vorliegende Koalitionsvereinbarung ergeht sich im Bereich Flüchtlings- und Migrationspolitik in Allgemeinplätzen, zählt Maßnahmen auf die im Zuwanderungsgesetz bereits geregelt sind und mündet der Aussage, dass „die Ausreisepflicht von Nicht-Bleibeberechtigten konsequent durchgesetzt wird“. Im Unterschied zur Koalitionsvereinbarung von 1998 ist keine Aussage zur Notwendigkeit einer Bleiberechts- bzw. Altfallregelung enthalten.
Nun liegt es am SPD-Bundesparteitag, hierzu Stellung zu nehmen und entsprechend initiativ zu werden. Mit der Befürwortung einer wirksamen, bundesweiten Bleiberechtsregelung auch für langjährig geduldete Roma Flüchtlinge in der Bundesrepublik würden die Delegierten des SPD-Bundesparteitages nicht zuletzt auch der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands im Hinblick auf die Ermordung von über 500.000 Roma und Sinti in Deutschland und Osteuropa durch die Nazis gerecht werden.
Der Flüchtlingsrat Berlin begrüßt den Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses vom 26.09.02 zu einer Initiative des Innensenators für ein Bleiberecht für Roma auf Bundesebene. Diese muss auf Landesebenevon einem sofortigen Abschiebestopp begleitet werden.
Flüchtlingsrat Berlin
18. Oktober 2002
für Nachfragen zur Roma-Aktion:
Dzoni Sichelschmidt 0178-2836880
Infos zur Roma-Protestkarawane für ein Bleiberecht in Düsseldorf
Hintergrundinfos zu Geschichte und aktueller Lage der Roma:
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Sinti und Roma – Basisfakten im Überblick