Veröffentlicht am 21.03.2006

Ausländerbehörde inhaftiert Familie mit 5 Kindern

Abschiebeversuch nach 12 Jahren Berlin unter fragwürdigen Umständen


Am 16. März 2006 wurde das seit über 12 Jahren in Berlin lebende Flüchtlingsehepaar S. aus dem Kosovo mit fünf in Berlin geborenen bzw. aufgewachsenen Kindern über Düsseldorf nach Pristina abgeschoben.

Der Flüchtlingsrat versuchte vergeblich, bei der Senatsverwaltung für Inneres gegen die Abschie-bung zu intervenieren. Die Abschiebung wurde vollzogen, obwohl der Behörde die Stellungnahme einer von der Innenverwaltung anerkannten psychologischen Gutachterin vorliegt, die Frau S. eine schwere posttraumatische Belastungsstörung attestiert und von einem erheblichen Risiko für Leben und Gesundheit im Fall einer erzwungenen Rückkehr geht.

Die Familie wurde am 15.03. gegen 6 Uhr früh festgenommen und in Abschiebehaft genommen. Ebenfalls inhaftiert wurden ihre fünf Kinder im Alter von 5, 10, 11, 13 und 16 Jahren. Diese wurden mit ihren Eltern bis zum 16.03. morgens im Abschiebegefängnis Grünau festgehalten. Die Familie wurde dann mit einem Polizeitransporter nach Düsseldorf gebracht, der unterwegs in einen Unfall verwickelt war. Die schwer traumatisierte Frau S. musste sich auf der Fahrt nach Düsseldorf ständig übergeben.

Die Familie hatte noch am 13.03. bei der Ausländerbehörde vorgesprochen. Dort wurden ihre Bescheinigungen verlängert, eine Information über die beabsichtigte Abschiebung erfolgte nicht.

Da die Berliner Behörden die Abschiebung entgegen den Vereinbarungen mit der UNMIK-Zivilverwaltung des Kosovo über die Rücknahme von Flüchtlingen trotz Traumatisierung und fehlenden Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo vollzogen hatten, wurde die Familie von UNMIK wieder zurück geschickt und am 17.03. über Podgorica und Frankfurt/M. nach Berlin gebracht. Hier wurde der Familienvater erneut in Abschiebehaft genommen. Im Abschiebegefängnis Grünau befindet sich auch der 19jährige Sohn der Familie, der am 16.03. in Haft genommen, aber nicht mit abgeschoben wurde.

Unter den am 15. März in Berlin inhaftierten und am 16.03. zur Abschiebung nach Düsseldorf transportierten Flüchtlingen war zudem die 22jährige Frau I., deren durch den Krieg traumatisierte hier lebende Eltern nach gutachterlicher Stellungnahme des Berliner Behandlungszentrums für Folteropfer zwingend ihrer Unterstützung bedürfen. Für Frau I. ist zudem noch ein Petitionsverfahren auf Aufenthaltsgewährung anhängig. Diese Abschiebung wurde vom Verwaltungsgericht Berlin gestoppt, als Frau I. sich bereits am Düsseldorfer Flughafen befand. Frau I. wurde darauf erneut ins Abschiebegefängnis Grünau eingeliefert.

Dabei hatte der Flüchtlingsrat gehofft, dass eine erst in der vergangenen Woche von der Innenverwaltung angekündigte Änderung der Weisung für kriegstraumatisierte Flüchtlinge aus dem Kosovo ein Bleiberecht in Form einer Aufenthaltserlaubnis ermöglichen wird. Anlass für die aktuelle Weisungsänderung sind Auskünfte des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration zu nach wie vor fehlenden psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo.

Die gutachterlichen Stellungnahmen zur Traumatisierung der zur Abschiebung festgenommenen Flüchtlinge hätten aus Sicht des Flüchtlingsrates im Hinblick auf die geänderte Weisung berücksichtigt werden müssen. Zudem ist überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb Herr S. und Frau I. erneut in Abschiebehaft genommen wurden, obwohl ihre Abschiebung gar nicht möglich ist.

Diese Vorfälle tragen nicht zu einer berechenbaren Flüchtlingspolitik in Berlin bei.

  • * Der Flüchtlingsrat fordert die Innenverwaltung auf, die angekündigte Weisungsänderung für traumatisierte Flüchtlinge aus dem Kosovo umgehend in Kraft zu setzen.
  • * Die betroffenen Flüchtlinge sollen unverzüglich aus der Abschiebehaft entlassen werden.
  • * Der Flüchtlingsrat fordert die Innenverwaltung auf, die Inhaftierung minderjähriger Kinder zu unterlassen. Die Umstände der wiederholt festzustellenden Inhaftierung minderjähriger Kinder im Polizeigefängnis Grünau erscheinen rechtlich mehr als fragwürdig und bedürfen aus Sicht des Flüchtlingsrates einer näheren Untersuchung.

Flüchtlingsrat Berlin
Berlin, 21.03.2006





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