Veröffentlicht am 03.04.2020

03.04.2020: Bildung für alle – Corona-bedingte Benachteiligungen von Schüler*innen stoppen, Voraussetzungen fürs Homeschooling schaffen

Pressemitteilung des Arbeitskreises junge Flüchtlingedes Flüchtlingsrats Berlin und Solidarity City Berlin


hier pdf zum Download

Für Schulkinder und schulpflichtige Jugendliche sind die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Änderungen des Alltags gravierend: Fast alle Sozialkontakte brechen weg, Unterricht findet nur noch online oder als Homeschooling statt. Für die Mehrzahl der geflüchteten Kinder und Jugendlichen bewirkt die neue Schulform mangels Internet, Verfügbarkeit der erforderlichen PC-Hardware und notwendiger Unterstützung den vollständigen Ausschluss vom Unterricht. Der Flüchtlingsrat Berlin, verschiedene Beratungsstellen, Jugendhilfeträger und Vormundschaftsvereine fordern die Senatsbildungsverwaltung und die Senatssozialverwaltung auf, den Ausschluss geflüchteter Schüler*innen zu stoppen und sicherzustellen, dass ALLEKinder in Berlin die Möglichkeit haben, weiterhin am Unterricht teilzunehmen.  

Für die Mehrzahl der geflüchteten Kinder und Jugendlichen fehlen die Grundvoraussetzungen, um Zuhause am Unterricht teilzunehmen. In den Unterkünften für Geflüchtete gibt es in der Regel kein im Wohnbereich verfügbares WLAN. Das Internetkontingent auf Handys ist nach wenigen Tagen verbraucht. Die Mehrzahl der Geflüchteten hat keinen Laptop oder Computer, an denen die Kinder arbeiten können. Kaum jemand besitzt einen Drucker. Die Unterkünfte sehen sich personell, technisch und wegen des Kontaktverbots nicht in der in der Lage, das Ausdrucken des Schulmaterials zu übernehmen. Dies gilt auch für unbegleitete Minderjährige und junge alleinstehende Volljährige in betreuten Jugendunterkünften. Die Kontakte und damit die Unterstützung durch die Betreuer*innen wurden wegen des Kontaktverbots drastisch reduziert. Auch viele Geflüchtete in Wohnungen verfügen nicht über die nötigen technischen Ausstattungen. Das Homeschooling scheitert zudem daran, dass die meisten Eltern weniger Deutschkenntnisse haben als ihre Kinder.

Dies betrifft aktuell allein in den LAF-Unterkünften 4500 Schüler*innen. Hinzu kommen geflüchtete Schüler*innen in den bezirklichen ASOG-Unterkünften, wo es oft gar keine Sozialbetreuung etc. gibt, sowie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Jugendhilfeeinrichtungen und Geflüchtete in einer Wohnung.

Diese Situation droht die ohnehin unterbrochenen Bildungsbiographien geflüchteter Kinder und Jugendliche gänzlich zu zerstören, wenn nicht sofort geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Die im Arbeitskreis junge Flüchtlinge zusammengeschlossenen Organisationen fordern Sozialsenatorin Elke Breitenbach und Schulsenatorin Sandra Scheeres auf, schnelle Lösungen z.B. über das Bildungs- und Teilhabepaket zu realisieren.

Wir fordern:

  • Flächendeckendes WLANfür alle Geflüchteten- und Wohnungslosenunterkünfte, um das Recht auf Bildung für alle Schüler*innen zu gewährleisten. Solange dies nicht möglich ist Übernahme der Kosten für LTE-Sticks und Flatrate für alle Familien in Berlin im Sozialleistungsbezug.
  • Übernahme der Kosten für Laptopsfür alle Schüler*innen durch die Sozialbehörden (AsylbLG; SGB II/XII; SGB VIII), soweit sie noch keinen Laptop oder Computer besitzen. Schulunterricht nur auf dem Smartphone funktioniert nicht.
  • Übernahme der Kosten für Drucker, Toner, Papier für alle Schüler*innen im Sozialleistungsbezug, die keine Drucker besitzen.
  • Finanzierung zusätzlicher Lernförderung für schulpflichtige Kinder mit geringen Deutschkenntnissen, entweder individuell oder in Kleingruppen über Messengerdienste, per Videochat usw. Für Grundschulkinder der ersten Klassen müssen dabei kreativ Angebote entwickelt werden.
  • Alternative Lehr- und Lernmethoden unterstützen, wie z.B. Online-Unterricht oder den Versand von kopiertem Lernmaterial und Antwortbögen an und von Schüler*innen über vorfrankierte Postbriefe.
  • Nutzung der Osterferien, um die erforderliche Hardware zur Verfügung zu stellen und die technischen Voraussetzungen zu schaffen und um die Finanzierungsregelungen bekannt zu machen, die die zusätzliche Unterstützung beim Lernen außerhalb der Schulen ermöglicht.
  • Sollte eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen erfolgen, müssen Schulen im Rahmen der einzuhaltenden Vorsichtsmaßnahmen zuerst für geflüchtete und andere benachteiligte Schüler*innen in Berlin wieder geöffnet werden. Dies ist besonders wichtig für Schüler*innen, für die Homeschooling wegen fehlender technischer oder familiärer Möglichkeiten nicht stattfinden konnte.
  • Als Sofortmaßnahme sollten in jeder Unterkunft in geeigneten Räumlichkeiten mit Abstandsregelung und personeller Unterstützung mehrere Rechner mit Druckmöglichkeit aufgestellt werden, die ähnlich eines Copyshops genutzt werden können. Die Druckmöglichkeit ist auch nötig für Menschen, die z.B. Anträge auf Sozialleistungen oder die beim Landesamt für Einwanderung (LEA) online generierte Verlängerung ihres Aufenthaltstitels ausdrucken müssen. Für Anleitung und Betreuung ist zusätzliches Personal nötig.Dies sollte direkt oder über die Träger der Sammelunterkünfte finanziert werden.

 

Bereits am 31.03.2020 hat der Flüchtlingsrat mit einem Offenen Brief an Sozialsenatorin Breitenbach Abhilfe auch für diese drängenden Probleme gefordert:

https://fluechtlingsrat-berlin.de/offener_brief_breitenbach_strassmeir_corona_31maerz2020/

 

Pressekontakt: Flüchtlingsrat Berlin, buero@fluechtlingsrat-berlin.de, Tel. 030 224 76 311 (ggf. lange klingeln lassen wegen Weiterleitung ins Home Office)

 

Hintergrund: Der Arbeitskreis junge Flüchtlinge des Flüchtlingsrats Berlin ist ein Zusammenschluss von Mitarbeiter*innen aus Flüchtlingsrat, Beratungsstellen, Jugendhilfeträgern, Initiativen und Vormundschaftsvereinen. Er beschäftigt sich mit fachlichen Fragen, die begleitete und unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche betreffen, insbesondere mit dem Zugang zu Bildung.

 

 

 

 

 

 





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