Veröffentlicht am 05.01.2021

05.01.2021: Appell zur Aufnahme Geflüchteter aus Bosnien an Berlins Regierenden Bürgermeister

Appell an den
Regierenden Bürgermeister Michael Müller,
an Innensenator Andreas Geisel
und an Sozialsenatorin Elke Breitenbach


Flüchtlingsrat fordert den Berliner Senat auf, in Bosnien gestrandete Geflüchtete aufzunehmen
Der Appell als pdf

 

Seit dem 23.12.2020 sind hunderte Geflüchtete aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Lipa weitgehend schutzlos dem Winter ausgeliefert. Tausende weitere Schutzsuchende campieren im Norden Bosniens in Ruinen und Wäldern und in Notunterkünften der IOM.[1]

 

Beim Dezember-Plenum des Berliner Flüchtlingsrates berichtete eines unserer Mitglieder eindrücklich von ihrem im November mit einer humanitären Hilfsorganisation geleisteten ehrenamtlichen medizinischen Einsatz für Geflüchtete in den Wäldern nahe der bosnischen Grenzstadt Velika Kladuša. Die Lage dort sei schlimmer noch als in Moria, wo sie zuvor ebenfalls medizinische Hilfe geleistet hatte. Viele Geflüchtete hätten infolge von Misshandlungen bei Pushbacks durch die kroatische Polizei erhebliche Verletzungen erlitten, aber keinerlei Zugang zu medizinischer oder sonstiger Versorgung. Die Hilfe sei erschwert, weil seitens der bosnischen Behörden die humanitäre Hilfe durch NGOs verboten sei.[2] Hinzu kämen die winterlichen Temperaturen und das Fehlen jeglicher Infrastruktur der illegalen Camps. Weitere Geflüchtete leben unter prekären Bedingungen in IOM-Camps, zu denen NGOs jedoch keinen Zutritt hätten. Viele der in Bosnien gestrandeten Geflüchteten seien zuvor schon in Griechenland von den Behörden sich selbst überlassen worden, einige seien zuvor in Moria gewesen. Betroffen sind auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Familien mit Kindern.[3]

 

Der Flüchtlingsrat appelliert an den Berliner Senat, umgehend in Bosnien Hunger und Kälte schutzlos ausgesetzte Geflüchtete in Berlin aufzunehmen und hierzu ein Landesaufnahmeprogramm vorzulegen. Anders als im Fall Griechenlands kann dies seitens des Bundesinnenministeriums nicht mit dem Argument des Vorrangs der Asylzuständigkeit in der EU nach der Dublin-Verordnung zurückgewiesen werden.

 

Georg Classen, Sprecher des Berliner Flüchtlingsrates: „Seit Jahren riegelt Kroatien mit Unterstützung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die bosnische Grenze rigoros ab.[4] Auch das BMI unterstützt die Maßnahmen.[5] Kroatien, Slowenien und vereinzelt auch Italien und Österreich lassen Schutzsuchende unter Verstoß gegen das EU-Asylrecht mit illegalen Pushbacks bis nach Bosnien zurückschieben.[6] Seitens der kroatischen Polizei kommt es dabei zu systematischen Misshandlungen der Geflüchteten.[7] Die Verantwortung für die Schutzsuchenden wird im Ergebnis auf den ökonomisch prekären, politisch instabilen bosnischen Staat abgeschoben. Deutschland muss endlich seiner Verantwortung gerecht werden und Schutzsuchende aus Bosnien aufnehmen. Berlin muss jetzt vorangehen und hierzu einen aktiven Beitrag leisten.“

 

Dieser Appell des Flüchtlingsrates Berlin wird unterstützt von der Initiative Seebrücke Berlin.

 

Weitere Infos: Flüchtlingsrat Berlin Tel. 030 22476311 (ggf. länger klingeln lassen wg. Homeoffice). Falls Sie uns nicht erreichen, schreiben Sie und bitte eine Mail, wir rufen zurück: buero@fluechtlingsrat-berlin.de

—–

[1] Vgl. Reportage www.zeit.de/politik/ausland/2020-10/migranten-bosnien-herzegowina-fluechtlinge-menschenrechte-europa

[2] Dennoch vor Ort aktiv www.balkanbrueckesupports.org, www.medical-volunteers.org, www.nonamekitchen.org, www.web.blindspots.support, www.facebook.com/SOSBalkanroute und als zugelassene NGO www.drc.ngo.

[3] z.B. in den IOM-Lagern Ušivak, Borići und Sedra, vgl. https://bih.iom.int/temporary-reception-center-profiles

[4] Sascha Schießl, Flüchtlingsrat Niedersachsen, Pushbacks und Gewalt an der kroatisch-bosnischen Grenze
www.nds-fluerat.org/politisches/abschottungspolitik/abschottung-entlang-der-balkanroute/kroatisch-bosnische-grenze/

[5] Innenminister Seehofer lobt: Croatian Police Protecting Border Properly www.total-croatia-news.com/politics/41028-border und übergibt Wärmebildgeräte www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2020/01/unterstuetzung-kroatien.html

[6] Videodokumentation kroatischer Polizeigewalt an bosnischer Grenze und illegaler Pushbacks Slowenien > Kroatien > Bosnien (wurde auch auf Spiegel Online veröffentlicht): www.youtube.com/watch?v=rtEDbuDbqzU

[7] Vgl. Border Monitoring Snapshot, Dokumentationen des Danish Refugee Councils zu Pushbacks und Misshandlungen durch die kroatische Polizei https://drc.ngo/our-work/where-we-work/europe/bosnia-and-herzegovina/





Nach oben scrollen