Studium mit Duldung

Wichtiger Hinweis: Diese Seite ist teilweise veraltet!

Die Rechtslage hat sich seit 2013 zu Gunsten der Betroffenen weiter verbessert. Der Personenkreis Nichtdeutscher mit Anspruch auf BAföG und BAB wurde deutlich ausgeweitet. Soweit kein Anspruch auf BAföG und BAB besteht, sind nunmehr ggf auch Leistungen nach AsylbLG möglich.
Zur Rechtslage Stand Oktober 2019 gibt es eine Übersicht der GGUA.

 

Studium mit Duldung oder Aufenthaltsgestattung

 

Ein Studium ist mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung grundsätzlich möglich, und wir kennen einige, die das ganz legal geschafft haben.

Seit 1.1.2009 wird die Möglichkeit eines Studiums mit Duldung durch das „Arbeitsmigrationsteuerungsgesetz“ auch offiziell anerkannt. Die  bundesgesetzliche Neuregelungen ermöglicht ein Bleiberecht für qualifizierte Geduldete, die studieren und einen inländischen Hochschulabschluss erwerben.

Das „Arbeitsmigrationsteuerungsgesetz“ beinhaltete für qualifizierte Geduldete im neuen § 18a AufenthG den Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken und damit ein auf Dauer angelegtes Bleiberecht, wenn der bisher nur geduldete Ausländer einen inländischen Hochschulabschluss erwirbt und einen angemessenen Arbeitsplatz nachweisen kann. Zudem müssen gemäß § 18a AufenthG bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sein (keine Identitätstäuschung usw.) Die Regelung schließt auch Asylbewerber ein, die ein Studium aufnehmen, wenn sie im Zeitpunkt des Hochschulabschlusses die Anspruchsvoraussetzungen für eine Duldung und die übrigen Voraussetzungen des § 18a erfüllen.

Um das Studium auch finanziell zu ermöglichen, wurde zudem für Geduldete nach mindestens 4 Jahren Voraufenthaltsdauer als Asylbewerber und/oder Geduldeter in § 8 Abs. 2b BAföG auch ein Anspruch auf Ausbildungsförderung geschaffen.

Seit 1.7.2011 sieht zudem § 25a Aufenthaltsgesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis für Studierende mit Duldung vor – mehr dazu hier!

Studierverbot?

Zu unterscheiden ist zwischen

– einem rechtlichen Studierverbot seitens der Ausländerbehörde (Studierverbotsauflage) oder der Hochschule (verweigert ggf. Immatrikulation wegen unsicherem Aufenthaltsstatus), und

– einem faktischen Studierverbot dadurch, dass man in vielen Fällen während des Studiums weder BAföG noch Sozialhilfe nach AsylbLG erhalten kann, und

– einem faktischen Studierverbot deshalb, weil z.B. die Residenzpflicht entgegensteht, oder möglicherweise vor Abschluss des Studiums der Aufenthalt beendet wird usw.

Wenn erklärt wird, ein „Studium mit Duldung oder Aufenthaltsgestattung geht nicht“, können damit also ganz unterschiedliche Probleme gemeint sein. Dazu ist anzumerken, dass auch ein Studium mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung grundsätzlich möglich ist, und wir einige kennen, die das ganz legal geschafft haben.

Ein Weg wäre die freiwillige Aus- und anschließende Wiedereinreise mit einem Visum zu Studienzwecken, was ich aber nur dann empfehlen würde, wenn bereits vor der Ausreise alle Voraussetzungen 100%ig geklärt sind (Studienplatz in Aussicht, Studienfinanzierung gesichert usw.) und seitens Ausländerbehörde und Botschaft verbindliche und verlässliche Zusagen existierten, dass eine kurzfristige Visumserteilung und Wiedereinreise zum Studium sichergestellt ist.

Ein Visum zum Studium setzt u.a. einen Pass sowie den Nachweis der Lebensunterhaltssicherung voraus, mehr dazu siehe
www.daad.de

Da die Studienstiftungen meist kein Studium ab dem erstem Semester finanzieren, ist ggf. ein anderer Finanzierungsnachweis, z.B. über Zusagen von finanziell leistungsfähigen Verwandten etc. erforderlich.

Ein anderer Weg ist das Studium mit Duldung. Dem stehen zahlreiche Hindernisse entgegen, die aber grundsätzlich überwindbar sind:

1. Residenzpflicht: Die ist bei einer Duldung laut Gesetz auf das jeweilige Bundesland beschränkt, darüber hinausgehende Beschränkungen, z.B. auf den Landkreis, sind in der Praxis häufig, aber im Gesetz (§ 60a AufenthG) nicht vorgeschrieben und ohne besondere einzelfallbezogene Gründe auch rechtswidrig. Ggf. sollte man zum Zweck des Studiums die Änderung der Auflage beantragen. Eine Erweiterung der Duldung zu Ausbildungszwecken auch über das jeweilige Bundesland hinaus ist seit 1.7.2011 grundsätzlich möglich, vgl. § 61 AufenthG

Auch die Aufenthaltsgestattung für Asylbewerber ist grundsätzlich auf den Landkreis/Stadtkreis beschränkt. In vielen Bundesländern dürfen Asylbewerber sich mittlerweile auch generell in mehreren Kreisen oder im gesamten Bundesland aufhalten. Nach § 58 AsylVfG ist seit 1.7.2011 eine Erweiterung der Aufenthaltsgestattung zu Ausbildungszwecken auch über das jeweilige Bundesland hinaus möglich, vgl. § 61 AsylVfG.

2. Hochschulrecht: Einzig in Baden-Württemberg verbietet das Hochschulrecht die Immatrikulation von Asylbewerbern und Geduldeten: § 60 Abs. 5 HochschulG Ba-Wü: „Die Immatrikulation muss …einer Person versagt werden, die … 4. als Ausländer keinen Aufenthaltstitel, der zur Aufnahme eines Studiums berechtigt oder dieses nicht ausschließt, oder keine Aufenthaltserlaubnis-EU besitzt.“ Duldung und Aufenthaltsgestattung sind in der juristischen Terminologie keine „Aufenthaltstitel“ (§ 4 Abs. 1 AufenhG).

Es ist nicht auszuschließen, dass auch Hochschulen anderer Bundesländer im Einzelfall eine Immatrikulation von Asylbewerbern und Geduldeten verweigern. Dies ist jedoch regelmäßig rechtswidrig, da eine solche Praxis von den Hochschulgesetzen der übrigen Länder nicht gedeckt ist.

3. Asylbewerber und Ausländer mit Duldung erhalten von der Ausländerbehörde mancherorts eine „Studierverbotsauflage“, die nur in Ausnahmefällen (u.a. Nachweis der Finanzierung ohne Sozialhilfe) aufgehoben wird. Das ist unseres Wissens derzeit nur in Berlin, Brandenburg und Thüringen der Fall.

Junge Flüchtlinge in Brandenburg haben deshalb im Mai 2006 mit dem Innenministerium ein Gespräch geführt. Das Ergebnis ist ein Erlass des Innenministeriums Brandenburg vom 24.05.2006. Ein Studierverbot soll dort nur noch in besonders begründeten Fällen festgesetzt werden, die Aufhebung des Verbots kann beantragt werden.

4. Streichung der Sozialhilfe nach AsylbLG: Studierende haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Sozialhilfe nach § 2 AsylbLG (§ 2 AsylbLG i.V.m. § 22 SGB XII) oder auf Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV, vgl. § 7 Abs. 5 SGB II). Nur in besonderen Härtefällen können diese Leistungen (ggf. als Darlehen) gewährt werden, ein für Ausländer ggf. fehlender Anspruch auf BAföG oder BAB begründet allein aber noch keinen Härtefall.

Die Einschränkung gilt jedoch nicht für Auszubildende sowie Studierende mit Anspruch auf Sozialhilfe nach §§ 3-7 AsylbLG, da das AsylbLG selbst kein leistungsrechtliches Ausbildungsverbot kennt (OVG Münster 12 B 797/00, B.v. 15.06.01, InfAuslR 2001, 455; NVwZ-Beilage I 2002).

5. BAföG-Anspruch (siehe auch www.bafoeg-rechner.de): Nach dem 22. BAföG-Änderungsgesetz erhalten Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, mit der sie voraussichtlich auf Dauer in Deutschland bleiben werden, seit Januar 2008 gemäß § 8 BAföG auch unabhängig von einer vorherigen Erwerbstätigkeit ihrer Eltern  Anspruch auf BAföG (und nach § 59 SGB III auf BAB), ebenso seit Januar 2009 gemäß § 8 Abs. 2a BAföG auch Ausländer mit Duldung nach vierjährigem Voraufenthalt, mehr dazu hier.

Ausländer, die die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllen, z.B. Geduldete mit weniger als 4 Jahren Voraufenthalt sowie Asylbewerber, haben nach § 8 Abs. 3 BAföG nur Anspruch, wenn sie selbst mindestens 5 Jahre oder mindestens ein Elternteil in den letzten 6 Jahren mindestens 3 Jahre in Deutschland gearbeitet hat. Weitere Voraussetzung ist ein Wohnsitz und „gewöhnlicher“ Aufenthalt in Deutschland, der aber nach mehr als 3 Jahren Aufenthalt – jedenfalls wenn eine Aufenthaltsbeendung nicht absehbar ist – auch mit einer Duldung gegeben sein dürfte (§ 30 SGB I).

6. Aufenthaltserlaubnis für langjährig Geduldete oder Asylsuchende: Bei langjährigem Aufenthalt kann und sollte an Stelle der Duldung ein asylunabhängiges Bleiberecht treten, für hier aufgewachsene Kinder und Jugendliche schon aus menschenrechtlichen Gründen, aber auch entsprechend der  Zielsetzung des Zuwanderungsgesetzes, die Kettenduldung abzuschaffen.

Mit der Aufenthaltserlaubnis hat sich eine ausländerrechtliche Studierverbotsauflage in der Regel erledigt. Seit 2008 besteht in der Regel auch ein Anspruch auf Ausbildungsförderung (BAföG oder BAB, s.o.). Soweit eine ausländerbehördliche Auflage (Studierverbot, Residenzpflicht, Wohnsitzauflage) dennoch die Aufnahme einer gewünschten Ausbildung oder Studiums faktisch oder tatsächlich be- oder verhindert, dürfte die Auflage ermessensfehlerhaft sein. Man sollte die Aufhebung der Auflage beantragen und ihre Streichung erfoderlichenfalls mit anwaltlicher Hilfe bei Gericht durchsetzen.

Eine Reihe von rechtlichen Möglichkeiten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus „humanitären Gründen“ enthält das Zuwanderungsgesetz:

* §§ 23 und 104a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer Altfallregelung, setzt eine politische Entscheidung des Gesetzgebers und/oder der Innenministerkonferenz voraus, mehr dazu hier),

* § 23a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis durch das Landesinnenministerium, Härtefallregelung aufgrund einer Empfehlung der Härtefallkommission des Bundeslandes), Übersicht zu Praxis, Verfahren und Zuständigkeiten in den Bundesändern siehe hier (pdf),

* § 25 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (Härtefallregelung nach Entscheidung der Ausländerbehörde, ist anschließend an einen bereits erlaubten Voraufenthalt (Visum oder Aufenthaltserlaubnis) im Rahmen einer befristete oder dauerhafter Härteregelung möglich,

* § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis bei nicht selbst zu vertretender tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit der Rückkehr), ermöglicht grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht z.B. für Ausländer aus Ländern wie Irak, Afghanistan, Somalia, Minderheiten aus dem Kosovo, Palästinenser aus dem Libanon,

* § 25a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserteilung an gut integrierte junge Menschen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren) seit 1.7.2011- mehr dazu hier! -,

* §§ 18a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken und damit ein auf Dauer angelegtes Bleiberecht für bisher geduldete Ausländer, die einen inländischen Hochschulabschluss erwerben und einen angemessenen Arbeitsplatz finden, mehr dazu hier),

Die Handhabung der genannten Regelungen des Zuwanderungsgesetzes ist in der Praxis jedoch meist sehr restriktiv. Politisch ist es unseres Erachtens ein Skandal, dass hier aufgewachsene und integrierte Kinder und Jugendliche auch nach Jahren noch mit Hilfe einer „Duldung“ von Teilhabemöglichkeiten an der Gesellschaft ausgegrenzt werden.

7. Wir setzen uns – mit Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppen – für eine großzügige Bleiberechtsregelung für langjährig in Deutschland lebende Asylsuchende und Geduldete ein, die auch die Möglichkeiten zur Integration und z.B. auch zum Studium beinhaltet.

Im Laufe des Jahres 2012 haben mehrere Bundesländer über den Bundesrat Gesetzesinitiativen für eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung im Rahmen eines neuen § 25b Aufenthaltsgesetz eingebracht.

Die Vorschläge orientieren sich an der in § 104a AufenthG vorausgetzten Aufenthaltsdauer (siehe oben), kommen jedoch ohne festen Einreisestichtag aus, verzichten auf Ausschlüsse wegen früherer Täuschungen und fehlender Mitwirkung, und beziehen anders als § 104a AufenthG auch alte, kranke und behinderte Ausländer mit ein. Im Laufe des Jahres 2013 wird sich zeigen ob es gelingt, die bundesgesetzliche Neuregelung über Bundesrat und Bundestag in Kraft zu setzen. Mehr dazu siehe

In jedem Bundesland setzt sich unter anderem der dortige Flüchtlingsrat für eine solche Bleiberechtsregelung und deren großzügige Umsetzung ein. Kontaktadressen findest Du hier

Viel Erfolg wünscht

Georg Classen
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de

(c) Georg Classen, Februar 2013



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