Veröffentlicht am 28.09.2023

29.09.2023: Täter nach rassistisch motiviertem Angriff auf Geflüchteten noch immer im Polizeidienst

Gemeinsame Pressemitteilung von Flüchtlingsrat Berlin, ReachOut, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und PRO ASYL
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Der gerichtlich verurteilte Polizist Stefan K. ist trotz eines gewalttätigen Angriffs auf einen geflüchteten Afghanen und seiner unklaren Verwicklung in die rechtsextremistische Anschlagserie in Neukölln weiterhin im Dienst. Am Freitag, 29. September, ist er zur Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss Neukölln-Komplex des Berliner Abgeordnetenhauses geladen –  hat sich aber krank gemeldet. Flüchtlingsrat Berlin, ReachOut, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und PRO ASYL fordern seine Suspendierung vom Dienst und Bleiberecht für alle Opfer rassistischer Gewalt.

 

Noch immer ist Stefan K. im Polizeidienst, trotz eines gewalttätigen Angriffs im April 2017 auf den Afghanen Jamil Amadi*, für den er im Mai 2022 vom Amtsgericht verurteilt wurde. Das Landgericht, das im März 2023 das Urteil bestätigte und die rechtsextremistische Gesinnung der Tat klar benannte, warnte bereits: “Die Kammer sieht es als hochproblematisch an, dass ein Polizeibeamter mit einem derartigen Verfassungsverständnis weiterhin zum Schutz und zur Verteidigung des Rechtsstaates als solcher tätig ist.”

 

Hinzu kommt der Verdacht seiner hochproblematischen Rolle als Sonderermittler bei der Berliner Polizei in der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG Rex), für die er bis 2016 für die Ermittlung der bis heute unaufgeklärten rechtsterroristischen Anschlagserie von 2009 bis 2021 in Berlin-Neukölln zuständig war. Kommenden Freitag, 29. September, ist K. erstmals zur Zeugenaussage im Rahmen des seit März 2023 eingesetzten Untersuchungsausschuss zu der Neuköllner Straftatenserie geladen, hat sich aber krank gemeldet.

 

Während ein Beamter mit gerichtlich anerkannter rechtsextremistischer Gesinnung sowie im Verdacht einer hochproblematischen Rolle im Neukölln-Komplex im Dienst bleibt, wurde der durch den Angriff psychisch und gesundheitlich stark angeschlagene Jamil Amadi noch während des laufenden Verfahrens gegen seine Angreifer im März 2020 nach Afghanistan abgeschoben. Statt ein Bleiberecht als Opfer rassistischer Gewalt zu bekommen, leidet er in dem krisengebeuteltem Land unter den Folgen der Tat und muss sich seit der Machtübernahme der Taliban versteckt halten: „K. hat mein Leben zerstört und macht einfach weiter, als wäre nichts gewesen“, sagt Jamil Amadi am Telefon. „Aber ich werde weiter für Gerechtigkeit kämpfen.“

 

Flüchtlingsrat Berlin, ReachOut, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt und PRO ASYL fordern: Wenn jemand wie Stefan K. als rassistischer Straftäter verurteilt wurde, muss er sofort vom Polizeidienst suspendiert werden. Jamil Amadi muss zurück nach Deutschland geholt und für das Verbrechen an ihm angemessen entschädigt werden. Für Opfer von rassistischer Gewalt muss bundesweit ein unbürokratisches Bleiberecht gelten.

 

Hintergrund zum Angriff auf Jamil Amadi

Jamil Amadi absolvierte zum Zeitpunkt der Gewalttat ein Praktikum in einer Kindertagesstätte und wollte eine Ausbildung zum Erzieher beginnen. Auf dem Heimweg von einem Fußballspiel im April 2017 gingen drei Männer am Berliner S‑Bahnhof Karlshorst auf Jamil Amadi los und verletzten ihn schwer. Einer der Täter war der Polizist Stefan K., der an diesem Abend außer Dienst privat unterwegs war.

Jamil Amadi ist seit dem Überfall traumatisiert und verlor den Boden unter den Füßen. Er bekam Psychosen und Depressionen und konnte nicht weiter an seiner beruflichen Entwicklung arbeiten. Er wurde obdachlos, konsumierte Drogen und ihm wurden verschiedene Straftaten zur Last gelegt, die auch laut der Richterin des Landesgerichts als Folge der psychischen Destabilisierung durch den Angriff zu bewerten sind. Sie beschreibt diese als „erhebliche Tatfolgen“ und bemängelte das geringe Strafmaß für K.. Ein Psychiater stufte Jamil Amadi zudem als schuldunfähig ein.

Noch während des Verfahrens gegen seine drei Angreifer und ohne eine Verurteilung wegen seiner eigenen mutmaßlichen Straftaten wurde er psychisch und gesundheitlich stark angeschlagen im März 2020 nach Afghanistan abgeschoben. Er leidet weiterhin sehr unter den Folgen der Tat, ohne die Möglichkeit einer adäquaten Behandlung. Seine gesamte Zukunft wurde durch den rassistischen Angriff zerstört.

 

Pressekontakte

FR Berlin, buero@fluechtlingsrat-berlin.de, Tel.: 030-22476311

KOP: Biplab Basu, Tel.: 0179-5441790

PRO ASYL, presse@proasyl.de, Tel.: 069-24231430

 

*Name zum Schutz geändert





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