Ausländerbehörde setzt Koalitionsvertrag nicht um
Presseinformation des Flüchtlingsrats Berlin vom 04. September 2017
Integration braucht ein gesichertes Aufenthaltsrecht. Bundesgesetzliche Vorschriften sollen so ausgelegt und angewendet werden, dass sie die Integration erleichtern und Bleibeperspektiven auch in bislang ungelösten Fällen ermöglichen. So steht es im Berliner Koalitionsvertrag. Doch dieses Versprechen löst der Senat nicht ein. Anstatt Ermessensspielräume zugunsten der Betroffenen zu nutzen, setzen Innenverwaltung und Ausländerbehörde weiterhin auf Abschiebung.
Als Beispiel sei die Familie B. genannt: Seit 2013 versucht die sechsköpfige Familie aus dem Kosovo, Angehörige der Roma, in Deutschland Fuß zu fassen. Trotz der psychischen Belastungen, der die Familie ausgesetzt ist – die Mutter und eine der Töchter leiden an post-traumatischen Belastungsstörungen aufgrund der Erlebnisse im Kosovo – und trotz Ablehnung des Asylantrags im Jahr 2015, gibt die Familie nicht auf und versucht ihren Weg zu gehen. Die Kinder gehen zur Schule, absolvieren Praktika und bereiten sich auf den Beginn einer Ausbildung vor. Der Familienvater hat ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis gefunden und besucht nebenher Deutschkurse bis zum Niveau B1. Doch die Berliner Ausländerbehörde setzt alles daran, die B.s loszuwerden, und torpediert alle Bemühungen der Familie, eine Bleibeperspektive zu entwickeln:
Obwohl Duldungsgründe vorliegen, stellt die Ausländerbehörde der Familie seit Monaten lediglich Grenzübertrittsbescheinigungen (GÜB) aus. Der Vater verlor deswegen seine Arbeit und kann nicht mehr zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Denn mit einer Grenzübertrittsbescheinigung ohne Arbeitserlaubnis darf ihn der Arbeitgeber nicht weiter beschäftigen.
Den Antrag der Tochter D. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche nach § 25a Aufenthaltsgesetz lehnte die Ausländerbehörde im Juni dieses Jahres ab, obwohl D. die Erteilungsvoraussetzungen erfüllt. Die perfide Begründung: zum Zeitpunkt der Antragsstellung habe sie keine Duldung, sondern nur eine Grenzübertrittsbescheinigung besessen. Diesen Ablehnungsgrund hat die Ausländerbehörde selbst geschaffen im besagten Zeitraum eine Duldung statt einer GÜB zu erteilen. Die junge Frau lässt sich nicht entmutigen und hat einen Ausbildungsplatz als Friseurin gefunden. Sie erfüllt nun alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung. Erneut bescheidet die Ausländerbehörde negativ, nun sei die Abschiebung schon in Vorbereitung. Alle Zeichen stehen auf Integration, der Ausbildungsbetrieb wartet auf D., doch die Ausländerbehörde stellt sich quer.
„Der Fall der Familie B. zeigt deutlich, dass die Berliner Ausländerbehörde nicht willens ist, den Koalitionsvertrag umzusetzen und die bestehenden aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten im Sinne der Betroffenen auszuschöpfen. Ganz im Gegenteil: die Behörde verhindert systematisch, dass die Familie Teil der Gesellschaft werden kann und Arbeit und Ausbildung nachgeht, und betreibt stattdessen mit vollem Einsatz die Abschiebung“, sagt Katharina Müller vom Flüchtlingsrat Berlin.
Aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten, der Familie eine Perspektive in Berlin zu eröffnen gibt es neben dem bereits erwähnten Bleiberecht für gut integrierte Jugendlich nach § 25a AufenthG und der Ausbildungsduldung nach § 60a AufenthG viele. Zu nennen wäre unter anderem die Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG über die Härtefallkommission. Wir fordern die Koalition auf, ihre Zusage einzuhalten auch in ungelösten Fällen Bleibeperspektiven zu ermöglichen und der Familie B. endlich eine Chance zu geben.
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