Flüchtlingsrat fordert sofortige Schließung der Unterkunft des Asylankunftszentrums im Tempelhofer Hangar 2
Pressemitteilung anlässlich der geplanten Eröffnung des Containerlagers auf dem Tempelhofer Feld
Die Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof zählen zu den schäbigsten Unterkünften für Geflüchtete in Berlin.
Nach der Anfang Dezember geplanten Eröffnung des Containerlagers auf dem Feld soll zwar die Notunterkunft in Hangar 6 und 7 geschlossen werden.[1] Doch an der ebenso katastrophalen Unterkunft des Asylankunftszentrums im Hangar 2 hält der Senat ohne Not fest. Dort sollen weiter alle neu in Berlin ankommenden Asylsuchende für die ersten drei Tage untergebracht werden.
Dagegen protestiert der Flüchtlingsrat entschieden. Wir fordern Sozialsenatorin Breitenbach auf, das vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten LAF allein zum Zweck der Abschreckung Asylsuchender installierte Sammellager im Tempelhofer „Ankunftshangar“ sofort zu schließen.
Nur wer die ersten drei Nächte in den nach oben offenen, türenlosen Schlafkabinen der riesigen Flugzeuggarage des Hangar 2 verbringt, erhält in Berlin Zugang zum Asylverfahren. Innerhalb dieser ersten drei Tage wird das Asylverfahren im Schnellverfahren im Behördenzentrum Bundesallee unter Beteiligung von LAF, Polizei, BAMF, Ausländerbehörde bis zum Asylbescheid durchgezogen. Im Hangar kommen die Menschen nicht zur Ruhe und haben keine Gelegenheit, sich auf ihr Asylverfahren und das alles entscheidende Asylinterview vorzubereiten. Erst nach Abschluss des dreitägigen Asylschnellverfahrens werden die Asylsuchenden vom LAF in eine reguläre Unterkunft verlegt.
Angesichts von derzeit über 2000 freien Plätzen in regulären Unterkünften (Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen) besteht in Berlin keine Unterbringungsnotlage mehr, die den weiteren Betrieb des Ankunftshangars mit nur etwa genutzten 100 Schlafplätzen rechtfertigt. Verantwortet wird die menschenunwürdige Unterkunft im Hangar 2 allein vom Land Berlin. Das Asylbundesamt BAMF hat damit nichts zu tun.
Georg Classen, Sprecher des Berliner Flüchtlingsrates, erklärt dazu: „Die linke Sozialsenatorin macht sich politisch unglaubwürdig, wenn sie die Unterkunft des Ankunftszentrums weiter im Hangar 2 betreibt. Durch die extrem abschreckende Unterbringung während des wichtigsten Teils des Asylverfahrens werden der Zugang zum Verfahren erschwert und die Asylchancen der oft traumatisierten Menschen bewusst gemindert. So tauchen vom Senat mit zweifelhaften Methoden für „volljährig“ erklärte Jugendliche lieber unter, als im Tempelhofer Hangar Asyl zu beantragen.“
Der Flüchtlingsrat fordert die Sozialsenatorin zum Verzicht auf Lager zur Abschreckung Asylsuchender auf, weder in den Hangars noch anderswo. Der Senat muss ein faires Asylverfahren durch eine angemessene, menschenwürdige Unterbringung aller Geflüchteten sicherstellen, ganz besonders in der ersten Zeit des Ankommens in Berlin. Die Unterbringung muss ab dem ersten Tag in regulären Unterkünften mit abschließbaren Zimmern, Privatsphäre und regulärer Küchen- und Sanitärausstattung erfolgen.
Der Flüchtlingsrat fordert weiter, dass sich Berlin nicht mehr am Asylschnellverfahren im Behördenteil des „Ankunftszentrum“ in der Bundesallee beteiligt. Die Weiterleitung Asylsuchender an das BAMF für das Asylinterview darf erst erfolgen, nachdem die Menschen hinreichend Gelegenheit hatten, nach ihrer Ankunft zur Ruhe zu kommen und Asylberatung in Anspruch zu nehmen.
Pressekontakt:
Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030 22 47 63 11, Mobil: 0152 02944736 (Georg Classen)
Hintergrund:
Die im September 2016 im Tempelhofer Hangar 5 installierte Unterkunft des Ankunftszentrums für neu in Berlin eintreffende Asylsuchende wurde im Juni 2017 im Hangar 2 neu etabliert, die Volksbühne übernahm den Hangar 5.
Die geflüchteten Menschen werden jeden Morgen um 7 Uhr aus dem Hangar mit Bussen in die ehemalige Landesbankzentrale in der Bundesallee gebracht. In enger Kooperation von BAMF, Polizei, Ausländerbehörde, LAF usw. wird dort innerhalb von 3 Tagen das Asylschnellverfahren von der erkennungsdienstlichen Behandlung über das Asylinterview bis zum Asylbescheid durchgezogen.[2] Gegen den am 3. Tag ausgehändigten Asylbescheid können die oft völlig desorientierten Geflüchteten dann nur noch innerhalb von 7 oder 14 Tagen bei Gericht klagen.
Die Asylsuchenden müssen während des alles entscheidenden Teils ihres Asylverfahrens die Nächte in der 20 Meter hohen Flugzeuggarage mit über 100 Menschen bei Dauerlärmpegel in nach oben offenen Schlafkabinen ohne Türen verbringen. Ihnen bleibt keine Zeit, um in Berlin anzukommen und sich zu orientieren, nachts in Ruhe zu schlafen oder sich tags zum Asylverfahren beraten zu lassen. Frühestens nach dem 3. Tag dürfen die Menschen den Hangar verlassen. Erst dann wird ihnen vom LAF eine reguläre Unterkunft in Berlin (Gemeinschaftsunterkunft oder Erstaufnahmeeinrichtung) zugewiesen.
Zum Ablauf des Asylschnellverfahrens im Hangar und der Bundesallee siehe ausführlich:
Ankunftszentrum_Berlin.pdf
Der zuvor in der Bundesallee sitzende Bereich der Charité, der für das LAF die Zwangsgesundheitsuntersuchung nach AsylG durchführt, zog im Juni 2017 im Hangar 2 mit ein. Bei der körperlichen Untersuchung werden laut BAMF auch Dokumente aufgefunden und für das Asylverfahren verwendet. Das Welcome-Café im Hangar 1 wurde zu Ende September 2017 gekündigt, weil das LAF die Hangars für das Ankunftszentrum weiter ausbauen will. Die Beratungsangebote im Café für Asylsuchende von Initiativen und Anwälten entfallen seitdem. Sozialsenatorin Breitenbach soll den Initiativen erklärt haben, das Ankunftszentrum im Hangar solle noch bis Ende 2019 weiterbetrieben werden.
Die menschenunwürdige Unterkunft im Hangar während des Asylschnellverfahrens ist allein vom Land Berlin (LAF) verantwortet. Das Asylbundesamt (BAMF) hat mit dem Ort der Unterbringung während des Asylverfahrens nichts zu tun. Nur wer durch das Asylabschreckungszentrum im Hangar geht, kann in Berlin Asyl beantragen. Das Land hat es nach § 23 Abs. 1 AsylG als Asylaufnahmebehörde in der Hand, die Asylsuchenden erst dann dem BAMF für das Asylinterview zuzuführen, wenn sie nach ihrer Ankunft zur Ruhe gekommen sind und Asylberatung in Anspruch nehmen konnten.
Die im September 2016 im Hangar 5 installierte, im Juli 2017 in den Hangar 2 umgezogene und durch die Aufnahme von Dienststellen des LAF und Charité weiter etablierte Unterkunft des Ankunftszentrums wurde nicht zur Behebung einer akuten Unterbringungsnotlage, sondern allein zur Abschreckung Asylsuchender installiert. Überall sonst in Berlin werden Notunterkünfte geschlossen, hier wird eine „Not“unterkunft neu geschaffen und weiter etabliert.
Die Beherbergung von Menschen in den zum Wohnen weder geeigneten noch zugelassenen Flugzeuggaragen verstößt gegen bau- und brandschutzrechtliche Bestimmungen. Mit Stand 17.09.2017 gab es in Berlin 1.674 freie Plätze in Gemeinschaftsunterkünften (GUs) sowie 945 freie Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen (EAEs), zusammen 2619 freie Plätze mit regulären Unterbringungsstandards (Quelle: Statistik des LAF vom 17.09.2017). Die Schließung des Ankunftshangars mit nur etwa 100 genutzten Schlafplätzen wäre daher sofort möglich!
Der Senat muss zudem den Zugang zu und die Finanzierung von behördenunabhängigen Asylverfahrensberatungsstellen sicherstellen, statt der derzeit praktizierten Beratung allein durch den LAF-Sozialdienst im Behördenteil des Ankunftszentrums in der Bundesallee.
Fußnoten:
[1] PM LAF 22.11.2017 www.berlin.de/sen/ias/presse/pressemitteilungen/2017/pressemitteilung.650787.php
[2] www.bamf.de/DE/DasBAMF/Aufbau/Standorte/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html