Veröffentlicht am 19.12.2022

19.12.2022: Statement Flüchtlingsrat Berlin zur LAF-Pressekonferenz zur akuten Unterbringungsnotlage

Zelte und Hangars sind ungeeignet zur Unterbringung schutzsuchender Menschen
Zugang zu Wohnungen muss höchste Priorität haben
Registrierungsstau im AkuZ Reinickendorf beenden
Unser vollständiges Statement im Wortlaut (pdf)

 


Infos des Flüchtlingsrat Berlin zur LAF-Pressekonferenz am 19.12.2022

Der Flughafen Tegel als Ankunftszentrum und Notunterkunft für geflüchtete Menschen ist zu einem Ort des Schreckens geworden

 

Zelte und Hangars sind ungeeignet zur Unterbringung schutzsuchender Menschen

In Massenzelten müssen die Menschen unter dünnen Planen in der Kälte ausharren. Extrem eng eingepfercht in für alle offen einsehbaren Schlafbereichen. Die Stockbetten so niedrig gestapelt, dass man nichtmal darauf sitzen kann. Die Fläche dazwischen reicht nicht um die wenigen Habseligkeiten abzustellen. Schließfächer, Schränke und Spinde fehlen im UA TXL bereits seit seiner Eröffnung im März. Es gibt keinerlei Privatsphäre und keinen Schutz vor Diebstahl.

Das Licht brennt die ganze Nacht. Viele Menschen sind krank, Kinder haben hohes Fieber, Krankheiten breiten sich aus, Coronafälle werden nicht systematisch erfasst. Es gibt keine funktionierende Postzustellung. Die Menschen erhalten keine Sozialleistungen und sind nicht krankenversichert.

Längst handelt es sich nicht mehr um eine Unterkunft für wenige Tage. Uns erreichen Hilferufe von Menschen, die sechs Wochen und mehr unter diesen Umständen ausharren. All das unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das mit Stacheldraht umzäunte Flughafengelände ist abgeschottet von der Zivilgesellschaft, unzugänglich für Initiativen, NGOs, Beratungsstellen und ehrenamtliche Helfer*innen. Die Fußwege zum Flughafen sind mit Gittern versperrt, das Gelände kann nur per Shuttlebus erreicht und verlassen werden.

Wir fordern den Senat auf, für eine menschenwürdige Unterbringung zu sorgen. Der Senat muss Hostels und Hotels, aber auch Businessappartements, Berlinovo-Appartements und Ferienwohnungen mieten und für Beratung und Betreuung der Menschen sorgen. Der Umgang mit schutzsuchenden Menschen in Tegel ist fahrlässig, inhuman und unwürdig für Berlin! In den Hangars und Leichtbauhallen, die der Senat in den nächsten Tagen eröffnen will, sind ähnliche Zustände zu befürchten.

Zugang zu Wohnungen muss höchste Priorität haben

Mit der Pressemitteilung „Wohnungen statt Zelte und Hangars“ haben wir gemeinsam mit zahlreichen weiteren Organisationen am 24.11.2022 umfangreiche Lösungsvorschläge vorgelegt, damit Geflüchtete aus Unterkünften in private Wohnungen ziehen können:

www.fluechtlingsrat-berlin.de/wohnungen_statt_zelte_und_hangars

Es kann nicht sein, dass Zelte und Hangars belegt werden, aber nichts unternommen wird, um die Wohnungssuche Geflüchteter wirksamer zu unterstützen. Betroffen sind Geflüchtete aller Herkunftsländer, darunter auch aus Afghanistan evakuierte Personen. Beratungsstellen berichten verzweifelt, wie durch fehlende Mietgarantien zur Wohnungssuche, Nichterreichbarkeit der Sozialbehörden, restriktive Prüfung von Mietangeboten und fehlende Kapazitäten von Fachberatungsstellen das Anmieten einer Wohnung unmöglich gemacht wird. Sozialbehörden gewähren Zugang nur mit Termin, zur Sofortprüfung von Mietangeboten sind sie nicht verpflichtet. Viele Mietangebote gehen dadurch verloren. Vor allem Familien mit Kindern bleiben jahrelang in Sammelunterkünften.

Aufgrund einer restriktiven Maßgabe des Bausenators erhalten in Berlin selbst anerkannte Geflüchtete keinen Wohnberechtigungsschein, wenn für ein Familienmitglied innerhalb des nächsten Jahres ein Termin zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde ansteht. Dies obwohl mehr als 98 % aller befristeten Aufenthaltserlaubnisse in der Praxis auch verlängert werden.

Durch das sture Festhalten der Sozialsenatorin – entgegen der Empfehlung aus dem Bundesinnenministerium – an der Wohnverpflichtung in Asylaufnahmeeinrichtungen wird die Unterbringungsnotlage zusätzlich verschärft.

Tausende Ukrainer*innen wurden in Berlin privat aufgenommen. Gastgeber*innen teilen ihre Wohnung mit Geflüchteten. Statt Dank und Respekt begegnet der Senat der Hilfsbereitschaft mit Ignoranz. Es gibt keine Beratung und Unterstützung beim zermürbenden Kampf mit Ämtern und Behörden. Rechtswidrig verlangen Sozialämter und Jobcenter förmliche Mietverträge und Untermietserlaubnisse, weshalb viele Gastgeber*innen sogar die Energiekosten aus eigener Tasche bezahlen müssen. Das ist angesichts der großen Hilfsbereitschaft beschämend, demotivierend und führt zum Verlust tausender privater Wohnmöglichkeiten. Immer mehr Menschen werden absehbar unter immer prekäreren Bedingungen in teuren Notunterkünften untergebracht.

Wir fordern den Senat auf, den privaten Gastgeber*innen Respekt entgegenzubringen, öffentlich Ihr Engagement zu honorieren und nach dem Vorbild anderer Kommunen eine Kostenpauschale für die notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Wir fordern den Senat auf, unsere konkreten Lösungsvorschläge umgehend umzusetzen und alle Möglichkeiten zu nutzen, um den Geflüchteten ein würdevolles Leben in Wohnungen zu ermöglichen. Wir sind überzeugt: Würden alle vorgeschlagenen Maßnahmen mit höchster Priorität verfolgt, könnte eine große Anzahl an Menschen die Sammelunterkünfte verlassen und in Mietwohnungen ziehen.

Menschenunwürdige Massenunterkünfte sind keine Lösung.

Registrierungsstau im AkuZ Reinickendorf beenden

Nicht nur im Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel, auch im Ankunftszentrum Reinickendorf für Asylsuchende sind die Zustände unhaltbar. Das nach dem Zusammenbruch des LaGeSo 2016 gegründete Registrierungs- und Behördenzentrum in der ehemaligen Landesbankzentrale Bundesallee, wo LAF, BAMF, ABH/LEA, AA usw. bei der Asylaufnahme kooperierten, wurde Anfang 2022 geschlossen, ohne dass es einen Alternativstandort gab.

Das Registrierungs- und Verteilzentrum des LAF für neu ankommende Asylsuchende im Haus 2 des AKuZ Reinickendorf ist viel zu klein, allenfalls 10 % der Fläche der Bundesallee. Die anderen Behörden fehlen dort ganz – wie auch im UA TXL. Schichtdienst ist keine Lösung (Krankenstand!), der Registrierungsstau kein Wunder. Unregistriert in der Notunterkunft im AKuZ wartende Asylsuchende erhalten wochenlang weder Zugang zum Asylverfahren noch zu Sozialleistungen und medizinischer Versorgung. Schriftliche Informationen über den Zugang zum Asylverfahren für Geflüchtete, die eine Möglichkeit zum privaten Wohnen haben, fehlen ganz.

Es gibt im AKuZ Reinickendorf nur einen Erste Hilfe Punkt des DRK mit Sanitätern, die aber nicht behandeln und im Notfall nur den RTW rufen können. Ärzte*innen der Charité machen einen Medi-Check, sobald die Registrierung erfolgt, aber keine Behandlung. Es dauert bis zu 6 Monate, bis die KV-Karte bzw. der Behandlungsausweis da ist. So lange bleibt den Menschen nur Notaufnahme, Notarzt und RTW, und Rezepte für Medikamente gibt es nur für Selbstzahler*innen.

Wir fordern den Senat auf, das LAF umgehend mit ausreichend Personal und geeigneten Räumlichkeiten auszustatten, um seine Aufgabe bei der Registrierung und Versorgung Geflüchteter angemessen wahrzunehmen. Die Registrierung und der Zugang zur Krankenversorgung für Geflüchtete ist ab dem ersten Tag sicherzustellen.

 

Kontakt: Bitte schreiben Sie uns eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten, wir rufen zurück:
buero@fluechtlingsrat-berlin.de





Nach oben scrollen